Digitale Wettbewerber liefern klassischen Bankhäusern Inspiration und Motivation, um neue Produkte zu entwickeln, glaubt eine aktuelle Analyse. Dabei nutzen sie das sogenannte Greenfield-Konzept.
Laut dem aktuellen State of Financial Services-Report von Oliver Wyman können klassische Banken mit dem Konzept "wie auf einer freien, grünen Wiese" ein Vorhaben von Grund auf neu, unabhängig und ohne Schnittstelle zum bestehenden Unternehmen entwickeln. Dabei werden aktuelle Trends ebenso wie Kundenbedürfnisse berücksichtigt und neue Technologien wie Data Analytics und Künstliche Intelligenz eingesetzt. Neue Regulierungen fließen von Beginn an in die Entwicklung ein und es muss auch nicht auf die Probleme mit veralteten Legacy-Systemen Rücksicht genommen werden.
"Für eine Branche, die mit der Übertragung und Verwahrung von Geld gewissermaßen ein elektronisches Produkt anbietet, erfolgen zu viele Prozessschritte noch manuell", so Gökhan Öztürk, Partner im Bereich Financial Services bei Oliver Wyman. "Etablierte Unternehmen werden darauf setzen, die Fesseln ihrer alten Infrastruktur abzuwerfen und unbelastet neue Wege zu beschreiten." Und neue Pfade einzuschlagen halten die Studien-Experten für notwendig, denn der Wettbewerb in der Bankbranche verschärft sich. "Immer mehr Unternehmen drängen mit innovativen digitalen Produkten und Dienstleistungen auf den Markt", so die Analyse.
Banken müssen sich digitaler Konkurrenz stellen
Dabei gehen aktuell die jungen Finanz-Start-ups mit innovativen Ideen voraus. So habe die südkoreanische Onlinebank Kakao in weniger als einem Jahr sechs Millionen Nutzer gewonnen. Monzo, Revolut und andere Unternehmen im Vereinigten Königreich hätten ihre Kundenbasis innerhalb eines Jahres von 0,6 auf 2,5 Millionen Kunden ausgebaut. In den USA hat Chime mehr als zwei Millionen kostenlose Girokonten eröffnet. Am Devisenmarkt konnte XTX in nur drei Jahren einen Marktanteil von zehn Prozent erobern und war damit 2018 der zweitgrößte Marktakteur. "Zwar mögen einige dieser Unternehmen derzeit noch keine Gewinne abwerfen, längerfristig gesehen werden die digitalen Herausforderer und Greenfield-Unternehmen von diesem Momentum profitieren", erklärt René Fischer, Partner im Bereich Financial Services bei Oliver Wyman. Sie werden weitere Daten sammeln, anhand dieser Daten neue Angebote entwickeln und noch mehr qualifizierte Mitarbeiter für sich gewinnen, so der Experte.
Mit dem Greenfield-Ansatz könnten etablierte Insitute beim Kundenangebot mit den Herausforderern gleichziehen oder diese sogar übertreffen. "Mithilfe moderner Technologie, einer offenen Plattformstruktur und externer Dienstleister ist es möglich, innerhalb eines Jahres für zwischen 10 und 60 Millionen Euro neue Banking- und Versicherungsplattformen zu entwickeln", glauben die Fachleute bei Oliver Wyman. "Angesichts des Vorteils, dass sie über enorme Ressourcen und von Beginn an über einen Bestandskundenstamm verfügen, werden Finanzdienstleister darauf setzen, die Fintech-Konkurrenz mit Greenfield-Plattformen auszustechen", heißt es in der Studie. Sicher sind sich die Experten, dass die neuen Unternehmen dazu beitragen, firmenweit Veränderungen am Status quo anzuregen und voranzutreiben. "Das Neue wird das Alte verändern und das Finanzsystem insgesamt besser machen", so das Fazit von Öztürk.