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04-12-2019 | Bankvertrieb | Interview | Article

"Voice Banking bringt den Bank-Tresen nach Hause"

Author: François Baumgartner

8:30 min reading time

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Interviewees:
Christian Wendrock-Prechtl

ist Bereichsleiter User Interface bei Comdirect.

Nils Jung

ist Executive Director bei Capco und Experte für Payment-Themen.

Digitale Sprachassistenzsysteme von Alexa, Google & Co sind die neuen Begleiter im täglichen Leben. Was sie im Finanzbereich leisten können, erläutern die Branchenexperten Christian Wendrock-Prechtl und Nils Jung.

springerprofessional.de: Die Finanzindustrie setzt auf Sprachassistenzsysteme. Warum?

Christian Wendrock-Prechtl: Ein richtiger Trend ist das in der Finanzindustrie ja noch nicht. Es gibt einige wenige Banken mit einem Alexa-Skill oder einer Action on Google – zu denen gehört Comdirect. Wir sind überzeugt, dass Sprache als eines der ursprünglichsten Kommunikationsmittel auch beim Thema Finanzen unterstützen kann und sollte. Es ist die einfachste und natürlichste Art, um in den Dialog zu treten, egal aus welchem Grund auch immer – ob Informationen zu erhalten oder Aufträge auszulösen.

Nils Jung: Die Finanzindustrie kann sich neuen Wegen in der digitalen Kommunikation und Interaktion mit ihren Kunden nicht entziehen. Durch den starken Anstieg der Verfügbarkeit von Sprachassistenzsystemen in Haushalten weltweit, hat sich die Technologie schon seit einiger Zeit aus der Nische der Early Adopter herausbewegt. Kunden gewöhnen sich im täglichen Umgang mehr und mehr an die einfache Bedienbarkeit bei Basisanwendungen, wie etwa die Wetterabfrage nach dem Aufstehen. Auch wenn komplexe Anwendungen sicherlich noch in den Kindeschuhen stecken, ist es wichtig, die Nutzer frühzeitig auf diesem Weg mitzunehmen. Genauso wesentlich wie diesen Kanal anzubieten, wird es aber auch sein, dass Sprachassistenzsysteme nicht der einzige Weg sind mit einer Bank interagieren zu können. Für Kunden wird es immer selbstverständlicher, selbst zu entscheiden, welchen Kanal sie wann und für welche Aufgaben nutzen. Wird ein relevanter Interaktionskanal nicht angeboten, ist zu erwarten, dass sich die Kunden ihrem präferierten Nutzungsverhalten entsprechend, diesen Kanal bei einer anderen Bank oder auch einer Drittpartei suchen werden.

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Herr Wendrock-Prechtl, wo setzen Sie in Ihrem Haus Voice Banking ein und wie funktioniert die Technologie?

Gestartet sind wir 2017 als erste Bank in Deutschland mit einem Alexa-Skill und einer Action on Google. Zunächst waren darüber nur Kursabfragen möglich, später auch Börsen-News. Im Amazon Echo Show konnte man sich dann auch Kurs-Charts auf Zuruf anzeigen lassen. Im vergangenen Jahr kamen bei unserem Alexa-Skill Push-Alerts bei Kursbewegungen hinzu, in unserer Action on Google ergänzten wir Kontostandabfragen und Überweisungsvorbereitungen. Wir nutzen Sprache aber nicht nur über die bekannten Sprachassistenten, sondern auch in unserer eigenen App: Hier können Kunden seit 2018 per Sprache überweisen.

Haben Sie Nutzerzahlen und Best-Practice-Beispiele zu den sprachgesteuerten Helfern?

Christian Wendrock-Prechtl: Unser Alexa Skill wurde von Januar bis September 2019 von einer vierstelligen Zahl an unique Usern aufgerufen. Und zwar jeden Monat. Überdies verzeichnen wir pro Nutzer etwa zwei bis drei Aufrufe in einem Kalendermonat. Die Überweisungsvorbereitung per Google Assistant wird von unseren Kunden regelmäßig ausprobiert. Deutlich höher ist jedoch die Nutzung der Sprachüberweisung direkt in der Comdirect-App.

