Univ.-Prof. Dr.-Ing. Dirk Bohne
Bohne
Die Gebäudetechnik ist einem steten Wandel durch technische Neuerungen und Weiterentwicklungen unterworfen. Wir sprachen mit Univ.-Prof. Dr.-Ing. Dirk Bohne, Autor des Springer-Fachbuchs „Technischer Ausbau von Gebäuden“, über Entwicklungen, Potenziale und den richtigen Einsatz von Haustechniksystemen.
Springer für Professionals: Herr Bohne, wenn in der Welt der Technik etwas Kontinuität hat, dann ist es der ständige Wandel und die Weiterentwicklung. Nicht selten gelten heute als modern deklarierte Techniken morgen schon als veraltet. Gilt dies auch für den Bereich der Gebäudetechnik?
Prof. Dr.-Ing. Dirk Bohne: Ja und Nein. Viele Technologien sind schon seit Langem bekannt, werden aber immer weiterentwickelt oder im Kontext der Gesamt-Energieversorgung neu betrachtet. Beispielsweise ist die thermische Nutzung von Grundwasser zur Kühlung ein aktuelles Thema für Gebäude mit Kühlbedarf, wenn eine Grundwassernutzung möglich und genehmigungsfähig ist. Diese Technik hat Karl Rybka in seinem Buch zur Klimatechnik bereits 1937 beschrieben. Dennoch sind bei Komponenten und Gesamtkonzepten ein steter Wandel und eine ständige Verbesserung festzustellen. Und die Herausforderung besteht deshalb darin, das Wissen auf dem neuesten Stand der Technik zu vermitteln und dafür komprimierte Nachschlagewerke für Architekten und Bauingenieure bereitzustellen.
Weitere Artikel zum Thema |
Welche Rolle spielt die Gebäudetechnik überhaupt für und in Gebäuden?
Die Funktionsfähigkeit eines Gebäudes ist ohne Gebäudetechnik nicht denkbar, der Kostenanteil hierfür liegt – je nach Typ – zwischen 25 und 60 Prozent der Bausumme. Ihr Einfluss ist also dementsprechend groß. Nicht zuletzt führt die gesamtwirtschaftliche Bedeutung des Energiebedarfs für Gebäude dazu, dass genau dieser Faktor eine Schlüsselrolle im Zusammenhang mit der vielzitierten Energiewende einnimmt.
Wenn es um das Thema „Energieverbrauch von Gebäuden“ geht, wird inzwischen nicht selten die Meinung vertreten, die Technik habe einen größeren Einfluss als beispielsweise die Dämmung. Sehen Sie das ähnlich?
Je geringer der Wärmefluss durch die optimierte Gebäudehülle ist, desto höher ist der Anteil an Energie, die sogenannte Hilfsenergie, für technische Anlagen – beispielsweise für den Transport von Luft und Wärme. So gesehen ist die Aussage richtig.
Wahrscheinlich liegt es an den mit den Neuerungen verbundenen Investitionen, dass trotzdem noch gerne auf Dämmung etc. ausgewichen wird, oder?
Eine Gebäudehülle mit geringem Wärmefluss ist die Voraussetzung für Niedrigstenergiehäuser und deshalb unabdingbar. Den Grad der Verbesserung einer Gebäudehülle muss man allerdings auch im Kontext der Umgebung sehen. Steht Abwärme - gegebenenfalls auch Fernwärme aus Kraft, die Wärme-Kopplung, zur Verfügung, ist ein extrem geringer Energiefluss durch die Gebäudehülle nicht notwendig.
Ab welchem Moment in den Planungen von Gebäuden sollte die Gebäudetechnik eine Rolle spielen?
Bereits mit der ersten Planungsphase, also der Vorplanung muss bekannt sein, welches Ziel die Architektur verfolgt. Davon hängt in starkem Maße ab, welche Technik eingesetzt wird.
Und kommt es auch zu dieser frühen Zusammenarbeit?
Dies hat sich in den letzten Jahren durch die Diskussion um Niedrigstenergiehäuser sehr verändert. Häufig wird schon in der Wettbewerbsphase der Kontakt zu den Gebäudetechnikplanern gesucht. Und in vielen Fällen wird das von den Auslobern auch gefordert.
