Die Rentenlücke der Deutschen ist größer als die Experten bislang angenommen haben. Gingen die Experten davon aus, dass ein Arbeitnehmer 70 % seines letzten Gehalts bräuchte, um seinen Lebensstandard im Alter aufrechtzuerhalten, ist eine neue Studie zu dem Schluss gekommen, dass 87 % nötig sind.
Das staatliche Rentenniveau beträgt derzeit 55 % des letzten Gehalts. Um auf dieses Niveau zu kommen, muss ein Arbeitnehmer 40 Jahre lang in die Rentenkasse eingezahlt haben. Ausgehend von diesem Rentenniveau braucht ein Deutscher der Studie zufolge 650 Euro mehr im Monat, wenn er seinen Lebensstandard halten will. Das sind 350 mehr als bislang angenommen.
Martin Werding, Professor für Sozialpolitik an der Ruhr-Universität Bochum und Autor der Studie, begründete die Diskrepanz damit, dass die bisherigen Studien nicht wissenschaftlich waren. „Der Bedarf im Alter wurde von der Fachwelt entweder theoretisch abgeleitet oder willkürlich vorgegeben. Alle Versuche, ein angemessenes Niveau der Vorsorge zu bestimmen, hingen somit empirisch in der Luft“, sagte Werding. Für die Studie, die die Fondgesellschaft Fidelity beauftragt hatte, wurden 20.000 Personen in 11.000 Haushalten befragt. Werding und sein Team an der Uni Bochum analysierten die umfangreichen Daten.
Bürger sorgen zu wenig für ihr Alter vor
Obwohl die Deutschen längst wüssten, dass die Rentenlücke durch die private und die betriebliche Altersvorsorge geschlossen werden könnte, täten sie immer noch zu wenig, hieß es von Fidelity. Und wer private Vorsorge betreibe, neige eher zu vermeintlich sicheren Festzinsanlagen, was den Vermögensaufbau aufgrund der niedrigen Zinsen und der Inflation jedoch hemme, hieß es weiter.
Dass die Deutschen oft kein richtiges Konzept für die private Vorsorge haben, ist eine Kernaussage des Handbuchs „Erfolgreich in der Vorsorgeberatung“ von Ulrich von Spannenberg (Springer Gabler Verlag). Ursächlich ist laut von Spannenberg die fehlende Bereitschaft vieler Deutschen, sich mit der eigenen finanziellen Lebensplanung konkret und intensiv auseinandersetzen zu wollen sowie die mangelnde Qualifikation vieler Finanzberater. Darüber hinaus lieferte die Politik nicht in der notwendigen Klarheit und Offenheit die Informationen, die zur Beurteilung der zukünftigen Entwicklung der gesetzlichen und privaten Altersversorgung erforderlich seien, so von Spannenberg weiter.