Mitarbeiter in Finanzunternehmen hüten ihr Know-how besser als es in anderen Branchen üblich ist. Um innovativer und agiler zu werden, müssen diese Wissenssilos verschwinden. Das erfordert eine starke IT, crossfunktionale Teams und vor allem ein offenes Mindset.
Noch ist ein offener Austausch über Abteilungs- und Bereichsgrenzen hinweg nicht in jedem Finanzinstitut üblich. Doch diesen braucht es, um wertvolles Wissen zu teilen, um damit innovative Geschäftsstrategien zu entwickeln.
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Banken hüten Geheimnisse, das ist ihr Markenzeichen. Die Kunden vertrauen ihnen deshalb stärker als Tech-Unternehmen, und es gibt natürlich rechtliche und regulatorische Vorgaben, die sie erfüllen müssen. Doch viele Mitarbeitende in den Instituten gehen so weit, dass sie häufiger als in anderen Branchen ihre Kompetenzen ebenfalls wie ein Geheimnis hüten - sogar gegenüber ihren Kolleginnen und Kollegen. Das Verhalten ist ein Problem, denn es steht im krassen Wiederspruch zur notwendigen internen Vernetzung und zum Wissensmanagement in den Geldhäusern.
Während branchenübergreifend immerhin 69 Prozent intern Know-how und Wissen teilen würden, um effektiver und innovativer agieren zu können, sind es bei Banken und Versicherern nur 59 Prozent. Die Offenheit gegenüber externen Partnern ist ebenfalls unterdurchschnittlich: Nur 27 Prozent der Finanzdienstleister würden Kompetenzen teilen - quer durch alle Branchen sind es 48 Prozent, zeigen die Ergebnisse des Managementkompass Survey Open Company von Sopra Steria, für den 271 Entscheiderinnen und Entscheider im Mai 2023 befragt wurden.
Fachkräftemangel forciert stärkeren Austausch
Die Corona-Pandemie, fortlaufende Homeoffice-Regelungen und der Mangel an IT-Fachkräften haben die Notwendigkeit zur Öffnung verschärft. In den vergangenen Jahren wurde klar, wie wichtig der Austausch zwischen Menschen ist und dass dies bisher nur selten wirklich strategisch verfolgt wurde. Banken lernten, dass Präsenzarbeit nicht das einzige Konzept ist, das funktioniert. Im Austausch werden Ideen diskutiert, hinterfragt, interpretiert und ergänzt - und dadurch besser.
Besonders in der Bankenbranche zeigt sich: Es sind die Institute erfolgreich, die Innovationen selbst schaffen und nicht nur Konkurrenten kopieren. Das gelingt vor allem dann, wenn verstanden wird, dass IT zum Kerngeschäft gehört und erst dann durch den Abbau der Wissenssilos. Beispiele von Instituten, bei denen dieser Prozess vorangeht, gibt es in mehreren Bankengruppen.
Die DKB macht gute Fortschritte als Tech-Bank. Santander aus Spanien verfolgt, getrieben von einem engagierten CEO, den Ansatz "IT is Core". Die Großbank ING war Vorreiter als agiles Institut. Und auch in der Genossenschaftlichen Gruppe, beispielsweise der DZ Bank, schrumpfen die Wissenssilos merklich. Agiler zu werden, ist eine große Herausforderung für Geldhäuser und mit Fluktuation verbunden.
Kompetenzen in crossfunktionalen Teams bündeln
Dabei sollten Banken möglichst Fachleute im Haus haben, die das IT-System in der Tiefe verstehen. Dieses Know-how sollte intern vorhanden sein. Der Versuch von ausgelagerten Systemen, etwa mit einem Admin-Service, ging oft schief. Die Bank konnte auf Anforderungen nicht mehr schnell genug reagieren und die externen IT-Techniker haben nicht verstanden, was das Management will.
Intern helfen crossfunktionale Teams aus Bank- und IT-Fachkräften bei der Bündelung von Kompetenzen. Dazu gehört ein Vermittelnder, beispielsweise ein Businessanalyst, der beide Sprachen spricht. Ist das Team dann etabliert und Verständnis geschaffen, braucht es keinen Übersetzer mehr. Ein Beispiel für funktionierende Vernetzung sind sogenannte DevOps, bei denen Business und IT schneller und zuverlässiger gemeinsam entwickelt werden als bei isolierten Abteilungen.
Regulatorik ist nur ein gefühltes Hindernis
Bankgeheimnis, Datenschutz oder Regulierung werden oft von den Kreditinstituten als Transparenzbarrieren genannt. Beispielsweise nennen 52 Prozent der befragten Bankentscheider rechtliche und regulatorische Voraussetzungen als Hindernis für Kooperationen. Doch dies scheint eher ein vorgeschobener Grund zu sein, denn beim internen oder externen Austausch werden selten personenbezogene Daten oder Kundeninformationen ausgetauscht. Zudem gibt es von der Bafin geprüfte Lösungen und Prozesse, die sicheren Austausch ermöglichen.
