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26-10-2018 | Bankvertrieb | Schwerpunkt | Article

Der Filialbetrieb muss professioneller werden

Author: Lars Reese

4:30 min reading time

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Zur Bedeutung des stationären Netzes in digitalen Zeiten gehen die Meinungen weit auseinander. Banken und Sparkassen müssen die traditionellen Strukturen und Prozesse grundsätzlich hinterfragen und energisch verschlanken, erklärt Gastautor Lars Reese.

Banken und Sparkassen stehen unter einem erheblichen Kostendruck. Die kontinuierliche Ausdünnung des Filialnetzes ist eine sichtbare Auswirkung. Bundesweit sieht ihre Mittelfristplanung – unter der Erwartung weiter sinkender Erlöse aus dem Zinsgeschäft und stagnierender Ergebnisse im Provisionsumfeld – vielfach spürbare Kostensenkungen vor. Nicht selten gehört eine Aufwandsreduktion von 20 bis 30 Prozent in den nächsten Jahren dazu. Eine Herkulesaufgabe, die vor dem Hintergrund der erheblichen Aufwendungen zur zwingend gebotenen Digitalisierung bei zugleich deutlich anziehender Gehaltstarifrunden sehr ernst zu nehmen ist.  

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01-04-2018 | SPECIAL Filiale

Wo Kunden gern Finanzgeschäfte abschließen

Banken und Sparkassen müssen ihre Filialnetze deutschlandweit ausdünnen. An den verbleibenden Standorten überarbeiten sie ihre Services und die Beratung. In einigen Zweigstellen werden neue Strategien zur Ansprache umgesetzt.


Prominentes Opfer des Sparzwangs sind seit geraumer Zeit die Filialen der Institute. Durch ein verändertes Kundenverhalten zunehmend verwaist, drängen sich gerade kleinere Standorte als Ansatzpunkt zur Kostensenkung auf. So ist die Anzahl der Filialen in Deutschland laut Bundesbank seit 2008 jährlich um durchschnittlich drei Prozent gesunken. In den vergangenen beiden Jahren sogar jeweils um knapp sechs Prozent. Scheinbar probates Mittel zur Kostensenkung. Das gilt umso mehr, wenn man weiß, wie wenig zusätzliche Kontoauflösungen sich im unmittelbaren Umfeld von Filialschließungen beobachten lassen.

Sachliche Kostenbetrachtung statt Filialschließung

Tatsächlich ist der Blick hinter die Kulissen ernüchternd: Eine Verdichtung der Kunden auf eine geringere Anzahl Filialen bewirkt im Regelfall lediglich eine Einsparung der eher geringen Sachkosten für den Betrieb der Immobilie. Unter Verweis auf die nahezu unveränderte Kundenzahl werden Service-Kräfte, Berater- und Leitungskapazitäten – die eigentlichen Kostentreiber im Filialnetz – bestenfalls leicht reduziert auf die aufnehmenden Standorte verteilt. Statt die Zahl der Filialen zu diskutieren, ist eine nüchterne, wirtschaftliche Bewertung von Service- und Beratungskapazitäten im stationären Netz angezeigt.

Hierbei müssen das veränderte Kundenverhalten und die Chancen aus der Digitalisierung der Kundenbeziehung sowie die aktive Lenkung von Kunden für eine wirtschaftlich sinnvolle Dimensionierung der Beratungsflächen und Mitarbeiterkapazitäten angemessen berücksichtigt werden. Gerade noch gängige Betreuungsrelationen haben hier häufig einen historischen Wert.

Unproduktive Beratungsprozesse vermeiden

Hiervon sind viele Institute aber noch weit entfernt, obwohl in diesen Aspekten der eigentliche Anknüpfungspunkt zur Kostenoptimierung des Filialvertriebes steckt. Die zunehmend ausbleibende Laufkundschaft für Service-Anliegen erlaubt den Blick auf unproduktive Beratungs- und Verkaufsprozesse auf überdimensionierten Flächen. So erreichen Berater in Sparkassen und Banken nur selten für Beratungs- und Verkaufsaktivitäten eine Produktivität in Richtung von 50 Prozent ihrer Arbeitszeit. Mehr als jede zweite Minute verpufft regelmäßig unwirtschaftlich für "Sonstiges". Aber auch die Phasen der aktiven Kundenberatung bieten den Geldhäusern zahlreiche Ansätze zur Erhöhung der Produktivität. Während moderne Direktbanken beispielsweise die Kontoeröffnung aufsichtskonform in acht Minuten per Mobilfunktelefon bewältigen, kann dies in einer Filiale vor Ort auch eine geschlagene Stunde dauern. Dieser Prozess wird durch die Schließung einer Filiale nicht verbessert.

