Die Bankenwelt wird immer digitaler und bekommt gleichzeitig mehr Konkurrenz von außen. Springer-Autor Professor Detlef Hellenkamp erklärt im Interview, wie die Kreditwirtschaft darauf reagieren sollte.
Springer Professional: Herr Professor Hellenkamp, welche Risiken sehen Sie für deutsche Institute aktuell als die größten an, und wie haben sich diese in den vergangenen Jahren seit der Finanzkrise geändert?
Detlef Hellenkamp: Es gibt zahlreiche operative Risiken und diese werden im Management täglich akribisch und arbeitsintensiv abgearbeitet. Die Herausforderungen im Bankgeschäft sind aktuell komplex – das Management im Alltag regelmäßig in hohem Maße, zum Beispiel durch regulatorische Rahmenbedingungen, fremdbestimmt. Ein ganz wesentliches Risiko sehe ich darin, dass in vielen Kreditinstituten die langfristige und damit strategische Sicht auf ein tragfähiges und zukunftsfähiges Geschäftsmodell nicht ausreichend konsequent zu Ende gedacht und vorangetrieben wird.
Viele deutsche Institute erzielen derzeit wieder höhere Provisionserträge. Woran liegt das genau? Ist dieser Trend nachhaltig?
Im vergangenen Jahr 2017 haben insbesondere höhere Gebühren und steigende Provisionserträge im Wertpapiergeschäft dazu beigetragen. Die Entwicklung kann 2018 noch etwas anhalten, da die Gebührenerhöhungen annualisiert insgesamt vermutlich noch nicht wirksam sind. Weitere deutliche Preiserhöhungen sind zunächst wohl nicht weiter durchsetzbar. Die Wertpapiererträge werden dabei von den allgemeinen, 2017 guten Rahmenbedingungen bestimmt. Doch diese können sich ändern und wie die vergangenen Wochen gezeigt haben, bisweilen sehr volatile Marktentwicklungen herbeiführen. Aus diesem Grund, denke ich, werden die Provisionsergebnisse in den kommenden Jahren bei zahlreichen Instituten wohl nicht im gleichen Maß steigen.
Die Digitalisierung deutscher Institute ist in aller Munde. Sind digitale Bankprodukte aktuell bereits ein Ertragsbringer für deutsche Institute?
Digitale Bankprodukte weisen sicherlich ein hohes Potenzial aus, das sich in den kommenden Jahren als Ertragsbringer entfalten kann. Hierzu müssen Kunden die digitalen Angebote der Anbieter zunächst kennen, diese verstehen und anschließend deren Attribute als Mehrwert erkennen, etwa Produktnutzen, Sicherheit, Schnelligkeit, Kosten, intuitive Bedienbarkeit und andere. Eine solche Entwicklung, selbst wenn sie vom Anbieter forciert wird, benötigt aus meiner Sicht beim Kunden Zeit. So verweist beispielsweise die Deutsche Bank auf ihr neues Entwicklungszentrum für digitale Bankprodukte, die Digitalfabrik, und die Einführung von mehr als 70 (!) neuen digitalen Dienstleistungen und Produkten in den vergangenen eineinhalb Jahren. Dazu gehören zum Beispiel Mobile App, digitale Kontoeröffnung, eSafe und die digitale Vermögensverwaltung.
Welche Säule des deutschen Bankenmarktes sehen Sie als führend bei digitalen Produkten an, warum und wie wird sich das entwickeln?
Keine. Einvernehmlich können wir aber wohl annehmen, dass die Digitalisierung im Allgemeinen, ob disruptiv oder evolutionär, die Branche und die Produktangebote nachhaltig verändern werden. Der öffentlich-rechtliche und der genossenschaftliche Sektor werden hierbei maßgeblich durch ihre Rechenzentralen in der Entwicklung bestimmt. Der privatwirtschaftliche Sektor entwickelt weitgehend autonom Lösungen. Der diesbezügliche Investitions-, Entwicklungs- und Integrationsaufwand wird in den nächsten Jahren exorbitant zunehmen. Die Deutsche Kreditwirtschaft (DK) sollte deshalb im erkennbar zunehmenden Wettbewerb mit kapitalstarken globalen Non- und Near-Banks, wie zum Beispiel Google, Amazon, Facebook oder Apple, intensiv Möglichkeiten der (digitalen) Zusammenarbeit ausloten, um Skaleneffekte zu nutzen, ohne aber die Eigenständigkeit zu verlieren.
Amazon plant offenbar derzeit erstmals ein Girokonto in Amerika in Zusammenarbeit mit US-Banken. Müssen deutsche Institute jetzt durch große Technologie-Firmen wie Amazon und Google um ihre Bestandskunden fürchten?
Sie sollten wachsam sein. Amazon ist erfahren in der Analyse von Kundendaten und dem Anbieten von Produktlösungen. Darüber hinaus kann Amazon mit einem plattformbasierten Geschäftsmodell Angebote nahezu beliebig zu geringen Kosten skalieren und auch erweitern – heute Girokonto, morgen Finanzierungsprodukte (z.B. Konsumentenkredit), übermorgen … . Das können traditionelle Kreditinstitute nicht. Plattformbasierte Strategien im Kontext von Bankdienstleistungen im weitesten Sinne könnten deshalb für mich eine Antwort der Deutschen Kreditwirtschaft sein.
Wie beurteilen Sie den Hype um Kryptowährungen, vor dem viele Finanzexperten trotz des zwischenzeitlichen Höhenflugs ja eher warnen – entsteht auf Sicht eine ernst zu nehmende Anlageklasse?
Geld hat wesentliche Funktionen zu erfüllen, insbesondere als Tausch- und Zahlungsmittel, Recheneinheit und Wertaufbewahrungsmittel. Rechtssicherheit und Vertrauen, beispielsweise durch den Staat beziehungsweise eine Zentralbank, bilden hierfür einen wesentlichen institutionellen Rahmen. Insofern möchte ich auch warnen und Ihnen zwei Gegenfragen stellen: Glauben Sie erstens, dass Staaten ein Interesse daran haben, sich nicht mehr in ihrer (eigenen) Währung verschulden zu können und zweitens eine Geldschöpfung außerhalb des Bankensystems zulassen, die dann möglicherweise nur noch unzureichend zu kontrollieren ist?
Interessant sind allerdings zweifelsohne Nutzungsmöglichkeiten der Blockchain, das heißt die dahinterstehende Distributed-Ledger-Technologie.