Zur Bedeutung des stationären Netzes in digitalen Zeiten gehen die Meinungen weit auseinander. Banken und Sparkassen müssen die traditionellen Strukturen und Prozesse grundsätzlich hinterfragen und energisch verschlanken, erklärt Gastautor Lars Reese.
Banken und Sparkassen stehen unter einem erheblichen Kostendruck. Die kontinuierliche Ausdünnung des Filialnetzes ist eine sichtbare Auswirkung. Bundesweit sieht ihre Mittelfristplanung – unter der Erwartung weiter sinkender Erlöse aus dem Zinsgeschäft und stagnierender Ergebnisse im Provisionsumfeld – vielfach spürbare Kostensenkungen vor. Nicht selten gehört eine Aufwandsreduktion von 20 bis 30 Prozent in den nächsten Jahren dazu. Eine Herkulesaufgabe, die vor dem Hintergrund der erheblichen Aufwendungen zur zwingend gebotenen Digitalisierung bei zugleich deutlich anziehender Gehaltstarifrunden sehr ernst zu nehmen ist.
Prominentes Opfer des Sparzwangs sind seit geraumer Zeit die Filialen der Institute. Durch ein verändertes Kundenverhalten zunehmend verwaist, drängen sich gerade kleinere Standorte als Ansatzpunkt zur Kostensenkung auf. So ist die Anzahl der Filialen in Deutschland laut Bundesbank seit 2008 jährlich um durchschnittlich drei Prozent gesunken. In den vergangenen beiden Jahren sogar jeweils um knapp sechs Prozent. Scheinbar probates Mittel zur Kostensenkung. Das gilt umso mehr, wenn man weiß, wie wenig zusätzliche Kontoauflösungen sich im unmittelbaren Umfeld von Filialschließungen beobachten lassen.
Sachliche Kostenbetrachtung statt Filialschließung
Tatsächlich ist der Blick hinter die Kulissen ernüchternd: Eine Verdichtung der Kunden auf eine geringere Anzahl Filialen bewirkt im Regelfall lediglich eine Einsparung der eher geringen Sachkosten für den Betrieb der Immobilie. Unter Verweis auf die nahezu unveränderte Kundenzahl werden Service-Kräfte, Berater- und Leitungskapazitäten – die eigentlichen Kostentreiber im Filialnetz – bestenfalls leicht reduziert auf die aufnehmenden Standorte verteilt. Statt die Zahl der Filialen zu diskutieren, ist eine nüchterne, wirtschaftliche Bewertung von Service- und Beratungskapazitäten im stationären Netz angezeigt.
Hierbei müssen das veränderte Kundenverhalten und die Chancen aus der Digitalisierung der Kundenbeziehung sowie die aktive Lenkung von Kunden für eine wirtschaftlich sinnvolle Dimensionierung der Beratungsflächen und Mitarbeiterkapazitäten angemessen berücksichtigt werden. Gerade noch gängige Betreuungsrelationen haben hier häufig einen historischen Wert.
Unproduktive Beratungsprozesse vermeiden
Hiervon sind viele Institute aber noch weit entfernt, obwohl in diesen Aspekten der eigentliche Anknüpfungspunkt zur Kostenoptimierung des Filialvertriebes steckt. Die zunehmend ausbleibende Laufkundschaft für Service-Anliegen erlaubt den Blick auf unproduktive Beratungs- und Verkaufsprozesse auf überdimensionierten Flächen. So erreichen Berater in Sparkassen und Banken nur selten für Beratungs- und Verkaufsaktivitäten eine Produktivität in Richtung von 50 Prozent ihrer Arbeitszeit. Mehr als jede zweite Minute verpufft regelmäßig unwirtschaftlich für "Sonstiges". Aber auch die Phasen der aktiven Kundenberatung bieten den Geldhäusern zahlreiche Ansätze zur Erhöhung der Produktivität. Während moderne Direktbanken beispielsweise die Kontoeröffnung aufsichtskonform in acht Minuten per Mobilfunktelefon bewältigen, kann dies in einer Filiale vor Ort auch eine geschlagene Stunde dauern. Dieser Prozess wird durch die Schließung einer Filiale nicht verbessert.
Zehn zentrale Handlungsmaximen für den Betrieb eines zukunftsfesten Filialnetzes |
Straffe Gebäudestruktur
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Operative Exzellenz
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Wirkungsvolle zentrale Unterstützung
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Filialnetz ist nicht bedeutungslos
Die Bedeutung des stationären Netzes aus Kundensicht zeigen zahlreiche Studien. Die harte Korrelation aus Marktanteilen und stationärer Präsenz sowie die noch immer übersichtliche Anzahl echter Hauptbankbeziehungen bei Direktbanken lässt die Filialisten hoffen. Die Renaissance von Reisebüros als menschliche Navigatoren im Dschungel des Online-Angebots mögen weiterer Anlass zur Hoffnung sein. Am wirtschaftlich deutlich wirkungsvolleren Betrieb der Filialen geht im Bankenmarkt aber in keinem Fall ein Weg vorbei. Die Betrachtung "Filiale schließen, ja oder nein" mutet nach zeitgemäß digitaler Betrachtung an, greift aber deutlich zu kurz. Ohne Gegensteuerung werden auch die nächsten zehn Jahre vom Sterben auf Raten geprägt.