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06-07-2012 | Bankvertrieb | Schwerpunkt | Article

Pro & Contra Unternehmensbewertung

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Unternehmer wünschen sich von ihren Banken verstärkt Finanzierungsentscheidungen, die auf das jeweilige Geschäftsmodell abgestimmt sind. Eine wichtige Rolle spielt dabei der Unternehmenswert. Eine Umfrage unter Sparkassen untersucht, welche Rolle die Unternehmensbewertung bei der Finanzierungsberatung spielt.

Die Finanzkrise bringt für regional ausgerichtete Kreditinstitute im Segment der kleinen und mittleren Firmenkunden einen verschärften Wettbewerb: Die größeren Geschäftsbanken wenden sich aufgrund der nach wie vor bestehenden öffentlichen Kritik des Investmentbankings wieder verstärkt dem Mittelstand zu und treten als Wettbewerber stärker in Erscheinung. Regionale Banken und Sparkassen müssen ihre Beratungskompetenz zur Bewertung und Einschätzung des Geschäftsmodells ihrer Kunden weiter ausbauen, um sich auch weiterhin hohe Marktanteile sichern zu können. Eine wichtige Determinante der Beratungsqualität stellt die Kenntnis des Unternehmenswerts (UW) dar.

Die Unternehmer fordern von ihren Banken, angesichts der durch die Krisenjahre geschwächten Bilanzen, sich bei den Finanzierungsüberlegungen an nachhaltigen Zukunftskonzepten sowie an tragfähigen und langfristig ausgerichteten Unternehmensstrategien zu orientieren. Dies bedeutet insbesondere, dass die Finanzierungsentscheidungen auf das Geschäftsmodell selbst und weniger nur auf Sicherheiten abgestellt werden sollen. Insofern kommt der Thematik des UW auch eine hohe volkswirtschaftliche Bedeutung zu: Der knappe Faktor Kapital ist möglichst effizient auf die Unternehmen zu verteilen: Kreditvergabeentscheidungen allein auf Basis von Sicherheiten greifen dann viel zu kurz – dies gilt insbesondere dann, wenn Unternehmen neue, vielversprechende Geschäftsfelder erobern und neue Technologien nutzbar machen möchten, aber (noch) nicht über ausreichende Sicherheiten verfügen. Die Banken ihrerseits wollen und müssen Risiken abbauen und haben deshalb die Kreditvergabebedingungen teilweise verschärft und die Anforderungen an die Dokumentation erhöht.

Anlässe und Verfahren der Unternehmensbewertung

Zahlreiche Anlässe erfordern die Bewertung eines Unternehmens. Nach dem Standard des Instituts der Wirtschaftsprüfer (IDW) in Deutschland und dessen Grundsätzen zur Durchführung von Unternehmensbewertungen wird unter anderem unterschieden in unternehmerische Initiativen (Neugründungen, der Kauf oder Verkauf von Unternehmen, Fusionen und Übernahmen, Zuführungen von Eigen- und Fremdkapital, Sacheinlagen, Börsengänge, Abspaltungen und Management Buy-Outs), externe Rechnungslegungsgründe (Kaufpreisallokation und Impairmenttests), gesellschaftsrechtliche Gründe bzw. gesetzliche Vorschriften (Eingliederung oder der Ausschluss von Gesellschaftern oder Minderheitsaktionären), vertragliche Vereinbarungen (Ein- oder Austritt einzelner Gesellschafter, Erbauseinandersetzungen, Erbteilungen oder Abfindungsfälle) und sonstige Anlässe (etwa im Rahmen von wertorientiertem Management oder zur Leistungsbeurteilung der Geschäftsführung).

Discounted-Cash-Flow-Methoden (DCF) haben sich in den vergangenen Jahren zum Standardmodell der Unternehmensbewertung entwickelt. Der (heutige) UW ergibt sich hierbei als Barwert der für die Zukunft erwarteten Zahlungsströme. Die fiktiven Ausschüttungen müssen erhoben, geplant und prognostiziert werden, was eine intensive Auseinandersetzung mit dem Geschäftsmodell im weiteren Sinne und mit der Produktion und dem Absatz im engeren Sinne erfordert. Im Mittelpunkt steht dabei der Prozess zur Ermittlung der wertrelevanten Faktoren. Hierdurch wird ein konstruktiver Prozess zur Auseinandersetzung mit dem Geschäftsmodell des Unternehmens möglich. Je nach Bewertungsanlass spielen neben DCF in der Praxis auch oft einfacher zu implementierende Verfahren, etwa Substanzwertverfahren, eine Rolle. Darüber hinaus ist der Diskontierungsfaktor zu bestimmen.

