Auch wenn es gelingt, große Teile des Verkehrs auf Elektromobilität umzustellen, werden auch künftig Flüssigkraftstoffe mit hoher Energiedichte benötigt. Was ist zu tun, damit die Verkehrswende gelingt?
Sind gefragt: regenerative Alternativen zu fossilen Kraftstoffen
Fraunhofer Umsicht
Das Automobil der Zukunft wird von Politik und Gesellschaft zunehmend als das autonom fahrende, überall, immer und von jedermann per App abrufbares Verkehrsmittel wahrgenommen, welches zwei Hauptattribute hat: elektrischer Antrieb und vielfältige Konnektivität. Für den individuellen Transport in den rasant anwachsenden Mega-Metropolen der Erde erscheinen solche emissionsfreien und geräuscharmen Fahrzeuge als pragmatische und notwendige Lösung, wenn auch gegenwärtig noch große Herausforderungen hinsichtlich des Ressourcenverbrauchs bei der Herstellung von Batterien, geringer Reichweiten von Elektroautos und Probleme bei der nötigen E-Infrastruktur bestehen.
Straßenmobilität sei aber keineswegs auf ein solches Szenario begrenzt, führt Cornel Stan im Vorwort zu Alternative Antriebe für Automobile aus. "Die zukünftigen Automobilarten und -antriebe werden von einer großen Vielfalt geprägt sein, die von geographischen, wirtschaftlichen, klimatischen und ökologischen Bedingungen, aber auch von dem Kundenwunsch bestimmt werden." Der Einsatz von Elektromotoren und Wärmekraftmaschinen in verschiedenen Antriebsszenarien werde hauptsächlich von ihrem minimalen Klimaimpakt abhängig sein, so der Springer-Autor, der Technische Thermodynamik, Verbrennungsmotoren und Alternative Antriebssysteme an den Universitäten Paris, Pisa, Perugia, Berkeley sowie an der Westsächsischen Hochschule Zwickau lehrt, an der er auch als Vorstandsvorsitzender des dortigen Forschungs- und Transferzentrums wirkt. Stan plädiert für eine Öffnung der Perspektive: "Die weltweite Produktion von Elektroenergie und von Wasserstoff wird gegenwärtig und auf einer langen Perspektive von Kohle, Erdöl und Erdgas dominiert", konstatiert er, sodass das elektrisch angetriebene Auto mit Batterie oder Brennstoffzelle genauso problematisch sei wie das Auto mit Kolbenmotor, getrieben von Benzin, Diesel oder Erdgas.
Somit stellt sich eigentlich nicht die Frage "ob", sondern "was" wir tanken werden. Unter folgenden Randbedingungen: Bis zum Jahr 2050 soll Deutschland weitgehend treibhausgasneutral werden. Damit dieses Ziel erreicht werden kann, sollen die Treibhausgasemissionen bereits bis 2030 um mindestens 55 Prozent gegenüber dem Niveau von 1990 sinken. Der Klimaschutzplan der Bundesregierung gibt deshalb auch für den Verkehrssektor bis 2030 eine Treibhausgaseinsparung von 42 bis 40 Prozent als Ziel vor.
Kraftstoffe der Zukunft
Mit einem Positionspapier zu "Kraftstoffe der Zukunft" haben sich jetzt Experten des Fraunhofer-Instituts für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik (Umsicht) zu Wort gemeldet und darin die Bedeutung von Kraftstoffen für den Verkehrssektor eingeschätzt. Auch sie gehen davon aus, dass wir weiterhin Kraftstoffe mit hoher Energiedichte benötigen, denn für große Verkehrsbereiche – hierzu zählen die Autoren des Positionspapiers zum Beispiel Flugverkehr, Schifffahrt, Arbeitsmaschinen oder (Langstrecken-)Lkw-Verkehr – sei ein batterie-elektrischer Antrieb zum jetzigen Stand schwierig bis unmöglich in der Praxis umzusetzen. Einen Fokus legen die Fraunhofer-Experten auf die Betrachtung regenerativer Alternativen zu fossilen Kraftstoffen, zeigen diese Alternativen auf, benennen die jeweiligen Potenziale und fassen sie die aus ihrer Sicht notwendigen Schritte zusammen, die sie für eine ökologisch, ökonomisch und sozial erfolgreiche Verkehrswende erforderlich halten. Unter anderem weisen sie darauf hin, dass Kohlenwasserstoffgemische, ggf. auch Ethanol, Methanol und methanolstämmige Verbindungen zukünftig eine wichtige Bedeutung als Kraftstoffe oder Kraftstoffzusätze haben werden.
Wettlauf um Oxymethylenether (OME)
Das aktuelle Umsicht-Positionspapier ist auch als ein Anzeichen dafür zu werten, dass Wissenschaft und industrielle Praxis gleichermaßen dringenden Handlungsbedarf erkennen. So werden etwa die Autoren um Herausgeber Wolfgang Maus in ihren Schlussbemerkungen zum Buch Zukünftige Kraftstoffe ausgesprochen deutlich und appellieren an die europäische und deutsche Politik, endlich ausstehende Voraussetzungen für die Verkehrswende zu schaffen. So sei der Wissensstand – zum Beispiel bei dem synthetischen, potenziell CO2-neutralen Diesel-Alternativkraftstoff Oxymethylenether (OME) hinsichtlich Herstellung, Kosten und Applikation in Verbrennungsmotoren – heute so weit gediehen, dass sämtliche ökologisch-ökonomischen Klima-Anforderungen mit diesem Kraftstoff erfüllt werden können. Dieser und andere Forschungserfolge hätten aber noch nicht dazu geführt, "dass die EU als Kommission und Parlament die Anrechnung des CO2-neutralen Kraftstoffe auf den Gesetz- oder Verordnungsweg umgesetzt hätte" (Seite 946). Und weiter: Seit Jahren sei bekannt, "dass ohne Blends aus herkömmlichen und synthetischen CO2-neutralen Kraftstoffen für die Bestandsflotte der Otto- und Dieselfahrzeuge, die sogenannte "Verkehrswende" keineswegs realisiert werden kann! Ebenso fehlen konkrete Pläne zur Sicherstellung einer industriellen Herstellung derartiger Kraftstoffe im Pilot- und Großanlagenmaßstab. Im Gegensatz dazu sind intensive Bemühungen der chinesischen Regierung und der Energiewirtschaft zu verzeichnen, synthetische Kraftstoffherstellung über Patente abzusichern und Großanlagen für die OME-Herstellung zu errichten. Analysen zeigen, dass hierdurch eine bedeutende BIP-Steigerung erreichbar wird."