Nils Jung: In Deutschland sehen wir aus verschiedenen Umfragen, dass in zirka 30 Prozent aller Haushalte Sprachassistenten zur Verfügung stehen. Nutzer verwenden ihre Sprachassistenzsysteme zumeist für einfache Unterstützungen im täglichen Leben, wie beispielsweise, um die Temperatur im Raum und das Licht zu steuern oder um sich morgens die Termine des Tages vorlesen zu lassen. Genutzt wird in der Regel das, was wenig fehleranfällig ausgeführt wird und beim Nutzer das nötige Vertrauen in die Sicherheit hervorruft. 

Herr Jung, bitte geben Sie uns ein Beispiel.

Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass selbst die kreative Steuerung der Musikauswahl bei Spotify durch ein Kleinkind die Akzeptanz von Sprachsteuerungen stark einschränken kann. Ebenso verhält es sich, wenn auf einmal Pakete zu Hause ankommen, die zumindest kein Erwachsener bestellt haben kann. Individuelle und intelligente Ansprache sowie Sicherheitsaspekte werden Hauptpunkte für eine erfolgreiche Adaption – insbesondere im Finanzsektor sein – da dies die ureigenen Attribute sind, die der Kunde mit seiner Bank in Verbindung bringt.

Welche Finanzdienstleistungen kommen noch für Alexa & Co infrage?

Christian Wendrock-Prechtl: Letztlich gibt es keine Einschränkung in der Finanzdienstleistung. Sämtliche Aufgaben können auch über Sprache – so wie es früher auch am Bank-Tresen stattfand – an die Bank übermittelt werden. Aber wir müssen dazu noch einige technische und sicherheitsspezifische Herausforderungen lösen.

Nils Jung: Wichtig ist hier, zwischen dem Kanal, den Alexa & Co bereitstellen, und den Services zu unterscheiden. Theoretisch können alle Finanzdienstleitungen, die die Bank heute anbietet über den Kanal Alexa & Co durchgeführt werden. Voraussetzung ist nur die Erfüllung regulatorischer und sicherheitsrelevanter Aspekte. Entscheidend ist aber, dass wir uns von der Vorstellung befreien, dass Sprachassistenten nur eine Kopie der bestehenden digitalen Prozesse, wie beispielsweise eines Online-Portals, sind. Nur wenn das System im Alltag eingebunden werden kann und wie der persönliche Bankberater agiert und mitdenkt, kann ein breites Spektrum von Bankdienstleistungen über diesen Kanal angeboten werden und den Kunden langfristig überzeugen. 

Wie gelingt das am besten?

Nils Jung: Sicherheit und Vertrauen stehen neben individuellen, intelligenten Lösungen an erster Stelle. Je nachdem wo Banken Services von Anbietern wie Apple und Google in ihre Wertschöpfungskette integrieren, können die Kunden auch vermehrt auf technologische Innovationen, wie beispielsweise auf Künstliche Intelligenz zurückgreifen. Dass die Bigtech-Konzerne mit ihren Sprachassistenten weitere Vorstöße wagen und die gesamte Wertschöpfungskette der Banken abdecken wollen, zeigen nicht zuletzt Initiativen wie die von Google und Citi, die zusammen Kontodienstleistungen anbieten möchten. Die Schnittstelle über Voice ist hierbei ein wichtiger Baustein.

Welche Potenziale sehen Sie für ältere Kunden oder Kunden mit Handicap und wie muss die Customer Journey insgesamt angepasst werden?

Christian Wendrock-Prechtl: Sprache ist eine barrierearme Art, um Informationen zu erhalten oder Aufträge auszulösen. Insofern sind Angebote im Bereich Voice Banking gerade auch für Kunden mit Handicap oder für ältere Menschen interessant und können schnell und bequem von zuhause aus genutzt werden. Dazu muss definitiv die Customer Journey perfektioniert werden. Dafür bringen wir den Bank-Tresen nach Hause oder genau dahin, wo unser Kunde ist. Erste Schritte unternehmen wir dafür bereits mit einzelnen Sprachfunktionen in unserer App und somit für die Bank im Handy.

Nils Jung: Wie bereits erwähnt, hängt der Erfolg der Systeme davon ab, ob eine individuelle Ansprache des Kunden im täglichen Leben ermöglicht wird. Über kurz oder lang wird es daher irrelevant sein, ob ein Mensch ein höheres Alter oder eine Behinderung hat. In diesem Fall liegt eben ein individuelles Nutzungsverhalten vor. Voraussetzung ist, dass das System den Kunden eindeutig identifizieren und seinen Anweisungen folgen kann. Interessant werden KI-Anwendungen sein, die dem Kunden Arbeitsschritte abnehmen oder diese proaktiv durchführen.