Da die Hausbanken in der Regel über deutlich mehr Informationen verfügen als die Investoren am Kapitalmarkt, kann die Hausbank insbesondere zur Überwindung der Informationsasymmetrien durch höhere Transparenz mittels Ratings und Unternehmensbewertungen beitragen. Voraussetzung hierfür ist, dass das Unternehmen der beratenden Bank umfangreiche und detaillierte Informationen zur Unternehmensplanung zur Verfügung stellt.

Bedeutung des UW in der Finanzierungsberatung

Die folgende Darstellung des Lebenszyklus‘ eines Unternehmens zeigt, dass in jeder Phase des Lebenszyklus‘ – und für jede Finanzierungsform (Eigen- oder Fremdkapital) – die Frage nach dem UW bedeutsam ist.

GründungWachstumReifeKonsolidierungTurnaroundNachfolge
Bedarf des
Kunden
RisikokapitalInvestitionenExternes
Wachstum
Konzentration auf
Kerngeschäft
Liquiditätssicherung,
Rentabilitätssicherung
Regelung
Unterstützung durch
die Bank
Venture Capital,
Private Equity
IPO, Structured
Finance
Mergers&
Acquisitions (M&A)
M&AM&AManagement Buy-Out,
Management Buy-In,
M&A

In der Gründungsphase interessieren sich die Risikokapitalgeber für das Potenzial ihrer Investition, das sie an den Chancen einer möglichen positiven Unternehmenswertentwicklung festmachen. Das gleiche Interesse haben potenzielle Aktionäre bei einem anstehenden Börsengang, bei dem eine Unternehmensbewertung zur Ermittlung des Emissionspreises vorangeht. In den nachfolgenden Lebensphasen der Unternehmung steht die Ermittlung des UW im Zusammenhang von Aktivitäten im Bereich Mergers & Acquisitions (M&A) und der Nachfolge im Fokus sowohl von Eigen- als auch Fremdkapitalgeber.

Die Geschäftsplanung stellt bei der Führung eines Unternehmens ein unverzichtbares Instrument dar, sie bildet das Fundament einer wertorientierten Steuerung. Oft scheitern Unternehmen am Markt, weil sie dieses Instrument nicht oder nur fehler- bzw. lückenhaft nutzen. Der Geschäftsplan setzt sich intensiv mit dem Geschäftsmodell, den Zielen und der Strategie des Unternehmens auseinander. Um wertorientiert steuern zu können, bedarf es des UW als Steuerungsgröße. Die wertorientierte Steuerung dient als Kontrollinstrumentarium, mit dem die Strategien und Maßnahmen in einem Unternehmen anhand des Wertbeitrags gemessen und beurteilt werden. Geeigneter Erfolgsmaßstab ist hierbei der UW. Die erwarteten Erträge und Risiken werden in einer einzigen Kennzahl verdichtet und so für das Unternehmen als Planungs-, Kontroll- und Anreizsystem nutzbar gemacht.

Vorteile der Verwendung des UW

Die entscheidenden Vorteile der Einbindung des UW in die Finanzierungsberatung sind:

