Chinas Marktmacht bei Elektrofahrzeugen wächst
- 30-07-2024
- Automobilwirtschaft
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China erobert den E-Auto-Markt. Europa könnte 2024 zur Importregion für Autos aus China werden. Derweil wird in Deutschland wieder verstärkt über den Verbrennungsmotor diskutiert.
Das Exportvolumen von Autos chinesischer Hersteller könnte 2024 um 57 % steigen.
Wengen Ling / Getty Images / iStock
Der traditionelle Exportüberschuss der deutschen Autoindustrie in China könnte nach einer neuen Studie bereits in diesem Jahr kippen. In diesem Jahr könnten bereits 440.000 Fahrzeuge chinesischer Hersteller nach Europa importiert werden, schätzen die Autofachleute der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC und deren firmeneigene Unternehmensberatung Strategy& in einer Veröffentlichung. Die Zahl der nach China exportierten Autos europäischer Hersteller hingegen könnte demnach auf 325.000 Fahrzeuge sinken – der Großteil davon Fahrzeuge der deutschen Industrie: 295.000.
Im vergangenen Jahr war das Verhältnis noch umgekehrt: Europas Autoindustrie lieferte demnach 350.000 Fahrzeuge – darunter 320.000 deutsche – nach China, verglichen mit 280.000 Autos chinesischer Marken, die nach Europa importiert wurden.
Chinesische Hersteller bauen heimischen Marktanteil schnell aus
Hauptthema der Studie ist der weltweite Absatz von Elektroautos, die Autoren haben dafür die Absatzzahlen in 21 Ländern analysiert. Da chinesische Hersteller ihre Marktanteile bei reinen Elektrofahrzeugen (Battery Electric Vehicle, BEV), Plug-in-Hybriden und "Range Extended"-Elektrofahrzeuge (REEV) mit ergänzendem Benzinmotor auf ihrem riesigen Heimatmarkt schnell vergrößern, wächst auch deswegen deren globale Bedeutung, wie aus dem Papier hervorgeht.
In der Volksrepublik stammten demnach im zweiten Quartal bereits knapp 65 % aller dort verkauften Autos aus chinesischer Produktion, im Vergleich zum Sommer 2019 ein Anstieg um über ein Viertel. Das ist laut Studie vor allem auf den wachsenden Marktanteil von E-Autos zurückzuführen, damit gemeint sind neben Batteriefahrzeugen Hybride aller Bauarten.
Die deutschen Autobauer schaffen es indes nicht, so die Studie, ihren Anteil auf dem chinesischen Wachstumsmarkt substanziell zu vergrößern: Sie würden bei BEVs im ersten Halbjahr 2024 bei 6 % Marktanteil verharren, weltweit sinke ihr BEV-Anteil sogar leicht von 16 % auf 15 %.
Strafzölle würden europäischen Herstellern nicht viel nutzen
Dass EU-Strafzölle auf chinesische Elektroautos den europäischen Herstellern dauerhaft nutzen, bezweifeln die Autoren. Zölle könnten den europäischen Autobauern kurzfristig Vorteile gegenüber chinesischen Konkurrenten ermöglichen, sagte Felix Kuhnert, der Leiter des Autobereichs bei PwC Deutschland. "Die chinesischen Hersteller haben jedoch in der Vergangenheit eine hohe Adaptionsfähigkeit und Agilität gezeigt und werden die Zölle zum Anlass nehmen, ihre Produktionskapazitäten in Europa hochzuschrauben oder Partner für die Auftragsfertigung suchen und mit noch wettbewerbsfähigeren Produkten aufzuwarten."
Die Pekinger Führung hat für etliche Industriebranchen inklusive Elektroautos das Ziel ausgegeben, die weltweite Technologieführerschaft zu übernehmen. Produktion und Verkauf von Elektroautos werden daher in China auf verschiedenen Ebenen gefördert, bis hin zu kommunalen Subventionen in den großen Städten.
Neue Impulse in Deutschland gefordert
In Deutschland ist die Mobilitätswende indes ins Stocken geraten. "Für das Erreichen der deutschen Klimaschutzziele wird dringend ein attraktives Angebot in den unteren und mittleren Fahrzeugsegmenten benötigt, so dass eine größere Käuferschicht erreicht werden kann", sagt Andreas Püttner vom Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung (ZSW). Füllten die deutschen oder europäischen Hersteller diese Lücke nicht, bestehe die Gefahr, "dass andere Hersteller insbesondere aus China diese Chance ergreifen werden, selbst wenn die Einführung von Strafzöllen auf der europäischen Ebene dies aktuell zu verhindern versucht."
Um die deutschen Ziele bei der Elektromobilität zu erreichen, brauche der Markt neue Impulse, so Püttner. "Die Wachstumsinitiative der Bundesregierung zur verstärkten Förderung von elektrischen Dienstwagen kann dabei nur ein erster Schritt sein." Angesichts klammer Kassen schlägt er vor, klimaschädliche Subventionen konventioneller Fahrzeuge abzuschaffen – etwa den Steuervorteil bei Diesel oder das Dienstwagenprivileg für Verbrenner. In Deutschland ist der BEV-Absatz im zweiten Quartal das dritte Mal in Folge abgesackt.
Verbrenner wieder stärker im Fokus
Eine Folge davon: In Deutschland wird aufgrund des schwächelnden E-Auto-Absatzes wieder verstärkt über Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor diskutiert. Die wiedergewählte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte jüngst in ihrem politischen Grundsatzprogramm für die kommenden fünf Jahre eine Initiative für Ausnahmen für E-Fuels beim Aus für Neuwagen mit Diesel- und Benzinmotoren ab 2035 angekündigt. Konkret heißt es dort, es sei "ein technologieneutraler Ansatz erforderlich, bei dem E-Fuels eine Rolle spielen werden, indem die Vorschriften im Rahmen der geplanten Überprüfung gezielt geändert werden". Bundeskanzler Scholz begrüßt die E-Fuels-Ausnahme im Zuge des Verbrenner-Aus. Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder hatte konkrete Maßnahmen von der EU-Kommission verlangt, um das Verbrenner-Aus ab 2035 zurückzunehmen. Das grundlegende Verbrennerverbot müsse weg.
Porsche-Finanzchef Lutz Meschke kündigte kürzlich an, im Rahmen der schwierigen Marktlage für Elektroautos insgesamt auch wieder stärker den Verbrenner in den Fokus zu nehmen. "Da sich die Transformation zur Elektromobilität weltweit sehr unterschiedlich entwickelt, haben wir bereits begonnen, Projekte und Produkte auch im Hinblick auf die Verbrennertechnologie neu zu kalibrieren und zu priorisieren", sagte der Finanzchef. Zur Strategie gehöre eine hohe Flexibilität bei der Produktion der verschiedenen Antriebsarten. An der grundsätzlichen Strategie eines Absatzanteils von 80 % reinen Elektroautos bis 2030 ändere das Unternehmen nichts, sagte Porsche-Chef Oliver Blume. Porsche sei dafür bereit, am Ende entschieden darüber aber die Märkte.