Batteriezellen für Elektroautos stammen derzeit größtenteils aus China. Die EU kann sich einer aktuellen Studie zufolge aber bis 2027 davon unabhängig machen – allerdings nur, wenn der politische Rahmen stimmt.
Laut einer Prognose von Transport & Environment (T&E) hat die europäische Batterieindustrie enormes Potenzial – jedoch nur mit den richtigen Anreizen.
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Europa könnte seine Abhängigkeit von Lithium-Ionen-Akkus chinesischer Hersteller bis 2027 beenden. Zu diesem Ergebnis kommt eine Prognose von Transport & Environment (T&E). Die EU sei auf dem besten Weg, bis dahin die heimische Nachfrage nach Elektroautos und Energiespeichern vollständig decken zu können, so der Bericht. Doch dafür müssten Anreize geschaffen werden.
T&E hat für den Bericht die Ankündigungen für Batteriefabriken in Europa verfolgt und die geplanten Produktionszahlen summiert. Demnach sei es wahrscheinlich, dass bis 2027 in Europa Lithium-Ionen-Batterien mit einer Gesamtkapazität von 413 GWh hergestellt werden, weitere 203 GWh seien möglich. Jedoch benötige die EU eine politische Strategie, um den US-Subventionen im Zuge des Inflation Reduction Acts (IRA) entgegenzuwirken und zu verhindern, dass Batteriehersteller ihre Investitionen in Europa zurückstellen. Die US-Subventionen könnten zum Beispiel dazu führen, dass Tesla in Brandenburg und Northvolt in Schleswig-Holstein Investitionen in Frage stellten.
Deutschland importiert größten Anteil Seltener Erden aus China
Die T&E-Prognose stellt ebenfalls in Aussicht, dass Chinas Überlegenheit bei den Batteriekomponenten sinken könnte. So sei es möglich, dass zwei Drittel des europäischen Bedarfs an Kathoden bis 2027 in der EU produziert werden. Zu den geplanten Projekten zur Kathodenproduktion gehöre laut T&E beispielsweise eine im Bau befindliche BASF-Anlage in Schwarzheide. Allerdings habe Volkswagen kürzlich die Eröffnung eines Batteriewerks in Kanada in Erwägung gezogen und eine Entscheidung über eine Gigafabrik in Osteuropa verschoben, so T&E.
Ferner sei es denkbar, dass sich die Abhängigkeit von China bei der Veredelung und Verarbeitung von Batteriemetallen deutlich verringert. T&E prognostiziert, dass bis 2030 mehr als 50 % des europäischen Bedarfs an veredeltem Lithium aus europäischer Produktion stammen könnte. Dazu gehörten laut T&E Rock Tech Lithium und Vulcan Energy Resources in Deutschland. Wie das Statistische Bundesamt angibt, kommt bislang ein Großteil der Seltenen Erden aus China. So seien von Januar bis November 2022 rund 5.300 Tonnen Seltene Erden im Wert von 49,3 Millionen Euro importiert worden. 65,9 % der importierten Metalle wurden aus China eingeführt. Seltene Erden sind wichtige Rohstoffe, etwa für die Herstellung von Akkus, Halbleitern oder Magneten für E-Motoren.
Produktionsverlagerung in die USA droht
Für Europa gilt es nun zu handeln. Denn mit dem Inflation Reduction Act droht sich das Kräfte- und Marktverhältnis in Richtung USA zu verschieben. Das US-Gesetz sieht "eine Förderung von Elektrofahrzeugen nur bei einem hohen Anteil der Wertschöpfung und einer Endfertigung in Nordamerika" vor, wie Stefan Randak von der Managementberatung Atreus im Online-Artikel Automobilindustrie auf Schlingerkurs erklärt. Die Gefahr für europäische Hersteller ist: Werden Unternehmen vom Förderpaket für die Schaffung lokaler Batterielieferketten angelockt, könnten Projekte, die eigentlich für Europa geplant sind, nach Nordamerika verlegt werden.
Die T&E mahnt daher eine stärkere Unterstützung seitens der EU an und schlägt die Einrichtung eines europäischen Souveränitätsfonds vor, der grüne Technologien fördern soll. “Das EU-Verbrenner-Aus im Jahr 2035 hat bereits viele Investitionen in die Batterieproduktion angeschoben. Schon heute wird die Hälfte der in der EU verwendeten Lithium-Ionen-Akkus auch hier hergestellt. Aber der Inflation Reduction Act hat die Spielregeln geändert. In Europa müssen mehr finanzielle Mittel bereitgestellt werden oder wir riskieren, geplante Batteriefabriken und Arbeitsplätze an Amerika zu verlieren“, so Sebastian Bock, Direktor von T&E Deutschland.
Strategisch denken: Globalisierung 2.0
Ist die Globalisierung damit vom Tisch? Nein, sagt Wolfgang Bernhart und plädiert im Gastkommentar (Seite 58) aus der ATZelektronik 10/2022 für eine Globalisierung 2.0, die neue Strategien in Entwicklung und Einkauf erfordere. Laut Bernhart wird "eine globale Arbeitsteilung […] auch weiterhin wichtig bleiben, um Kostenvorteile und Wettbewerbsfähigkeit zu halten". Zwingend seien daher geopolitische Überlegungen und Szenarien in alle Unternehmensentscheidungen einzubeziehen. So müssten etwa Technologie- und Sourcing-Entscheidungen potenzielle Ein- und Ausfuhrbeschränkungen von Komponenten, Vormaterialien und Technologien antizipieren. Für Bernhart ist klar: "Das Management ist mehr denn je gefordert, wirklich strategisch zu denken!".