1. Qualität der Finanzierungsberatung

Wie obige Tabelle zeigt, gibt es aufgrund unterschiedlicher Ereignisse im Lebenszyklus eines Unternehmens die verschiedensten Anlässe, eine Bewertung vorzunehmen. Eine aktuelle Schätzung des Handelsblatts geht von 110.000 Familienunternehmen aus, die zwischen 2010 und 2014 zur Übernahme anstehen. Bei den genannten Anlässen ist auch der Ansatz des beratenden Kreditinstituts zu sehen. Die Anforderungen der mittelständischen Unternehmen an ihre Finanzierungspartner sind sehr vielfältig, so dass die Banken für die unterschiedlichen Konstellationen bedarfsgerechte Lösungen bieten müssen. Der Bedarf der mittelständischen Bankkunden an der breiten Palette der so genannten Corporate-Finance-Angebote ist demnach gegeben. Wertübersteigende Kaufpreise werden durch die Kenntnis von Wert und Preis vermieden und somit bessere Finanzierungsentscheidungen getroffen – sowohl für die Bank als auch für den Kunden. Die Beratungskompetenz wird erhöht und vom Firmenkunden auch wahrgenommen – somit werden gute und vor allem nachhaltige und wertorientierte Lösungen erreicht. Bei den Lösungsansätzen werden alle unternehmerischen Maßnahmen, die im Zusammenhang mit Kapitalbeschaffung, Kapitaleinsatz und Kapitalrückzahlung stehen, berücksichtigt. Dabei wird im Rahmen einer guten Beratungsqualität und somit nicht zuletzt im Eigeninteresse der Bank das Ziel verfolgt, zur Steigerung des UW beizutragen.

2. Qualität der Kreditentscheidung und Risikomanagement

Auf die hohe Bedeutung der Unternehmensplanung wurde bereits hingewiesen. Der Vorteil der Gesamtplanung für den Finanzierungsberater der Bank liegt unzweifelhaft darin, dass er durch die bessere Kenntnis des Unternehmens Informationsasymmetrien beseitigen kann, die Ziele des Unternehmers kennt und ihn dabei unterstützen kann, diese zu erreichen. Durch die qualitative Steigerung der Dokumentation, die von den Banken zwischenzeitlich gefordert wird, haben letztendlich sowohl der Markt als auch die Finanzierung bearbeitende Marktfolge ein einheitliches Instrumentarium zur Beurteilung von Anträgen zur Hand. Darüber hinaus ist es der Bank möglich, aus den Planungen eine tragfähige Finanzierungsstruktur abzuleiten und den aus Risikogesichtspunkten zu fordernden Eigenkapitalanteil zu bemessen. Unter Risikomanagementgesichtspunkten wird dem Kreditinstitut ermöglicht, die Finanzierung unter dem Blickwinkel verschiedener Szenarien zu prüfen und bei den Finanzierungsbedingungen eventuelle Wahrscheinlichkeiten durch entsprechende Standards bzw. Covenants zu berücksichtigen. Die Finanzierungs- und Kreditentscheidung erfolgt im Bewusstsein bestehender Risiken, die in die Konditionen und Bedingungen einzuarbeiten sind. Die Unternehmensplanung ist somit ein unverzichtbares Element im Kreditentscheidungsprozess. Der aus der Planung abgeleitete UW zeigt den Entscheidern unter Beachtung der Bandbreiten (bedingt durch mögliche Planabweichungen) das mögliche Verschuldungspotenzial der Unternehmung auf, das sich an einer adäquaten Finanzierungsstruktur orientiert. Damit ist die Bank bereits heute in der Lage, dem Kunden ein Kommitment abzugeben, bis zu welchem Grad ihn das Kreditinstitut als strategischer Finanzierungspartner begleiten kann und wird. Dies geschieht im Rahmen einer einheitlichen, hochwertigen Kreditkultur, Risiko- und Vertriebspolitik.

3. Cross Selling und Erlöse

Die durch die fundierten Kenntnisse bei der Bewertung von Unternehmen gesteigerte Beratungskompetenz wird vom Kunden wahrgenommen. Die Chance auf stärkere Cross-Selling-Erfolge wird damit erhöht. Bei Unternehmenstransaktionen stehen sich mit Käufer und Verkäufer immer zwei Parteien gegenüber, die jeweils für sich erhebliches Ertragspotenzial bedeuten. Bei einer kompetenten und überzeugenden Beratung und Begleitung des Käufers liegt es nahe, den Unternehmenskauf finanziell zu begleiten und hieraus Erträge aus Kreditmargen und sonstigen Leistungen zu generieren. Die Verkäuferseite wird aufgrund des erzielten Kaufpreises ein möglicher Anlagekunde, dessen Potenzial es aus Sicht der Bank auszuschöpfen gilt.