Wie müssen die Sicherheitsanforderungen aussehen, um das Vertrauen der Kunden für Voice Banking zu erhalten?

Christian Wendrock-Prechtl: Die Kunden- und auch die Banking-Daten müssen ganz klar bei der Bank bleiben. Google und Amazon genießen hier, ob zu Recht oder Unrecht, kein Vertrauen. Es wird daher nie eine reine One-Player-Lösung im Bereich Voice Banking geben. Sensible Daten werden im Bankumfeld bleiben.

Nils Jung: Zuerst einmal müssen sich Banken an bestehenden Anforderungen ausrichten. Hierzu gehört die Identifikation und Kundenauthentifizierung. Dies ist auch ein Grund, warum zumindest derzeit noch keine vollumfänglichen Banking-Funktionen in Deutschland angeboten werden – weil schlichtweg der Kunde nicht eindeutig nach PSD2-Kriterien mit der Bank agieren kann. Ob der Kunde die Zwei-Faktor-Authentifizierung als den Hauptvertrauensbeweis bei Banking über Sprache erachtet, kann nicht final geklärt werden. Sicherlich geht es aber darum, dass er, ähnlich wie am privaten Bankschalter oder der Nutzung am ungestörten Bildschirm, auch mit dem Sprachassistenten interagieren kann.

Kann das kontaktlose Bezahlen mit Sprachassistenzsystemen innoviert werden?

Christian Wendrock-Prechtl: Das kontaktlose oder mobile Bezahlen ist an sich ja schon eine sehr bequeme und einfache Art und Weise, Zahlungsvorgänge am POS auszulösen. Aber wenn es technisch irgendwann möglich sein sollte, eine sichere Identifikation allein über die Stimme durchzuführen, warum nicht auch per Voice bezahlen?

Wenn ich zum Beispiel ein Ziel dem Sprachassistenten mitteile, wie "Ich möchte meine nächste Reise mit Loyalty-Punkten bezahlen" und die Technologie antwortet mir immer, welche Kreditkarte ich nehmen muss, um mein Reiseziel zu erreichen, habe ich als Kunde einen Mehrwert. Wäre das möglich und haben Sie weitere Anwendungsfälle, die Sie uns nennen können?

Christian Wendrock-Prechtl: Ein spannender Ansatz! Und genau da wollen wir hin, Fragen sinnhaft, schnell und verständlich zu beantworten. Dem Kunden helfen, die richtige Entscheidung zu treffen. Voice ist dabei ein wichtiger Baustein, unmittelbar an alle relevanten Informationen zu gelangen und Hilfestellung zu leisten.

Nils Jung: Das Beispiel von oben zeigt, dass für den Kunden echter Mehrwert geschaffen werden muss, indem unterschiedliche Services über einen Kanal angeboten und gebündelt werden – in diesem Fall Reise, Bonuspunkte und Zahlungsverkehr. Sprachassistenzsysteme werden sich bestimmt auf die meisten Anwendungsfälle der plattformisierten Wirtschaft anwenden lassen und dies immer besser können, je optimaler sie von Künstlicher Intelligenz unterstützt werden. Was für mich nicht zu einer deutlichen Steigerung des Nutzens führt ist allerdings, wenn der Kunde, wie im Beispiel von oben, trotz einer smarten Antwort des Systems nur Vorschläge machen kann – die Aktion, in diesem Fall die Zahlung über die Kreditkarte, dann aber immer noch über einen anderen, nicht integrierten Weg vorgenommen werden muss.

Welche Chancen räumen Sie Visible Payment Lösungen ein und wann kann man per Holobrille bezahlen?

Christian Wendrock-Prechtl: Ich kann mir da ganz viel vorstellen, eine Authentifizierung wird zukünftig über viele Wege möglich sein, vom Iris Scan, also über biometrische Daten, über Stimme, Gestik bis hin zu Geodaten. Ob sich dafür ein zusätzliches Device wie eine Holobrille etablieren wird, bezweifle ich. Das hängt damit zusammen, dass ich – und jetzt spreche ich als Bankkunde – großes Interesse daran habe, Aufgaben schnell und bequem erledigen zu können, ohne mich mit einem zusätzlichen Device beschäftigen zu müssen.

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