Die Blockchain beschleunigt Prozesse im digitalisierten Vertragswesen und hilft Unternehmen, Kosten zu senken.
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Programmierbare Verträge, so genannte Smart Contracts, die mithilfe der Blockchain abgewickelt werden, sind derzeit insbesondere in der Finanz- und Versicherungsbranche zunehmend in der Diskussion. Dabei werden Aktionen, etwa Zahlungen, automatisch ausgeführt, sobald zuvor festgelegte Bedingungen erfüllt sind. Hinter den virtuellen Verträgen steht die Blockchain-Technologie. Sie ist beispielsweise Grundlage der Bitcoin-Währung und wird Distributed-Ledger-Technologie (DLT) genannt. Mit der Blockchain lässt sich fast alles digital transferieren, schreibt der Bankmagazin-Autor Stefan Mey in seinem Beitrag "Wohin die Blockchain führt" (Ausgabe 1/2016, Seite 48). So beispielsweise Währungen wie Euro oder US-Dollar, aber auch Wertpapiere, Gold oder Bonusmeilen. Selbst Grundstücke oder Autos können mithilfe der Blockchain den Inhaber wechseln, so Mey. Mit der Technologie lassen sich darüber hinaus nicht nur Zahlungstransaktionen, sondern auch Finanzverträge automatisiert abwickeln. Dadurch werden Prozesse im Finanzvertrieb beschleunigt, die dem digitalen Wandel bisher noch nicht gerecht werden.
Datentransfer in Echtzeit
Wie funktionieren Smart-Contract-Transfers? Die jeweiligen Vertragsinformationen werden in Echtzeit transferiert und digital dokumentiert. In die entsprechende Blockchain ist eine Wenn-dann-Bedingung programmiert, wie die Experten des Beratungshauses Capgemini erläutern. Wird die vertraglich geregelte Bedingung A erfüllt, indem beispielsweise eine Zahlung durchgeführt wird, wird automatisch Aktion B ausgelöst.
Für Banken sind automatisch gesteuerte Vertragsprozesse interessant, weil Transaktionen innerhalb des Finanzsystems eine Reihe an Intermediären einbeziehen, die Abläufe teuer und langsam machen. Mit der Blockchain wären diese künftig einfacher und Zwischenstufen nicht mehr nötig. Dies bedeutet für Kreditinstitute entsprechende Einsparpotenziale. Aber auch Verbraucher würden profitieren. So hat der neue Smart-Contracts-Report des Digital Transformation Institute (DTI) von Capgemini ergeben, dass Verbraucher pro Kopf künftig beispielsweise bis zu 450 Euro an Banken- und Versicherungsgebühren im Jahr einsparen könnten, wenn ihre Versicherungs- oder Kreditverträge mittels der Blockchain elektronisch abgewickelt werden. Denn im Unterschied zu physischen Schriftstücken sind sie elektronisch als Software programmiert und werden per DLT auf dezentral geführten Kontobüchern verwaltet. Die Autoren der Studie sagen voraus, dass solche intelligenten Verträge ab dem Jahr 2020 im Massenmarkt breite Akzeptanz finden werden. Allerdings müssten zuvor noch die regulatorischen Rahmenbedingungen für den Einsatz von Blockchains geklärt werden. Aus Sicht von Stefan Huch, Leiter Payments & Blockchain bei Capgemini Consulting, kann die Technologie das Vertragswesen revolutionieren, denn "die Risiken werden geringer, die Kosten sinken und die Effizienz wird steigen." Laut dem Capgemini-Report experimentieren bereits verschiedene Kreditinstitute, etwa die Deutsche Bank, BNP Paribas oder Credit Suisse, aber auch Versicherungskonzerne wie die Allianz, mit Vertragstechnologien und -systemen, denen die Blockchain-Technologie zugrunde liegt.
Intelligente Verträge bieten Zeit- und Prozessvorteile
Vor allem drei Anwendungsbereiche profitieren dem Report zufolge von Smart Contracts:
- Privatkundengeschäft: Durch intelligente Verträge können papierbasierte Gutachten oder Dokumentationsabläufe im Bereich persönliche Darlehen und Hypotheken abgeschafft und Interaktionszeiten vereinfacht werden. Zudem gehen die Experten davon aus, dass Banken allein in den USA und in der Europäischen Union durch weniger Verwaltungsaufwand die Kosten um drei bis zehn Milliarden Euro senken können.
- Versicherungswesen. Hier bringt ein Smart-Contract-System ähnlich wie bei Banken alle Akteure der Wertschöpfungskette auf einer Plattform zusammen.
- Investmentbanking, Smart Contracts können beispielsweise Verzögerungen in Prozessen rund um Konsortialkredite beschleunigen und die Dauer des Zahlungszyklus für Unternehmenskunden von 20 auf sechs bis zehn Tage senken. Regulatorische Kapitalanforderungen und etwaige Risiken durch verspäteten Zahlungsausgleich im Abrechnungszeitraum des Darlehens reduzieren sich.
Die Springer-Autoren Florian Idelberger, Guido Governatori, Régis Riveret und Giovanni Sartor sehen in ihren Beispielen zu logikbasierten Smart Contracts im Buch "Rule Technologies" aber zwei Grundvoraussetzungen, damit sie Sinn machen: Die dahinterstehenden Algorithmen müssen sowohl effizient als auch kostengünstig in der Ausführung sein. Zudem sollten sie auf das entsprechende ökonomische Umfeld abgestimmt sein, in dem sie eingesetzt werden.