Wenn alles optimal läuft, welchen Einfluss hat die Gebäudetechnik dann auf das Gebäude, den Betrieb und dessen Nutzer?
Im Idealfall ist das Gebäude an die Klimazone, das Quartier und die Nutzung so angepasst, dass die Gebäudetechnik die größtmögliche Behaglichkeit und Sicherheit schafft. Dabei sollte Energie größtmöglich selbst erzeugt, Überschussenergie aus Netzen verwendet und der Energiebedarf für Anlagenteile möglichst gering sein. Gelegentlich propagierte Gebäude ohne Technik sind mit diesen Anforderungen nicht denkbar.
Wie nachhaltig ist ein gut laufendes System?
Das hängt vor allem von der Kompetenz und Umsicht der Planer ab. Ich verweise auch hier auf den absolut unverzichtbaren aktuellen und umfassenden erforderlichen Kenntnisstand in diesem Fachgebiet. Ganz konkret ist die Nachhaltigkeit eines Systems auch von der Lebensdauer der Bauteile abhängig sowie von den technischen Entwicklungen. Die Anpassung an neue Technologien kann unter bestimmten Voraussetzungen auch geplant und vorbereitet werden. Auch das erfordert Kompetenz im Bereich der nachhaltigen Gebäudetechnik.
Für welche Gebäudebereiche ist die Technik besonders relevant?
Es gibt keinen Bereich, für den die Gebäudetechnik nicht relevant wäre. Je nach Nutzung sind die Anforderungen höchst unterschiedlich. Denken Sie beispielweise an Sicherheitstechnik: Dazu fällt uns allen die Entrauchungsanlagen am Flughafen BER ein. Ein weiteres Beispiel ist die in Operationssälen erforderliche Gesundheitstechnik. Da zeigt sich die Gebäudetechnik von besonderer Relevanz. Aber auch der Bauherr eines Einfamilienhauses erwartet zu Recht eine entsprechende Gebäudetechnik, die Funktionalität und Behaglichkeit herstellt. Auch dabei ist eine sorgfältige Planung erforderlich.
Wie würden Sie den Markt der Anbieter beschreiben: Handelt es sich um einen übersichtlichen oder eher einen unübersichtlichen Anbietermarkt?
Es gibt eine sehr große Anzahl von Anbietern mit einem fast unüberschaubaren Produktportfolio. Je kompetenter man plant, umso leichter fällt hier die Orientierung.
Wie schafft man es, als Architekt, Planer oder beratender Ingenieur bei all den Angeboten den Überblick zu behalten?
In unseren Ingenieurbüros gibt es spezialisierte Planer für die unterschiedlichen Gewerke: Elektrotechnik, Abwasser-, Wasser- und Feuerlöschtechnik sowie Heiz-,Kälte-, Raumlufttechnik und MSR-Technik (Anm. d. Red.: MSR=Mess-, Steuer- und Regelanlagen). Selbst für die unterschiedlichen Gebäudetypen sind spezialisierte Ingenieure und Techniker tätig. Es gibt Arbeitsgruppen für Krankenhäuser, Gebäude für Sicherheit (Feuer- und Rettungswachen), Retail-Gebäude und weitere. Und es führt kein Weg daran vorbei: Man muss sich ständig fortbilden und den aktuellen Stand der Dinge im Blick behalten.
Welche Maßnahmen wären sinnvoll, um mehr Transparenz in den Markt zu bringen?
Entscheidend ist die Qualifikation der Akteure. Und es werden immer mehr Prüfverfahren und Energiezertifikate verlangt. Das ist der richtige Weg, damit Beratende Ingenieure eine neutrale Bewertung vornehmen können.
Zur Person |
Dirk Bohne ist Universitätsprofessor für „Gebäudetechnik“ an der Leibniz Universität Hannover, Fakultät für Architektur und Landschaft, und Gesellschafter der Ingenieurgesellschaft für Technische Gebäudeausrüstung Bohne Ingenieure GmbH. Seine Expertise brachte er in die Beratung, Planung und Konzeption zahlreicher Bauvorhaben ein. Ein besonderer Schwerpunkt der Büros sind öffentliche Gebäude, Retail Gebäude sowie Auftragsforschung und Studien. |