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23-06-2020 | Biomasse | Schwerpunkt | Article

Flüssige Biobrennstoffe werden auch in Zukunft nötig sein

Author: Frank Urbansky

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Flüssige Brennstoffe aus Biomasse (BtL) sind für Verkehrswende und Wärmemarkt in Zukunft unverzichtbar. Anwendungen in der Logistik oder dezentrale Heizungen lassen sich nicht mit Strom betreiben.

Biomasse ist zwar etwa wegen der Tank-Teller-Diskussion als Energieträger umstritten, jedoch auch unentbehrlich. "BtL-Kraftstoff (Biomass to Liquid, deutsch: Biomasse zu Flüssigkeit) […] bezeichnet Kraftstoffe, die aus Biomasse synthetisiert werden. Hierzu wird in einem ersten Verfahrensschritt mittels Vergasung ein Synthesegas erzeugt […]. Im zweiten Schritt wird hieraus der Treibstoff synthetisiert (Fischer-Tropsch-Verfahren)", gibt Springer Vieweg-Autor Holger Watter in seinem Buchkapitel Biokraftstoffe auf Seite 269 eine Definition. 

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Biokraftstoffe

Für die Synthese von Biokraftstoffen kommen verschiedene Verfahrenswege infrage, nachfolgend soll dazu ein kurzer Überblick gegeben werden (siehe Abb. 9.1).

Die aktuelle Diskussion um die Nachhaltigkeit und mögliche Verdrängungsmechanismen in Bezug auf die Lebensmittelindustrie wird hier ausdrücklich ausgeklammert.

Dabei hat verflüssigte Biomasse, genau wie seine mineralischen Pendants Benzin, Diesel, Kerosin oder Heizöl, einen großen Vorteil: Sehr gute Transportfähigkeit bei hoher Energiedichte. Diese liegt um ein Vielfaches über der batterieelektrischer Antriebe oder Heizungslösungen, aber auch über der von Wasserstoff, wie er etwa in Brennstoffzellen zum Einsatz kommt.

Das wiederum macht flüssige Biokraftstoffe auch für die Zukunft unentbehrlich. Denn Anwendungen in der schweren Logistik, im Schiffsverkehr oder in der Luftfahrt sind nur mit ihnen zu realisieren. Weltweit wird an vielen Lösungen geforscht, eine davon wird schon industriell produziert. Hier eine Übersicht.

Hydrierte Pflanzenöle (HVO)

Hydrierte Pflanzenöle (HVO) versprechen das größte Potenzial. Dabei handelt es sich um den ersten neuen Kraftstoff aus Biomasse (neben Biodiesel und Bioethanol, die aber aus Anbaubiomasse hergestellt werden), der schon im industriellen Maßstab produziert wird. Aktuell kommt auch hier vorrangig Anbaubiomasse zum Einsatz. Allerdings eignet sich das Verfahren auch für Altfette und -öle, Pflanzenreste und sonstigen biogenen Abfall. Derzeit liegen die weltweiten Kapazitäten bei gut 3 Millionen Tonnen im Jahr. Ein Großteil davon wird durch das finnische Unternehmen Neste Oil an mehreren Standorten weltweit produziert. Aber auch Energiekonzerne wie Eni und Total bauen an eigenen Kapazitäten. In den nächsten drei Jahren sollen sich diese verdoppeln. Die HVO-Brennstoffe können problemlos allen bisherigen Kraftsoffen beigemischt oder aber als Reinkraftstoff verbraucht werden. Sie verbrennen deutlich sauberer als solche aus mineralischen Quellen.

Thermo-katalytisches Reforming (TCR)

Das thermo-katalytische Reforming (TCR) ist ein weiteres Verfahren, das in wenigen Jahren im industriellen Maßstab anwendbar ist. Hier wird in einer mehrstufigen Direktpyrolyse aus fester Biomasse ein biogenes Crude erzeugt, das in einem zweiten Schritt zu Mitteldestillaten hydriert wird. Verwendbar sind viele Arten von Biomasse bis hin zu Tiermist. In einer Demo-Anlage in der Oberpfalz, die vom Fraunhofer UMSICHT-Institut gebaut wurde, kommt derzeit vor allem Klärschlamm zum Einsatz. Der wurde bisher meist verbrannt oder auf Felder ausgebracht. Doch dies wird in naher Zukunft aufgrund der politischen Rahmenbedingungen nicht mehr möglich sein. Erst im Herbst letzten Jahres erfolgte der Spatenstich für eine neue Anlage, die in einer Stunde aus 500 Kilogramm Klärschlamm gut 50 Liter Crude erzeugen kann. Als Kopplungsprodukte entstehen ein wasserstoffreiches Gas, das zum Teil für die Energieautarkie des Prozesses eingesetzt wird, zum anderen Biokoks, der zu Teilen der Katalyse dient. Ein wichtiger Pluspunkt: Schon heute können die Treibstoffe aus diesem Verfahren für rund 60 Eurocent je Liter produziert werden. Das sind nur 10 Cent mehr als für mineralisches Benzin oder Diesel fällig wäre.

sunliquid – Kraftstoff aus Stroh

Beim sunliquid-Verfahren des Schweizer Spezialchemieunternehmens Clariant wird aus Stroh mittels Fest-Flüssig-Trennung das feste Lignin vor der Fermentation von der Zuckerlösung separiert. Das Lignin bleibt mit einem Trockensubstanzgehalt von über 60 Prozent erhalten und eignet sich ideal als Energiequelle. Clariant baut gerade in Rumänien eine Anlage, mit der jährlich 50.000 Tonnen Bioethanol aus 250.000 Tonnen Stroh produziert werden. Demo- und Testanlagen liefen bisher erfolgreich.

Kraftstoffe aus Fischer-Tropsch-Synthese

Mehrere Verfahren, so das bioliq am Karlsruher Institut für Technologie (KIT), nutzen die Fischer-Tropsch-Synthese. Dabei wird zuerst feste Biomasse vergast und anschließend dieses Biogas zu flüssigen Kraftstoffen katalysiert. Bisher mangelte es an Effizienz.

Deswegen werden Verfahren, die chemisch und physikalisch einfacher zu handhaben sind, wohl auch immer einen wirtschaftlichen Vorteil haben. "Ziel bei der Pyrolyse ist die Erzeugung eines flüssigen Intermediates (Bio-Öl), das mit etablierten Raffinerie-Verfahren weiterverarbeitet werden kann. Das Entwicklungspotenzial dieses Verfahrens liegt im dezentralen Einsatz zur Erhöhung der Energiedichte und in der Erzeugung von Bio-Öl als "drop-in"-Rohstoff für konventionelle Raffinerien", beschreiben die Springer Vieweg-Autoren Bohumil Kasal, Moritz Leschinsky, Christian Oehr, Gerd Unkelbach und Markus Wolperdinger in ihrem Buchkapitel Das Wertstoff-Prinzip - Nutzung und intelligente Verwertungswege von Holzwerkstoffen, Naturfasern und organischen Reststoffen auf Seite 14 deren Vorteile.

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