Skip to main content
Top

29-11-2013 | Bankvertrieb | Interview | Article

„Banken sollten ihre Kunden einteilen dürfen“

Author: Stefanie Hüthig

5 min reading time

Activate our intelligent search to find suitable subject content or patents.

search-config
print
PRINT
insite
SEARCH
loading …

Verbraucherschützer laufen Sturm gegen die Einteilung von Bankkunden in Gruppen. Ein Verzicht auf eine Segmentierung ist keine Lösung, meint Unternehmensberater Gerd Klaasen im Springer-Interview.

Springer für Professionals: Banken und Sparkassen möchten das, was bisher Kundensegmentierung hieß, nun lieber als Kundenstrategie bezeichnen. Können Sie das bestätigen?

Gerd Klaasen: Ja, das ist so.

Warum?

Das Thema Kundensegmentierung hat in den vergangenen Jahren immer wieder Staub aufgewirbelt, weil Kunden über die Zielgruppen-Systematik mit anderen Kunden verglichen wurden. Die einfachste Systematik ist die Unterteilung in A-, B- und C-Kunden, aber es gibt auch andere Formen der Einteilung. Darin werden die Kunden zum Beispiel als risikofreudig beschrieben, als „Draufgänger“ oder als „Langweiler“ bezeichnet. Kundengruppen sind immer auch mit Hinweisen verbunden, ob die Bank mit einem Kunden schnell oder viel Geld verdienen kann. Und das hat bei Kunden- und Wettbewerbsschützern dazu geführt, dass Banken in Verruf gekommen sind.

Teilt nicht jedes Unternehmen seine Kunden ein?

Jedes Unternehmen, egal, ob Bank oder nicht, tut das, selbst teilweise kleine Firmen. Schließlich müssen Unternehmen ihre Kunden und Interessentengruppen kennen und bedarfsgerecht ansprechen. Die Fragen fangen ja schon vor der Werbung an: Wer ist der potenzielle Kunde? Mit welchen Kunden können wir als Unternehmen schnell und nachhaltig Geschäft machen? Und auch ihre Bestandskunden müssen Unternehmen untersuchen: Welche Kundengruppen gibt es? Mit wem kommen wir schnell ins Geschäft? Was haben wir mit den Kunden gemacht, die sich schnell zu zuverlässigen Käufern entwickelt haben? Hat sich eine Vertriebsaktion gelohnt und warum? Hätten wir Kündigungen vorhersehen und vorbeugen können? Porsche würde ja auch keine Anzeigen in einer Zeitschrift schalten, die von Menschen gelesen wird, die nicht das Geld für einen Porsche haben. Eigentlich sollte das alles ganz normal sein. Warum soll nicht auch eine Bank das Recht haben, ihre Kunden und Interessenten einzuteilen? Die Banken würden doch fahrlässig handeln, wenn sie das vorhandene Datenmaterial nicht nutzen würden. Wenn man es gut macht, ist das sogar im Sinne des Kunden.

Betrachten wir ein Bankkundensegment einmal genauer, die Gruppe der vermögenden Kunden. Nur wenige Kreditinstitute geben allerdings ohne Zurückhaltung an, ab welchem Monatsnettoeinkommen bzw. freiem Vermögen sie einen Kunden als Vermögenskunden sehen. Intern gibt es diese Grenzen durchaus. Wo liegen diese Grenzen größtenteils?

Die Grenzen sind verschieden. Auf vermögende Kunden spezialisierte Banken setzen auch schon mal drei Millionen Euro an. Recht häufig bieten Finanzinstitute Private Banking ab 500.000 Euro freiem liquidem Vermögen an. Diese Summe lässt sich bereits individuell anlegen, ohne ausschließlich auf Fonds und Ähnliches zurückgreifen zu müssen. Gleichwohl weiß ich aus persönlicher Erfahrung und vielen Gesprächen, dass Banken diese selbstgesteckten Grenzen auch oft unterschreiten. Wenn zum Beispiel ein junger Unternehmer mit hohem Zukunftspotenzial seine 100.000 Euro anlegen will, würden Banken mit einer Ablehnung fahrlässig handeln. Natürlich müssen sie diesen Jungunternehmer dann produktseitig anders bedienen. Die Institute können in diesem Fall natürlich nicht viel Aufwand in eine Einzeltitel-Recherche stecken, sondern einen strukturierten, vorgefertigten Vorschlag machen.

Es ist also nicht schlimm, dass Banken von ihren selbst gesteckten Grenzen abweichen?

Ich finde das nicht grundsätzlich schlimm. Aufwand und Nutzen müssen aber für die Bank in einer guten Relation stehen. Und da sind die Institute zum Teil schlecht aufgestellt, weil sie sich zu wenig danach gerichtet haben. Da werden einfach Assets eingesammelt und gar nicht darauf geschaut, wie sich mit diesen Einzel-Assets noch Gewinn erzielen lässt.

Wie viele Banken ignorieren denn ihre internen Vorgaben im großen Stil und werden damit unwirtschaftlich?

Ich glaube viele, ohne eine Zahl nennen zu können. Bis vor wenigen Jahren herrschten im Private Banking Schlaraffenland-artige Zustände. Irgendwann sind die Institute unter Druck geraten, die Erträge sind eingebrochen, weil der Markt nicht mehr gut lief und weil sie regulatorisch immer mehr gefordert wurden. Das verleitet dazu, vorher feste Grenzen aufzuweichen.

Sparkassen und Genossenschaftsbanken wird Private Banking manchmal nicht zugetraut. Zurecht?

Das ist definitiv ein Punkt. Eine kleine Sparkasse oder eine kleine Genossenschaftsbank vor Ort kann das notwendige Know-how in der Breite gar nicht haben. Wenn das Institut Glück hat, hat es einen Mitarbeiter gewonnen, der Private Banking kann. Aber im Private Banking kommen oft Themen wie Erbschaften und Steueroptimierung auf Banken zu. Schon dafür braucht es oft Spezialisten, die kleine Banken eben nicht vorhalten können. Da halte ich den Ansatz für perfekt, den Kunden an einen zentralen Anbieter aus dem Verbund zu übergeben oder bei diesem Expertise anzufordern. Die DZ Privatbank macht das mit ihrem Niederlassungskonzept in Deutschland zum Beispiel sehr gut.

Welchen großen Herausforderungen stehen Banken in den kommenden fünf bis zehn Jahren im Private Banking gegenüber?

Es geht kein Weg an den regulatorischen Anforderungen vorbei. Und es wird immer wieder neue Vorgaben geben. Außerdem muss das Kundenmangement verbessert werden: einzelne Kunden- und Interessensgruppen müssen  identifizieren und entsprechend bedient werden. Außerdem gibt es immer noch aus der Finanzmarktrichtlinie MiFID heraus einen großen Nachholbedarf bei der IT-Unterstützung im Wertpapierberatungsgeschäft. Viele Finanzinstitute haben nur das Notwendigste getan, um die Anforderungen zu erfüllen. Sie haben gar nicht erkannt, dass sie mit nur wenig mehr Investition weitaus mehr hätten erreichen können.

Was zum Beispiel?

Durch eine gute IT-Unterstützung entlasten Banken ihre Berater deutlich von administrativen Aufgaben. Damit haben Berater mehr Zeit für den Kunden, und Banken können die Daten, die Berater dadurch verstärkt sammeln und zum beiderseitigen Nutzen – also von Kunde und Bank – in ihren Systemen auswerten.

Lesen Sie auch:

SEB Private Banking ist bester Vermögensmanager des Jahres

print
PRINT

Related topics

Background information for this content