Von Kritikern der Blockchain wurde die Technologie, auf deren Basis die virtuelle Open-Source-Währung Bitcoin 2009 in der Finanzbranche eingeführt wurde, eher als Plattform für betrügerische Machenschaften mit virtuellen Währungen gesehen. Doch jenseits davon kann die Blockchain auch dazu beitragen, Geschäftsmodelle zu transformieren und Prozesse zu beschleunigen. Dabei ist sie für viele Bereiche einsetzbar. Laut einer Studie von Bearingpoint verändert die Technologie insbesondere das Bankenumfeld in Zusammenhang mit den Fintech-Start-ups, denn darunter sind auch Blockchain-Spezialisten.
Die Finanzbranche hat das Potenzial erkannt: Bis zum Jahr 2017 will sie eine Milliarde US-Dollar in die Blockchain-Technik investieren. Geldhäuser wollen sie sich zum Beispiel als eine Art dezentrales Kassenbuch nutzbar machen. So können alle jemals getätigten Transaktionen einer digitalen Währung ständig protokolliert werden. Auch in Zahlungsprozessen spielt die Technologie neben der Tokenisierung und der Zweifaktor-Authentifizierung für Biometrie eine Rolle.
Wie funktioniert die Blockchain?
Nach Prüfung durch ein Rechnernetzwerk bildet beispielsweise eine angestoßene Bitcoin-Überweisung zusammen mit anderen Transaktionen einen so genannten digitalen Block und dockt an eine Kette weiterer Blöcke an. So entsteht eine Blockchain. Über die Technologie lassen sich laut Stefan Mey, Autor des Bankmagazin-Beitrags "Wohin die Blockchain führt"(Ausgabe 1/2016), aber nicht nur Bitcoins oder andere digitale Währungen, sondern auch reale Währungen und Wertpapiere digital übertragen. Werden Transaktionen per Blockchain-Standard abgewickelt, können Prozesse, bei denen Finanzintermediäre eingebunden sind, entfallen. Nicht nur der Effizienz-, sondern auch der Kostenaspekt ist daher für Geldhäuser reizvoll. Die spanische Banco Santander schätzt laut Mey, dass Geldinstitute weltweit 15 bis 20 Milliarden US-Dollar durch die Blockchain-Technologie einsparen können.
- Was bringt die Blockchain für die Prozesse?
Für Banken zählt aber auch der Zeitvorteil. Denn über die Blockchain können Wertpapiertransaktionen in wenigen Sekunden oder sogar in Echtzeit abgewickelt werden, erklärt Bernd Richter, Partner bei der Unternehmensberatung Capco. Weitere Vorteile sieht er im Akkreditivgeschäft.
Rund um die Blockchain entstehen derzeit viele Projekte, an denen auch Geldinstitute beteiligt sind. So soll über das US-amerikanische Start-up R3 CEV ein Standardprotokoll für Banken entstehen. Die Idee: Kreditinstitute können über einen persönlichen Zugang in geschütztem Rahmen Transaktionen beteiligter Partner verifizieren und kontrollieren.
Das interessiert derzeit vor allem deutsche Großbanken. Zum Einsatz kommen könnte der Standard für interne Prozesse beispielsweise im Bereich Unternehmensanleihen, heißt es beispielsweise von der Deutschen Bank. Die Unicredit forscht als Mitglied des Investorenkonsortiums von R3 CEV zu rechtlichen und regulatorischen Aspekten. Zudem sind Pilotprojekte im Währungshandel und bei grenzüberschreitenden Transaktionen geplant, berichtet Mey in seinem Beitrag.
Auch Softwareschmieden wie IBM sehen Innovationspotenzial mit der Blockchain: So plant das Unternehmen nach eigenen Angaben, ein IBM Center für Blockchain-Innovation in Singapur zu gründen. Dabei kooperiert das Softwarehaus mit dem Singapore Economic Development Board (EDB) und der lokalen Zentralbank, der Monetary Authority of Singapore (MAS), um neue Blockchain-Apppliaktionen zu entwickeln. Unter anderem sollen damit speziell kleine und mittlere Unternehmen angesprochen werden, um neue Märkte für Finanztransaktionen und Handel zu eröffnen. Handelssysteme, die auf der Blockchain basieren, sollen die Effizienz von Multipart-Handelstransaktionen verbessern. Zur neuen Klasse von Blockchain-Applikationen im Finanzbereich könnten beispielsweise auch dezentral organisierte Kreditbüros oder so genannte smart contracts gehören., sagt Melanie Swan, Mit-Autorin des Springer-Buchs "Rule Technologies". Das sind Computerprotokolle, die Verträge abbilden oder überprüfen und die Verhandlung oder Abwicklung eines Vertrags technisch unterstützen.
- Was sind neue Möglichkeiten für Banken mit der Blockchain?
Der Dienstleister für Finanztechnologie, Infosys, hat vor allem die Veränderungen im Retailbanking durch die Blockchain im Blick: "Stellen sie sich vor, regulatorische Veränderungen bewirken, dass die Bankkonten der Kunden im Retailbanking völlig mobil werden. Damit können sie leicht zwischen verschiedenen Instituten wechseln und Banking wird zur Commodity", stellt Infosys fest. In diesem veränderten Umfeld seien nicht mehr die Transaktionsgebühren das Schlachtfeld für die Kundenrückgewinnung. Banken müssten stattdessen stärker personalisierte Kundenbeziehungen aufbauen.
- Was sind Vorteile der Blockchain für Kreditinstitute?
Durch die Blockchain können Kreditinstitute umfangreiche analytische Daten mit anderen sozialen und persönlichen Informationen kombinieren. Sie ermöglichen persönliche digitale Interaktionen mit der Bank. Ende April hat das Tochterunternehmen von Infosys, Edge Verve Systems, ein Blockchain Framework auf den Markt gebracht. Damit soll es für Banken möglich sein, schnell Dienstleistungen für verschiedene Geschäftsfelder auf Basis der Technologie anzubieten. Weitere Optionen für Kreditinstitute sind
- digitale Wallets oder
- rechtsverbindliche Dokumente,
die auf Basis der Blockchain gesteuert werden können. Darüber hinaus wird laut Infosys auch das Risikomanagement der Banken mithilfe der Blockchain auf Makroebene weiterentwickelt. Überdies steigt die Transparenz bei komplexen strukturierten Kreditprodukten: Weil die Blockchain alle Transaktionen in einem transparenten Bericht sichtbar macht, wird es einfacher, komplexe Transaktionen in ihre einzelnen Bestandteile zu zerlegen und auf diese Weise aktives Risikomanagement zu betreiben.