Vielmehr sollte es im Grunde darum gehen, welche Automatisierungstools in anderen Häusern oder Abteilungen im Einsatz sind, wie Implementierungshürden genommen wurden oder der IT-Betrieb sichergestellt wird. Hilfreich ist jede Form der Vernetzung. Seien es Round Tables, Think Tanks oder Verbandstagungen. In manchen Fällen nutzen Banken Externe als Vermittelnden um den Austausch und die Bewertung passender Partner anzuregen. Solche polykompetenten Vermittler, die verschiedene Mindsets und Kulturen verstehen, werden künftig deutlich relevanter werden.
Denn der wirkliche Grund für fehlende Vernetzung und mangelndes Wissensmanagement ist Vertrauen. Das beginnt bereits beim internen Vernetzen. Mitarbeitende müssen sich einander anvertrauen und sich öffnen. Dabei schwingen Ängste mit, dass das, was man preisgibt, Nachteile mit sich bringt. Das geht so weit, dass Einzelne Sorge haben, dass ihre Stelle abgebaut wird, wenn sie ihre Kompetenzen mit anderen teilen oder, dass sie ihre Position als alleiniger Wissensbesitzer gefährdet ist.
Vernetzung als Geschäftsstrategie
Um intern mehr zusammenzuarbeiten, sollten Banken die Bereitschaft dafür stärken, und das ist ein Kraftakt. 62 Prozent der Finanzdienstleister arbeiten bereits an einem offenen Mindset - das sind zwölf Prozentpunkte mehr als im branchenübergreifenden Durchschnitt. Das zeigt: Gerade Kreditinstitute haben Schwierigkeiten, Initiativen zum Austausch zu forcieren und wollen das ändern.
Es geht allerdings nicht nur um den vermehrten Austausch, auch die Qualität muss stimmen. Direkte menschliche Interaktion bringt am meisten. Die Teams sollten intensiver miteinander kommunizieren, Daten teilen, kollaborieren und sich Feedback geben können. Kanban-Boards, ein tägliches Morgen-Meeting und andere agile Methoden sind allerdings nur die Basics einer Öffnung.
Wichtiger sind: ein Vorleben der Führungskräfte und Freiräume, beispielsweise die nicht zu unterschätzende Kaffeeküchen-Kreativität. Zudem sollten Banken ihre Strukturen öffnen und interne Karrierewechsel unterstützen. Wenn beispielsweise gestandene Kreditberater nach Jahren im Vertrieb automatisierte Kreditprozesse und Apps entwickeln wollen, ist das ein immenses Asset für die Banken, das sie fördern sollten.
Social Media und Veranstaltungen sind zudem nützliche Kanäle nach außen. Der Austausch mit externen Personen ist strategisch besonders wichtig, um wechselnden Anforderungen an eine Bank wahrzunehmen. Das Management sollte diesen Wandel hin zu einer offenen Firmenkultur deshalb zur Chefsache machen, denn er ist ein zentraler Baustein für die geschäftliche Weiterentwicklung.
Offenheit als Universalhelfer
Offenheit, Vernetzung und Austausch helfen den Banken bei diversen Themen, die sie beschäftigen. Dazu gehört das Finden und Halten von Fachkräften, was zunehmend schwerer wird. Der Mensch ist ein soziales Wesen und braucht den Austausch mit anderen, um sich zurechtzufinden. Transparenz, auch extern, senkt Wechselprozesse, weil klar wird, dass das Gras auf der anderen Seite auch nicht grüner ist. Fachkräfte wissen in der Regel ohnehin, wie es im Markt aussieht und schätzen Institute mit einer offenen Kultur und funktionierenden Teams.
Darüber hinaus erleichtert Offenheit die interne Skalierung und Wiederverwendung. Ein Problem, das eine Abteilung gelöst hat, kann bankweit ausgerollt und reproduziert werden. Das ist in der Regel deutlich einfacher, als es wieder von Neuem zu entwickeln. Banken praktizieren das extern bereits, unter anderem in Form von Open-Banking- und Plattformstrategien.
Eine offene Firmenkultur macht Banken somit effizienter. Das zeigt sich auch in der Produktentwicklung. Zu häufig werden Apps oder andere IT-Items an den Anforderungen der Kunden vorbeientwickelt, weil Fach- und IT-Seite nicht Hand in Hand arbeiten und Austausch strategisch, organisatorisch und kulturell Standard ist. Wenn alle das Geschäft verstehen, sich unterhalten und in etablierten Teams arbeiten, werden Banken schneller und besser.
Fazit: Banken sollten sich auch künftig ihr Markenzeichen bewahren und Geheimnisse ihrer Kunden hüten, sich aber strategisch, wenn es um Innovationen und Effizienz geht, zu Open Companies entwickeln.