Öffentliche Großprojekte in Deutschland werden laut einer aktuellen Studie im Durchschnitt 73 Prozent teurer als geplant. Bauinfrastrukturprojekte schneiden dabei im Vergleich mit anderen Branchen noch relativ gut ab.
Projekte in den Bereichen Verkehr und öffentliche Gebäude verteuern sich durchschnittlich um 33 beziehungsweise 44 Prozent. Dies ist das Ergebnis einer an der Hertie School of Governance durchgeführten Studie, die von Professorin Dr. Genia Kostka geleitet wurde.
Ihr Team hat insgesamt 170 in Deutschland seit 1960 realisierte Großprojekte untersucht. 119 von ihnen sind abgeschlossen, 51 Projekte laufen noch. Bei letzteren ermittelt die Studie Kostensteigerungen von bislang durchschnittlich 41 Prozent. Die Studienautoren errechneten, dass für alle untersuchten Projekte insgesamt 141 Milliarden Euro eingeplant waren. Tatsächlich kosteten sie jedoch 200 Milliarden Euro, überschritten das Budget also um 59 Milliarden Euro.
Kostenüberschreitungen bei Verkehrs- und Gebäudeprojekten
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Neben anderen Bereichen haben die Wissenschaftler auch 51 Verkehrs- und 87 Gebäudeprojekte untersucht. Bei den 24 analysierten Straßenbauprojekten stellten sie durchschnittliche Kostensteigerungen von 27 Prozent fest, bei zwölf Schienenbauprojekten ein Plus von 30 Prozent und bei sechs Flughafenbauprojekten ein Mehr von 56 Prozent.
Bei den 87 untersuchten Gebäudeprojekten handelt es sich um vergleichsweise kleine Projekte mit einer Durchschnittsgröße von 176 Millionen Euro. Die Kostensteigerungen variieren dort zwischen minus 46 Prozent und einer Budgetüberschreitung um 425 Prozent.
Lerneffekte und Technologievorsprung durch Fehleinschätzungen
Im Vergleich zu anderen Bereichen halten sich diese Werte jedoch „im Rahmen“. Energieprojekte zum Beispiel schlagen mit durchschnittlich 136 Prozent, IT-Projekte sogar mit 394 Prozent ihres angesetzten Budgets zu Buche. Betroffen sind zudem vor allem Pionierprojekte mit hohen Technologierisiken. Dabei sieht Kostka jedoch nicht nur die negative Seite: „Wenn neue Technologien eingesetzt werden, sind die Anschubkosten hoch und die Projekte insgesamt risikoreicher. Allerdings können sich die Investitionen langfristig lohnen, weil sich Lerneffekte und der Technologievorsprung auszahlen.“
Megaprojekte oft doppelt so teuer wie geplant
Noch höher fallen die Überschreitungen bei Megaprojekten aus: Vorhaben mit einem Volumen von über 500 Millionen Euro werden im Schnitt doppelt so teuer wie geplant. Bei kleinen (bis 50 Mio. Euro) und mittleren (zwischen 50 und 500 Mio. Euro) Projekten stellt die Studie 78 beziehungsweise 59 Prozent durchschnittliche Budgetüberschreitung fest.
Kostka und ihr Team erklären die Fehlkalkulationen unter anderem mit Defiziten im Entscheidungs-, Planungs- und Steuerungsprozess. Verwaltung und politisch Verantwortliche seien oftmals zu optimistisch und überschätzten ihre Fähigkeiten, heißt es. Dies führe zum Beispiel dazu, dass Entscheidungsträger Vertragsbedingungen zustimmten, die der öffentlichen Hand das Risiko aufbürdeten oder Unternehmen falsche Anreize setzten.
Um die Kosteneinhaltung von Großprojekten zukünftig besser überwachen zu können, empfiehlt Kostka unter anderem die Einrichtung eines nationalen Benchmarkings für Großprojekte und einer unabhängigen Kontrollagentur nach britischem Vorbild.