Die Informationen, die die Bank durch die mehrjährige Geschäftsplanung mit ihren Detailplänen erhält, ist als viel wertvoller einzustufen als das anfallende Dienstleistungsentgelt. Die Erkenntnisse über die geplanten Aktivitäten in den kommenden Jahren bieten der Bank sämtliche Vertriebsansätze, die sich bei der Unternehmung innerhalb der Planungsperiode auftun. Eine bessere Ausgangssituation für Cross-Selling kann sich ein vertriebsorientierter Banker wohl kaum vorstellen. Neben den Vertriebsansätzen, die sich aus der Unternehmenssphäre ergeben, darf die Privatsphäre nicht unberücksichtigt bleiben. Die Planung liefert zusätzlich Informationen über die Leistungen an die Gesellschafter (Geschäftsführergehälter, Tantiemen, Ausschüttungen, Entnahmen, Leistungen für die Altersvorsorge, etc.), die wiederum als Vertriebspotenzial zur Verfügung stehen.

Berücksichtigt man die Vermögensstrukturen der betrachteten Einheit „Unternehmen/Unternehmer“ und das darin enthaltene „Klumpenrisiko“ UW, so kann die Zielsetzung einer risikoärmeren Asset Allocation nahelegen, eventuell Mitgesellschafter aufzunehmen. Hier setzt die Beratung der Bank an, die die potenziellen Gesellschafter entweder aus einem professionellen Investorenkreis oder sogar aus der eigenen Kundschaft, als direkte Unternehmensbeteiligung, vermitteln kann.

Die im Geschäftsfeld „Corporate Finance“ bzw. „Financial Advisory“ angesiedelten Dienstleistungen eröffnen den Banken erhebliche Ertragspotenziale durch deutlich höhere Margen und zusätzliche Strukturierungsentgelte. Diese Mehrerträge rechtfertigen sich durch die erarbeiteten Lösungen, die von dem jeweiligen Beratungsteam individuell und auf den Kunden speziell zugeschnitten wird. Als Spezialist bietet das Advisory-Team die gesamte Bandbreite der Finanzierungsmöglichkeiten an, vom „Verkauf“ von Eigenkapital über die Mezzanine-Produkte bis hin zum Fremdkapital – auch unter Einbindung der Kapitalmärkte. Auch dann, wenn sich die Bank dazu entschließt, einen Finanzierungsteil über das deutlich lukrativere Produkt Eigenkapital zu strukturieren, muss sie sich mit dem UW auseinandersetzen. Die Motivation für den Einbezug von Eigenkapital ist dann besonders hoch, wenn sich das Fremdkapital unter Risikogesichtspunkten nicht mehr stark vom Eigenkapital unterscheidet – so ist es angebracht, das Risiko adäquat zu bepreisen.

4. Kundenbindung

Die vorstehenden Ausführungen haben verdeutlicht, dass eine auf Wertorientierung ausgerichtete Finanzierungsberatung das Unternehmen in seiner Gesamtheit betrachtet und die Beratungsleistung nicht als standardisierte, sondern vielmehr als individualisierte Leistung erbracht wird. Der Firmenkunde und seine Bedürfnisse werden im gesamten Beratungsprozess in den Mittelpunkt gestellt. Die zu erbringende Transparenz in Form von Offenlegung der Strategie, der Ziele, Maßnahmen und Planungen sowie das Aufzeigen von Erfolgen und das Eingestehen von eventuellen Misserfolgen ist ein hoher Vertrauensvorschuss bzw. Vertrauensbeweis des Firmenkunden gegenüber dem Kreditinstitut. Die Bank kann dies letztendlich nur mit einer Beratung und Betreuung auf absolut hohem Niveau zurückgeben. Dies ist nur in einer offenen Partnerschaft, in der sich Unternehmen und Bank auf Augenhöhe befinden, möglich. Daher ist es die Hauptaufgabe der Bank, den Unternehmenskunden kompetent dabei zu unterstützen, mit nachhaltigen Lösungen die Zukunftsfähigkeit des Kunden zu sichern und zur Steigerung des UW beizutragen. Durch die zweifelsohne höhere Kundenfokussierung der beratenden Bank wird die Kundenbindung gestärkt und die Bankentreue erhöht. Die damit verbundene Philosophie lautet, den Kunden langfristig zu betreuen und über alle Lebenszyklusphasen hinweg zu begleiten.

