InfraMobility-Dianba will mit TotalEnergies die erste europäische Batteriewechselstation für 465 Wechsel täglich am Berliner Flughafen BER errichten. Erste Zielgruppe sind E-Taxis. Dieter Flämig und Alexander Yu Li erläutern im Interview, warum der Akkuwechsel eine Zukunft hat.
Prof. Dr. Dieter Flämig (links), Mitbegründer von InfraMobility-Dianba GmbH und CEO der InfraMobility Holding, und Alexander Yu Li (rechts), Mitbegründer sowie Mitgesellschafter und CEO von InfraMobility-Dianba GmbH
InfraMobility-Dianba GmbH
Springer Professional: Welche Motivation stand dahinter, die InfraMobility-Dianba GmbH 2019 zu gründen?
Flämig: Wir, die deutschen Gründer des Joint Ventures mit Aulton Dianba, hatten in einer eigenen Marktanalyse erkannt, dass der europäische Plug-in-Kurs zu komplex und langwierig ist. Nur der schnelle und preiswerte Batteriewechsel an Tankstellen kann nach unserer Überzeugung die E-Mobilität schnell in die Breite tragen. Wie die Erfahrung mit Tankstellen zeigt, wird zudem die Lösung gewinnen, die automarkenneutral und batteriemarkenneutral ist.
Seit 2019 ist bereits eine InfraDianba-Demoanlage für Pkw am Berliner Westhafen in Betrieb. Wie funktioniert die Akku-Wechsel-Technik in der Anlage genau?
Li: Der Batteriewechsel für E-Autos bis 3,5 t erfolgt bei uns im Drive-through-Verfahren. Durch einen Wechselrahmen im Boden des Autos wird von einem Roboter im Unterbau der Station die gebrauchte Batterie entnommen und durch eine geladene Batterie ersetzt. Die Kompatibilität wird durch ein genormtes Universalgehäuse und einen genormten Wechselrahmen sichergestellt (bisher: Branchennorm).
Worin unterscheidet sich die InfraDianba-Technologie von der anderer Akkuwechseltechnik-Anbieter wie etwa Nio?
Li: Unsere Aulton-Dianba-Technologie bietet automarkenneutrale und batteriemarkenneutrale Drive-through-Wechselstationen (20 s technische Wechselzeit). Das wurde möglich durch unser Batterie-Universalgehäuse, auf dessen Standards sich schon 16 Autohersteller geeinigt haben, darunter VW-Partner SAIC und Mercedes-Benz-Partner BAIC. In dieses Universalgehäuse kann jeder Hersteller seine speziellen Module einbauen. Es ist sogar möglich, dass der Kunde in unseren Stationen einen speziellen Batterietyp anfordern kann, wenn es sich um Automarken mit hoher Skalierung handelt.
Welche Batteriespeicherkapazität beziehungsweise wie viele Wechselbatterien werden zum Betrieb einer Station benötigt?
Li: Die Akkus werden von den E-Mobil-Nutzern selbst zur Station gefahren (Subsidiaritätsprinzip). Für 1.000 Wechsel pro Tag (bei einer Abfertigungszeit von 1 bis 1,5 min bei Aulton/InfraDianba-Stationen) wird nur ein Extraspeicher von 60 Wechselbatterien benötigt (also für 2.000 bis 3.000 Kunden pro Station). Diese sind einmalig bei der Installation der Station als Initial-Speichereinheit bereitzustellen. Dieser Mehrbedarf wird durch die positiven Lebensdauer-Effekte des Systems (Faktor 3 bis 4) weit überkompensiert. Die Technik kann durch Umrüstung der Tankstellen unkompliziert, landesweit und bedarfsnah implementiert werden. Das flächendeckende Netz-Plug-in dagegen wird in der vollen Breite erst nach einem jahrzehntelangen, viele Milliarden Euro teuren Ausbau der Ortsnetze möglich sein.
Wie nachhaltig ist das Akku-Wechsel-Konzept, wenn man auch an den Mehrbedarf der eingesetzten Batterien und die Logistik dahinter denkt?
Flämig: Unser Nachhaltigkeitskonzept hat eine vierfache Batterielebensdauer zum Ziel. Es umfasst schonendes Laden, Lichtwellen-Qualitätskontrolle der Batterien und kWh-Kundenboni für die Kunden, die ihre Batterien mit einem höheren Status of Charging abgeben. Zudem werden bereits geladene Batterien für ein Dual Use im Smart Grid genutzt, was die Batterielebensdauer zusätzlich erhöht. Denn Batterieeinsatz für die primäre Regelleistung ist wie ein Fitnessprogramm für die Akkus. Ein Batterie-Mehrbedarf von 1,06 trifft auf einen höheren Batterie-Lebensdauereffekt von 3,5 und mehr. Durch die subsidiäre Bereitstellung der Batterien, die Weiternutzung von Tankstellen, Agro-Solar und die Multinutzung der Batterien wird Express-Batteriewechsel endgültig zu einem Vorreiter einer Logistik der Nachhaltigkeit.
Europäische Automobilhersteller sind verhalten beim Thema Wechsel-Akku. Woran liegt das Ihrer Meinung nach?
Flämig: In China sind schon 80 % der Autohersteller dabei, auf Batteriewechsel umzustellen. In Europa verfolgen zum Beispiel MG und Renault bereits diesen neuen Kurs. Die Frage ist: Wann setzt sich der Express-Batteriewechsel in Europa durch? Die Antwort: Wenn der hochdynamische Leitmarkt China die europäischen OEMs dazu führt, in Asien auch Batteriewechsel anzubieten und sie dadurch in Europa endlich in der Lage sind, eigene attraktive Batteriewechsel-Fahrzeuge auf den Markt zu bringen. Spätestens bei dem E-Gebrauchtwagenmarkt wird sich in Europa der Express-Batteriewechsel aber durchsetzen. Niemand will alte E-Autos kaufen, die noch die Kinderkrankheiten mitschleppen. Wir verhandeln bereits mit großen Umrüstern, die E-Altwagen für diesen "Boxenstopp für alle" bezahlbar umbauen.
Sie arbeiten an einem Zukunftsprojekt namens "Swaptopus". Was steckt dahinter?
Flämig: Swaptopus ist eine vernetzte Energiestation für Mobilität und Netz mit folgenden Komponenten: 1. dem Leistungskern "Mobigrid", bestehend aus einer Batteriewechselstation 4.0 mit bis zu 1.000 Wechseln pro Tag, einem Dual-Use-Batteriespeicherkraftwerk und einem Zusatzspeicher, der teilweise von einem Bilanzkreis gespeist wird; 2. einem Sonderbilanzkreis "Batteriewechsel Stromeinkauf", der kostengünstigen EE-Strom aus Quellen wie Agro-PV-Anlagen, Gebäude-PV-Anlagen, Überschussstrom aus örtlichen Windparks und Ähnlichem sowie EE-Billigstrom aus der herkömmlichen Netzversorgung bezieht; 3. einem angebundenen regionalen Strommarkt, unterteilt in virtuelle Kraftwerke, Smart Grid, externe Bilanzkreise und Micro Grids vor Ort.
Dieses Interview ergänzt den Artikel Schnell wechseln statt langsam laden − Kehrt der Wechselakku zurück? aus der ATZ 10-2022. |