Europäische Banken arbeiten effizient, belegt eine aktuelle Analyse. Eine besonders niedrige Cost-Income-Ratio haben Institute mit hohen IT-Investitionen. Deutsche Häuser haben ihr Ertragspotenzial allerdings noch nicht voll ausgeschöpft.
Die Cost-Income-Ratio (CIR) in der europäischen Bankenbranche sank laut einer Analyse des Beratungshauses Bearing Point 2023 auf 55,1 Prozent. Das ist der niedrigste Wert seit 2013. Für den Report wurden die Jahresabschlüsse von 118 Instituten, die unter der Aufsicht der Europäischen Zentralbank stehen, im Zeitraum von 2019 bis 2023 untersucht. Besonders effizient sind demnach Unternehmen aus den nordischen Ländern sowie aus Spanien und Portugal.
Für Frankreich und Deutschland zeigt die Auswertung infolge der hier oft langfristigen Zinsbindungen allerdings noch Verbesserungspotenzial. Hierzulande konnten die Ertragspotenziale durch Leitzinserhöhungen "bisher nicht vollständig ausgeschöpft werden", heißt es. Erst mittelfristig rechnen die Studienautoren mit einer Verbesserung der CIR-Werte in Deutschland.
Insgesamt sind im vergangenen Jahr die Zinserträge der untersuchten Geldhäuser deutlich um 82,4 Prozent nach oben geschossen. Deutschland erreicht mit 119,1 Prozent sogar einen Spitzenwert. Die hiesige Zinsmarge gehört allerdings mit nur 0,91 Prozent nur zum unteren Drittel. Das europäische Mittel beträgt 1,23 Prozent.
Zeitenwende für Europas Banken
"Das Jahr 2023 markiert eine Zeitenwende für den europäischen Bankenmarkt. Nach Jahren wirtschaftlicher Unsicherheiten und der Herausforderung durch die Nullzinspolitik konnten die europäischen Banken ihre Ertrags- und Finanzlage deutlich stabilisieren", fasst Robert Bosch, globaler Leiter Banking & Capital Markets bei Bearing Point, die Lage der Institute zusammen. Die "Rückkehr des klassischen Bankgeschäfts" hat der Studie zufolge die Vorsteuergewinne um 38,9 Prozent steigen lassen.
Dennoch gibt es laut Bosch auch einen Wermutstropfen:
Die Zinserträge wirken sich zwar positiv auf die Ertragslage der Banken aus, doch lassen die auch überproportional gestiegenen Refinanzierungskosten erste Herausforderungen für das Liquiditätsmanagement erkennen. Belastbare Refinanzierungspläne und geeignete Stressszenarien sind daher unabdingbar, um die Zahlungsfähigkeit jederzeit sicherzustellen."
Banken müssen daher ihre Zins- und Kapitalmodelle vor dem Hintergrund des sich stetig ändernden Zinsumfelds regelmäßig validieren. Hierfür bedürfe es einer soliden Datenbasis.
Höhere IT-Kosten lohnen sich für Banken
Zwar haben Transformationsprojekte in den Bereichen Digitalisierung und Automatisierung insgesamt zu einem Kostenplus von 4,9 Prozent geführt. Besonders effizient arbeitende Banken, die ein CIR von 55 Prozent oder weniger aufweisen, investieren allerdings doppelt so viel in ihre IT-Infrastruktur wie Banken mit einer höheren CIR. Diese sogenannten Laggards setzen auf ihre bestehende technologische Infrastruktur mit lediglich punktuellen Verbesserungsansätzen, moniert Bosch.
Dabei belegten Erfahrungen, dass sich hohe Investitionsausgaben für die IT-Infrastruktur auszahlen. "Digitale Vorreiter wirtschafteten insgesamt effizienter, sind in Bezug auf ihre Verwaltungskosten flexibler und können sich so auch kurzfristig den Gegebenheiten besser anpassen."
Vorreiter-Institute nutzen unter anderem KI
Als Beispiele für innovative Ansätze führt die Erhebung KI-gestützte Kreditwürdigkeitsprüfungen, personalisierte Finanzberatung durch Chatbots und automatisierte Handelssysteme an. Aber auch die Hyperautomation, ergänzt um generative KI (Gen AI), gilt den Studienautoren zufolge als wichtiger Ansatz. Dieser erlaube eine höhere Skalierbarkeit und komplexere Datenverarbeitung, um so präzisere und effizientere Prozesse zu installieren.
Demgegenüber hebt die Analyse auch die zentralen Herausforderungen in Bezug auf datenschutzrechtliche und ethische Fragen sowie die Cyber-Sicherheit hervor. Hierzu gehören auch Regulierungen wie etwa der EU AI Act oder der Digital Operational Resilience Act (DORA). Vor allem letzterer erfordere "umfangreiche Anpassungen in den IT-Landschaften der Banken".
Neo-Banken und Blockchain sorgen für Druck
Außerdem sorgen Neo-Banken und Fintechs, die sich vor allem auf den Finanzdienstleistungsmarkt konzentrieren, mit ihren rein digitalen Bankdienstleistungen, den zunehmenden Einsatz von KI sowie die generell schlanke Kostenstrukturen für zusätzlichen Druck. Zudem bringe Blockchain-Technologie zahlreiche Nutzer in einem losen, aber hocheffizienten Netzwerk zusammen. Diese führen Decentralised Finance (DeFi)-Transaktionen auf der Basis von Computercode-basierten Smart Contracts durch.
"Vor allem aufgrund von Sicherheitsbedenken ist die Beteiligung regulierter Finanzmarktteilnehmer an DeFi-Anwendungen bisher gering", glaubt Bosch. Der Experte geht allerdings davon aus, dass die Regulierungsbehörden diese Entwicklung aufmerksam verfolgen werden, "da die Einhaltung von Finanzvorschriften und Gesetzen im Bankensektor von entscheidender Bedeutung ist".
Digitalisierung des Bankgeschäfts
Grundsätzlich werde sich angesichts des zunehmenden digitalen Anteils an Finanzdienstleistungen, des Wettbewerbs mit Fintechs als auch der rasanten Entwicklung bei der Anwendung neuer digitaler Tools und KI zwar der Kern des Bankwesens - also das Einlagen- und Kreditgeschäft - nicht ändern. "Die Art und Weise, wie Bankgeschäft betrieben wird, jedoch schon", resümiert Bosch.