5. Kritik an der Verwendung des UW

Die Erfahrungen im Firmenkundengeschäft jedoch zeigen, dass die meisten kleinen und mittleren Unternehmen keine strategische Planung vornehmen. Die Hauptgründe hierfür sind fehlende Ressourcen und vor allem fehlende Methodenkompetenz. Diese Tatsache hat zur Folge, dass den Finanzierungs- und Bankberatern die notwendigen Informationen nicht zur Verfügung stehen, um eine aussagekräftige und fundierte Unternehmensbewertung vornehmen zu können. Sollte der UW dennoch auch unter solchen Voraussetzungen und mit pauschalen Annahmen ermittelt und als Entscheidungskriterium herangezogen werden, besteht die Gefahr, dass es aufgrund von Fehleinschätzungen und Falschberatungen zu Kreditausfällen kommt, die erhebliche Folgekosten nach sich ziehen. Ein weiterer Grund für den Verzicht auf eine Unternehmensbewertung liegt in den mit dem Aufbau und der Bereitstellung der Ressourcen und Expertise verbundenen Kosten. Die Gründungs- und Betriebskosten eines Teams, das diese hochwertige Beratungsleistung liefern kann, sind den zu erwartenden Entgelten und Vergütungen gegenüber zu stellen und unter Nutzen-Kosten-Gesichtspunkten abzuwägen. In der Finanzierungs- und vor allem Kreditvergabepraxis sind die traditionellen Entscheidungsparameter (Rating, Sicherheiten) immer noch die ausschlaggebenden Kriterien und werden als ausreichend erachtet. Für viele Entscheidungsträger ergibt sich aus der Kenntnis des UW kein Mehrwert. Die Auseinandersetzung mit dem Kunden und dessen Geschäftsmodell, seinen Strategien und Zielen erfolgt über strukturierte Kundengespräche, die sowohl den Risiko- als auch Vertriebsaspekten mehr oder weniger Rechnung tragen. Aus dieser Perspektive betrachtet, ist die integrierte Unternehmensbewertung mit der zugrundeliegenden Planung und einer wertorientierten Beratung als zu teuer einzustufen.

Ein weiterer Nachteil ist die oft mit der Unternehmensbewertung einhergehende stark ausgeprägte Sensitivität des UW gegenüber Methoden und Parametern, gerade bei DCF-Verfahren: Geht man in der oben angegebenen Formel für den UW zunächst von einem Wachstum g in Höhe von 0,5 % und einem Bewertungszins r von 4,5 % aus, erhält man – bei gleichem aktuellen Cash Flow – einen um gut 20 % höheren UW als bei dem Szenario g=0,2 % und r=5,0 %. Dies führt dazu, dass die mit dieser Thematik sonst nicht befassten Beteiligten (etwa Käufer und Verkäufer von mittelständischen Unternehmen) verunsichert sind, weil sie oftmals ganz andere Preisvorstellungen haben, und deshalb von ihrem Transaktionsvorhaben gänzlich Abstand nehmen. Durch Verhandlungsabbrüche kann ein nicht zu unterschätzender persönlicher Schaden für den Kunden selbst und sogar ein volkswirtschaftlicher Schaden entstehen, wenn die fehlende Kauf- bzw. Verkaufsbereitschaft zur Insolvenz des Unternehmens einschließlich der damit einhergehenden Konsequenzen führt. Daher sollte der UW zunächst als Orientierungshilfe verstanden werden. Bei der Unternehmensbewertung fließen oft eine gewisse Subjektivität und Unsicherheit in das Ergebnis ein.

Umfrage zeigt Häufigkeit von Unternehmensbewertungen

Eine Umfrage unter den baden-württembergischen Sparkassen soll aufzeigen, inwieweit die Unternehmensbewertung als eines der zentralen Corporate-Finance-Themen bei baden württembergischen Sparkassen platziert ist und einen Einblick gewähren, wie dieses Instrumentarium in der täglichen Finanzierungspraxis Anwendung findet. Dazu wurden im Jahr 2011 alle 53 Institute aus dem Sparkassenverband Baden-Württemberg angeschrieben, von diesen beteiligten sich 22 an der Befragung. Von den 22 teilnehmenden Instituten weisen die Institute mit höherem Geschäftsvolumen auch eine etwas höhere Rücklaufquote auf. Eine kurze Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse:

1. Einsatz von Unternehmensbewertungen

Acht Sparkassen (36 %) setzen Unternehmensbewertungen bei der Finanzierungsberatung und -prüfung ein, 14 Häuser (64 %) verzichten darauf. Die Rückläufe weisen dasselbe Verhalten durch alle Größenklassen über 1 Mrd. Euro Geschäftsvolumen auf. Bemerkenswert ist, dass bei den vermeintlich kleinen Sparkassen mit einem Geschäftsvolumen unter 1 Mrd. Euro das Nutzungsverhältnis bei 50 % liegt.