Zehn zentrale Handlungsmaximen für den Betrieb eines zukunftsfesten Filialnetzes

Straffe Gebäudestruktur

  • Der Flächenbedarf im stationären Netz folgt rechnerisch aus einer ambitionierten Dimensionierung von Service- und Beraterkapazitäten bezogen auf den Kundenstamm. Netto-Neukundenerwartungen können bei Realismus und Augenmaß in die Flächenplanungen einfließen.
  • Der Rückbau von Überkapazitäten hinsichtlich Flächen und Personal ist konsequent zu betreiben und mit einer Standortauswahl an möglichst hochfrequenten Plätzen zu verbinden.
  • Neu- und Umbauten sowie Renovierungen folgen durchgängig einer einheitlichen Gestaltungslinie, um die gewünschte Wirkung auf den Kunden und die angestrebte Arbeitsorganisation der Mitarbeiter konsequent auszurollen. Ein Baukastenprinzip macht den Aufwand für Budgetierung, Bauplanung sowie den laufenden Betrieb beherrschbar.

Operative Exzellenz

  • Service-Mitarbeiter führen keine Kundenberatung durch, um den sukzessiven Rückgang der stationären Service-Leistungen aussteuern zu können und die Kosten für Service-Tätigkeiten zu begrenzen.
  • Die Service- und Beratungskapazitäten richten sich nach dem Kundenbedarf.
  • Die Produktivität der Kundenberater basiert auf drei Säulen: dem richtigen Selbstverständnis des Beraters zur potenzialorientierten Terminakquise mit Bestands- und Neukunden, der ergänzenden Initiative zentraler oder dezentraler Terminakquisiteure und einer zeitgemäßen Möglichkeit zur Terminbuchung durch den Kunden.
  • Vorgesetzte im stationären Netz stellen primär die Vorgaben für Service-Exzellenz, Produktivität, Beratungsqualität, Potenzialorientierung und Verkaufserfolg sicher. Dies erfordert Fachkompetenz, gepaart mit Empathie und Überzeugungskraft. Freie Ressourcen der ersten Vorgesetztenebene werden für die Betreuung eigener Kunden und die Neukundenakquise genutzt.

Wirkungsvolle zentrale Unterstützung

  • Zentralisierte Ressourcen stellen laufend eine potenzialorientierte Ausdifferenzierung des Produkt- und Beratungsangebots sicher. Verwässerte oder entbehrliche Segmentierungen werden abgestellt.
  • Der stationäre Vertrieb erhält sinnvolle datenbasierte Vertriebsanlässe statt simpler Hinweise auf freie Liquidität oder Jubiläen.
  • Der Prozess des standortübergreifenden Austausches zu Verkaufserfolgen und Prozessverbesserungen wird zentral gesteuert und inhaltlich befeuert.

Filialnetz ist nicht bedeutungslos

Die Bedeutung des stationären Netzes aus Kundensicht zeigen zahlreiche Studien. Die harte Korrelation aus Marktanteilen und stationärer Präsenz sowie die noch immer übersichtliche Anzahl echter Hauptbankbeziehungen bei Direktbanken lässt die Filialisten hoffen. Die Renaissance von Reisebüros als menschliche Navigatoren im Dschungel des Online-Angebots mögen weiterer Anlass zur Hoffnung sein. Am wirtschaftlich deutlich wirkungsvolleren Betrieb der Filialen geht im Bankenmarkt aber in keinem Fall ein Weg vorbei. Die Betrachtung "Filiale schließen, ja oder nein" mutet nach zeitgemäß digitaler Betrachtung an, greift aber deutlich zu kurz. Ohne Gegensteuerung werden auch die nächsten zehn Jahre vom Sterben auf Raten geprägt.

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