Veraltete IT, ineffiziente Prozesse und strenge Regularien setzen deutschen Banken derzeit zu. Im Interview erklärt Bankexperte Markus Böhme, was sie von erfolgreichen Konkurrenten lernen können.
Springer Professional: Woran liegt es, dass manche Investmentbanken zehn Jahre nach der Finanzkrise wieder erfolgreich sind und andere nicht? Was lässt sich von der erfolgreicheren Konkurrenz lernen?
Markus Böhme: Für den Erfolg sind aus meiner Sicht mehrere Punkte verantwortlich: Zunächst sind ein Teil der erfolgreichen Investmentbanken große amerikanische Institute mit einem Ertrag von mehr als 20 Milliarden US-Dollar. Diese Big Player haben es geschafft, gleichzeitig überproportional zu wachsen und Größe in Profitabilität zu übersetzen. Dabei haben sie auch von einem etwas günstigeren Marktumfeld und regulatorischen Bedingungen in ihren Heimatmärkten profitiert. Vor allem haben sie dieses Fenster aber für Investitionen in Systeme, Effizienz und Wachstum genutzt. Andere erfolgreiche Investmentbanken sind deutlich kleiner und kommen neben den USA vor allem aus Europa, Asien, Kanada und Australien. Sie haben sich mit strikter Kostendisziplin sowie klarem Fokus auf ihre Kundensegmente und ihre Investments auf ihren Geschäftszweck konzentriert.
Welche Strategien zur Gewinnmaximierung werden in Zukunft wichtig sein?
Strategien, die in der Vergangenheit erfolgreich waren, müssen konsequent in die digitale Welt übersetzt werden. Drei Aktionsfelder werden für die Gewinnmaximierung in Zukunft entscheidend sein. Das sind
- Electronic Trading (Quotierung und Geschäftsabschluss),
- ein digital unterstütztes Vertriebs- und Servicemodell
- sowie die Straight-Through (STP)-Abwicklung nicht nur innerhalb der Grenzen eines Instituts, sondern industrieweit, entlang der gesamten Abwicklungskette.
Im Bereich Electronic Trading ist bei den großen Markteilnehmern bereits viel passiert. Doch das Feld muss weiter ausgebaut und an das Geschäftssystem sowie die Strategie angepasst werden. Kleine Institute müssen hier sehr überlegt reagieren und aktionistische Investments an den falschen Stellen vermeiden. Denn auch die Bereiche vor und nach dem Electronic Trading müssen digitalisiert werden. Hier haben sich neue Technologien bisher nicht durchgesetzt. Es gibt noch viele manuelle Prozesse im Vertrieb und in der Kundenbetreuung. Das passt schlicht nicht mehr in die heutige digitale Zeit. Um Gewinnmaximierung zu erreichen, muss die Wertschöpfungskette konsequent über alle Bereiche bis hin zu den post-trade Prozessen optimiert und digitalisiert werden. Beispielsweise erreichen die Kosten der Handelsabwicklung inklusive Asset Servicing global eine Dimension von etwa 130 Milliarden US-Dollar. Wir schätzen, dass sich 80 Prozent dieser Kosten durch eine digitalisierte Wertschöpfungskette, den Einsatz neuer Technologien und die Bündelung von Volumen bei Abwicklungsdienstleistern einsparen ließen.
Welche Geschäftsfelder werden im Investmentbanking in diesem und den kommenden Jahren weiterhin rentabel sein? Welche nicht und woran liegt das?
Man kann nicht per se von rentablen oder unrentablen Geschäftsfeldern sprechen. Es geht vielmehr um profitable Geschäftsmodelle und solche, die es durch die Digitalisierung schaffen werden. Das ist unabhängig davon zu sehen, ob es um den Aktienhandel, Fixed-Income-Handel, Corporate Finance oder Investmentbanking geht.
Mit welchen konkreten Maßnahmen können speziell Investmentbanken ihre Kostenbasis effektiv senken?
Das hängt ganz wesentlich vom Digitalisierungsgrad der Wertschöpfungskette ab. Es wird immer wichtiger, Investments und Effizienzsteigerungspotenziale klar in Einklang zu bringen. Das bedeutet auch, dass bestimmte Geschäftsfelder, bei denen man die Gewinnsteigerung nicht soweit vorantreiben kann, entweder aufgeben oder in ein anderes Geschäftsmodell überführen muss. Das ist zum Beispiel im globalen Anleihenhandel oft der Fall. Für kleinere Player bedeutet dies, dass sie ihre Geschäftsmodelle überdenken, verstärkt Produktkompetenz zukaufen und sich als Distributor positionieren müssen. Dabei sollten sie ihre Kernkompetenz ausspielen, die darin besteht ihre Kundenbasis besser zu verstehen und die einhergehenden Kreditrisiken sicherer zu erkennen und zu managen.
Mit welchen konkreten Maßnahmen können Investmentbanken im digitalen Zeitalter wettbewerbsfähig bleiben?
Letztendlich sind die Punkte zur effektiven Senkung der Kostenbasis auch die Faktoren, die Investmentbanken dabei helfen, in Zukunft wettbewerbsfähig zu bleiben. Gerade im digitalen Zeitalter ist eine deutlich stärkere Vernetzung mit dem Kunden wichtig. Das kann zum Beispiel durch die Verbindung von Treasury-Systemen der Kunden und Banksystemen erreicht werden. Davon ausgehend können Banken Handelsvorschläge ableiten oder aber Lösungen wie Treasury-as-a-Service anbieten.
Inwiefern werden die Skandale wie unter anderem der um die Danske Bank künftig eine schärfere Regulierung für Investmentbanken nach sich ziehen?
Die jüngsten Skandale rücken nochmals die Bedeutung robuster Compliance-Prozesse in den Fokus. Im konkreten Fall geht es um das Thema Geldwäsche, das sich neben dem Investmentbanking vor allem auf Commercial Banking bezieht. Es hat in der Vergangenheit im Investmentbanking sehr viele Auflagen im Bereich Regulatorik und Finance gegeben. Das Thema weitet sich jetzt über weitere Sektoren des Bankgeschäfts aus, wie zum Beispiel Geldwäsche im Zahlungsverkehrsgeschäft. Das heißt, dass es weitere Veränderungen der regulatorischen Anforderungen geben wird, nicht nur im Investmentbanking, sondern auch im Commercial Banking, in der Vermögensverwaltung oder im Börsenmanagement. Die Unternehmen brauchen also eine klare Strategie, diesen Anforderungen kosteneffizient zu begegnen. Schon heute wendet die Branche insgesamt 96 Milliarden US-Dollar für Legal, Risk und Compliance auf. Hier gilt es zielgerichtet vorzugehen und gleichzeitig deutlich effizienter zu werden. Das ist eine der Kernherausforderungen. Die bestehenden und sich weiter verschärfenden regulatorischen Anforderungen der Vergangenheit haben dazu geführt, dass die Institute entstandene Lücken immer wieder geflickt haben. Es wurde also Flicken über Flicken gesetzt und keine systematischen Anpassungen vollzogen. Das führt zu riesigem Aufwand beim Verfolgen sogenannter False Positives während gleichzeitig doch immer wieder Fälle von Fehlverhalten durchs Netz rutschen. Mit dem Einsatz digitaler Technologie und künstlicher Intelligenz lässt sich dieser – nur scheinbare – Tradeoff deutlich besser lösen.