2. Häufigkeit der Unternehmensbewertung

Werden Unternehmensbewertungen vorgenommen, so geschieht dies bei 38 % der Institute regelmäßig, bei 62 % nur in Ausnahmefällen. Diese Tatsache kann vielfältige Gründe haben – auf jeden Fall ist die Unternehmensbewertung kein „Standardgeschäft“. Dies könnte ein Grund dafür sein, weshalb Sparkassen im Tätigkeitsbereich Corporate Finance mit lediglich 20 % hinter ihren sonst guten Marktanteilsquoten zurückliegen. Hier besteht noch ein großes Potenzial, welches von den Großbanken derzeit besser ausgeschöpft wird.

3. Bedeutung des UW bei Sparkassen, die den UW nicht in die Finanzierungüberlegungen einbeziehen

Unter den Instituten, die (bisher noch) keine Einbeziehung des UW in ihre Finanzierungsberatung vornehmen, messen 43 % dem UW eine hohe Bedeutung, 36% eine geringe Bedeutung und 21 % keine Bedeutung zu.

4. Eigene oder externe Erstellung der Bewertung

Auf diese Frage haben insgesamt nur 17 Häuser geantwortet: Drei Sparkassen erstellen eigene, Bewertungen, elf greifen auf externe Dienstleister, etwa Beratungs- oder Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, zurück, und weitere drei nutzen beide Möglichkeiten.

5. Anlässe für die Unternehmensbewertung

Eindeutig zeigt sich die Notwendigkeit der Unternehmensbewertung bei Fusionen und Übernahmen (100 %) und den Leveraged Buy-outs (LBO, 63 %). Dass die Einschätzung einer Unternehmung bei Nachfolgeregelungen lediglich in 38 % der Fälle vorgenommen wird, wurde nicht erwartet, zumal explizit bei Nachfolgeregelungen der Wert der Unternehmung eine zentrale Rolle spielt. Ob es sich hierbei um eine gerechte Verteilung des Vermögens im Zuge der Nachlassregelung handelt oder um eine erste Preiseinschätzung bei einem angestrebten Verkauf der Firma bzw. die Finanzierungsanfrage beim Kauf – in allen genannten Fällen ist der UW der zentrale Punkt bei den weiteren Überlegungen.

6. Methoden

88 % der bewertenden Institute nutzen die Ertragswertmethode und 63 % die DCF-Verfahren, gefolgt von Multiplikatoransätzen (38 %) und der Substanzwertmethode (25 %). Bei diesen Angaben waren Mehrfachnennungen möglich.

7. Einfluss auf Finanzierungsbedingungen

Wie erwartet liegt ein Einfluss auf die Finanzierungsbedingungen vor. Erst die Kenntnis des UW eröffnet den Entscheidungsträgern die Möglichkeiten für eine gute und somit nachhaltige Finanzierungsstruktur. Zudem können mögliche Finanzierungsrisiken offen und transparent kommuniziert und damit adäquat berücksichtigt und bepreist werden.

8. Abbildung von Corporate-Finance-Dienstleistungen in der Organisationsstruktur

82 % der an der Umfrage teilnehmenden Sparkassen haben keine eigene Abteilung, die das entsprechende Leistungsspektrum abdecken kann. 73 % der befragten Sparkassen hatten bereits Kontakt zum Kompetenz Center, das die Landesbank Baden-Württemberg für die Sparkassen in Baden-Württemberg als unterstützende Einheit im Verbund implementiert hat.

