Bauprojekte im Ausland haben ihre eigenen Regeln. Springer-Autor Konrad Micksch erzählt, mit was man bei Entsendungen alles konfrontiert werden kann und wie man sich idealerweise auf die Projekte vorbereitet.
Springer Professional: Herr Micksch, Sie haben lange Zeit im Ausland gearbeitet. Was waren in den Bau-Projekten dabei die größten Hürden, die Sie dabei immer wieder zu überwinden hatten?
Konrad Micksch: Die Hauptarbeit von mir und meinen Mitarbeitern bestand in der Durchführung von Kontrollen, Rapporten und Abnahmen. Trotz englischer Sprache und der Nutzung einiger Basis-Vokabeln in der Landessprache gestaltete sich die Verständigung oft schwierig und war ein großes Hindernis, eine gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Verantwortlichen des Bauherrn, den Behörden und den beteiligten Firmen zu gewährleisten. Zudem kamen Anlagen, Geräte und Materialien oft nicht zu den geplanten Terminen, weil die Lieferanten oder auch der Zoll Verzögerungen verursachten. Und dann waren sie manchmal nicht für das Klima, die vorhandenen Standortbedingungen oder die Bodenverhältnisse geeignet. Schließlich kam es noch zu verdeckten Feindseligkeiten, die sich in fehlender Bereitschaft zur Kooperation oder völlig unerwarteten Störungen äußerten. Ursachen dafür waren oftmals Neid oder Ärger der Verantwortlichen, nicht die Leitung oder den für Freunde erwarteten Auftrag erhalten zu haben.
Wie reagiert man am besten auf unvorhergesehene Ereignisse?
Meine Methode war es, ruhig, beherrscht und zielorientiert aufzutreten, um trotz widriger Umstände die Initiative oder die Regie zu behalten und Aufregungen zu dämpfen. Dazu gehörte es, die nächsten notwendigen Schritte schnell zu organisieren, Aufträge klar zu personalisieren und auch selbst mitzuwirken, um unvernünftige Spontanaktionen aufgeregter Dritter abzuwenden. Empfehlen kann ich außerdem, dass sich der Bauleiter im Vorfeld mit den zugeordneten Teamleitern ein Konzept für mögliche standortspezifische Notsituationen erarbeitet, das er in die Belehrungen einbezieht. So kennt jeder seine Aufgaben. Dazu gehört übrigens auch die Bereithaltung eines Notgepäcks, die Festlegung von Fluchtwegen und Sammelpunkten.
Was empfehlen Sie Bauingenieuren, die sich auf ihren ersten Auslandseinsatz vorbereiten?
Sie sollten zuerst alle Informationen sammeln, die sie über das Land, die Menschen, das Baugebiet, den Vertrag und die zu organisierenden Bauleistungen erhalten können. Dazu gehören besonders die dort üblichen Sprachen, Klima, Versorgung, Infrastruktur, Arbeits- und Lebensbedingungen, das Gelände und Beteiligte. Besonders nützlich ist es auch, schnell Kontakte zu möglichen Verbündeten oder Vertretern deutscher Firmen beziehungsweise Behörden vor Ort zu knüpfen und Informationen zur Einreise, der Unterbringung und für die weitere Vorbereitung zu erfragen. Dann sollten sie sich in Auswertung dieser Informationen ein Konzept für die nächsten Schritte machen: Dazu gehören Intensiv-Sprachkurse, die Beschaffung geeigneter Kleidung, von Medizin, notwendiger Dokumente, Arbeitsmittel, Messmittel, Projekt- und Vertragsunterlagen sowie Klärungen zu Kfz und einem Baustellenkonto. Nicht zu vergessen sind aber auch die Abstimmungen zu den unmittelbaren persönlichen Fragen mit Familie, Freunden, Banken, Versicherungen und zu den Konditionen des Zusatzvertrages zum Arbeitsvertrag sowie zur Wiedereingliederung nach Abschluss der Bauleistung.
Gibt es Merkmale, die auf alle Auslandsprojekte zutreffen?
Ja. Das im jeweiligen Land geltende nationale Recht weicht vom deutschen Recht ab, was besonders bei Ein- und Ausfuhren, Verkehrsfragen, Sozialfragen und Ausländerrecht wirksam ist. Die Standortbedingungen weichen besonders bei Bodenverhältnissen, dem Gesundheitswesen, der Politik, den Verkehrsbedingungen und der Wasserversorgung, dem Klima und den Versorgungskosten von den gewohnten deutschen Verhältnissen ab. Bereits bei der Ausschreibung werden Sprache, geltende Normen, Konditionen und Verhaltensregeln bei der Realisierung des Vorhabens vorgeschrieben. Das sollte der Bauleiter erfahren, ist aber nicht immer der Fall. Außerdem sollten die oft wesentlich vom deutschen Standard abweichenden ethnisch oder religiös bedingten Verhaltensweisen der Partner nicht unterschätzt werden. Ansonsten gelten auch auf Auslandsbaustellen die Grundsätze einer ordentlichen Baustellenorganisation und -leitung.
Welche Fähigkeiten sind unverzichtbar beziehungsweise sollte jeder mitbringen, der im Ausland Bauprojekt leitet?
Wichtig ist, gesund zu sein, sich fit zu halten sowie körperlich und psychisch belastbar zu sein. Man sollte außerdem selbstbewusst, ruhig, überzeugend, leistungsorientiert und optimistisch auftreten, sich konzentrieren können und sich nicht leicht ablenken lassen. Ungeeignet sind Choleriker, Alkoholiker, Ernährungsfanatiker oder Depressive.
Darüber hinaus sollte man in seinem Fachgebiet auf dem aktuellen Wissensstand sein, über ausreichende Erfahrungen verfügen und im Umgang mit beteiligten Leitern anderer Gewerke als Generalist bei der Behandlung angrenzender Randgebiete ein anzuerkennender Gesprächspartner sein. Für Verhandlungen sollte man stets gut vorbereitet sein, kollegial wirken, Körpersprache verstehen, unfaire Reden abwehren können, lösungsorientiert und überzeugend wirken sowie kompetent und entscheidungsfähig sein.
Für die allgemeine Führungstätigkeit braucht es Einfühlungsvermögen – auch die Fähigkeit, Emotionen zeigen zu sein. Dazu kommen konsequente Disziplin und Ordnung sowie. Man sollte fähig und bereit sein, auf ethnisch oder religiös bedingte Verhaltensweisen oder Regeln des Landes zu achten, ohne seine eigenen Werte zu verleugnen, nicht als „Herrenmensch“ auftreten und gegenüber Verhandlungspartnern „auf Augenhöhe“ Respekt erweisen.
Herr Micksch, vielen Dank für das Gespräch!