Umsetzung in der Praxis bleibt aus

Die Umfrage unter den baden-württembergischen Sparkassen hat gezeigt, dass die teilnehmenden Kreditinstitute, unabhängig von ihrer Größe, der Unternehmensbewertung in der Finanzierungsberatung Bedeutung beimessen. Diese Tatsache lässt eine hohe Nutzungsquote des Instrumentariums „Unternehmenswert“ erwarten – das Gegenteil ist erstaunlicherweise der Fall: lediglich von rund einem Drittel wird die Unternehmensbewertung als unterstützendes Kriterium in die Finanzierungsüberlegungen einbezogen. Und selbst dieses Drittel greift nur zu 38 % regelmäßig darauf zurück. Wenn der Unternehmensbewertung bei der Finanzierungsberatung zwar Bedeutung zukommt, die Umsetzung in der Praxis jedoch weitgehend ausbleibt, kann dies dahingehend interpretiert werden, dass die Sparkassen für dieses Themengebiet zwar Bedarf haben, die Anwendung aber (noch) nicht realisiert ist. Dieser Bedarf lässt sich auch aus dem starken Interesse an den Angeboten des Corporate-Finance-Kompetenz Centers der Landesbank Baden-Württemberg ableiten.

Zusammenfassung und Fazit

Der Beitrag zeigt Relevanz und Bedeutung der Unternehmensbewertung in der Finanzierungsberatung von mittelständischen Unternehmen auf. Die Umfrage zeigt zudem, welchen Stellenwert die dem Mittelstand verpflichteten Sparkassen der Unternehmensbewertung beimessen und wie die Anwendung in der Praxis erfolgt. Sowohl die Banken als auch die Unternehmens selbst haben sich mit veränderten Rahmenbedingungen bei der Unternehmensfinanzierung auseinanderzusetzen. Während die Banken im Zuge einer zunehmenden staatlichen Regulierung Risiken abbauen müssen und dabei die Anforderungen an die Kreditvergabe erhöht haben, reagieren die Unternehmen darauf mit einer veränderten Finanzierungsstrategie, bei der die Selbstfinanzierung und die Reduzierung der Abhängigkeit von der Hausbank im Vordergrund steht. Hierzu zählen auch die Nutzung alternativer Finanzierungsinstrumente und die stärkere Beanspruchung des Kapitalmarktes. Zudem ist das im Mittelstand gewichtige Thema „Nachfolge“ nach wie vor auf der Tagesordnung. Um diesen Entwicklungen und gegenseitigen Anforderungen gerecht zu werden, ist es wichtig, dass sich die Finanzierungspartner auf Augenhöhe aufeinander zu bewegen. Dies setzt voraus, dass die Unternehmen den Banken einen vollumfänglichen und transparenten Einblick in ihr Geschäftsmodell gewähren und zusätzlich mittels aufgestellter Unternehmensplanung mit den Kapitalgebern offener kommunizieren. Die Banken hingegen sind mit einem besseren Informationsstand eher in der Lage, der Zukunft und dem Ausblick mehr Gewicht beizumessen und ihre Finanzierungsunterstützung verstärkt auf ein überzeugendes Geschäftsmodell auszurichten. Für alle Beteiligten im Finanzierungsprozess steht das Unternehmen als Investitionsobjekt im Mittelpunkt. Die Entwicklung seines Wertes ist entscheidend für den Eigentümer im Sinne einer Geldanlage und für die Bank im Sinne eines strategischen Finanzierungspartners, dessen Kompetenz wahrgenommen und adäquat bezahlt wird. Die baden-württembergischen Sparkassen stehen hierbei noch vor großen Herausforderungen. Die Umfrage hat gezeigt, dass Corporate-Finance-Leistungen, worunter auch die Unternehmensbewertung zu subsumieren ist, für die Sparkassen bei Finanzierungsüberlegungen bedeutsam sind, diese in der Praxis allerdings eher unterdurchschnittlich angewandt werden. Der Mehrwert der Einbindung des UW in der Finanzierungsberatung ist hoch – für die Sparkassen ist es daher ratsam, die Verwendung des UW zu forcieren.

Autoren: Bernhard Kübler ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fraunhofer-Institut für Techno- und Wirtschaftsmathematik, Abteilung Finanzmathematik. Arbeits-/Forschungsschwerpunkte: Risikomanagement, Betrugsfeststellung.

Raimund Weiss betreut größere Firmenkunden der Sparkasse Bodensee und ist zudem verantwortlich für das Schuldscheindarlehensgeschäft. Im Jahr 2011 absolvierte er erfolgreich ein Nachdiplomstudium im Bereich Corporate Finance.

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