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27-02-2025 | Bordnetze | Gastbeitrag | Article

Kommt der Schnittstellen-Standard für die Bordnetzbranche?

Author: Stephan Klauser

4:30 min reading time

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Ein Arbeitskreis des VDMA wird in Kürze die erste Version einer Schnittstellen-Spezifikation für die Bordnetzbranche veröffentlichen. Sie basiert auf dem Industriestandard OPC UA und hat das Potenzial, der Branche endlich zu mehr Automatisierung zu verhelfen. 

Die Produktion von Bordnetzten ist noch nicht durchgängig automatisiert. Ein Grund dafür sind fehlende Standards für die Integration von Maschinen und Software.


Im Gegensatz zu vielen anderen Branchen ist die kabelverarbeitende Industrie bislang nicht durchgängig automatisiert. Das betrifft auch die Herstellung von Bordnetzen. Ohne weitere Automatisierung werden es Bordnetzproduzenten künftig schwer haben, eine kosteneffiziente, robuste und flexible Fertigung zu gewährleisten. Zudem können sie auch nicht auf zuverlässige Art und Weise die Daten erfassen, die sie benötigen, um die wachsenden Ansprüche der OEM an die Qualität und Rückverfolgbarkeit der Bordnetze zu erfüllen. Durch die zunehmende Elektrifizierung der Autos steigt die Bedeutung der Bordnetze und dementsprechend erhöhen sich auch die Erwartungen der Automobilhersteller an die Daten der Zulieferer.

Ein großes Hindernis für die Automatisierung der Bordnetzbranche stellen die proprietären Maschinen-Schnittstellen dar. Jeder Hersteller von kabelverarbeitenden Maschinen definiert seine eigenen Schnittstellen-Spezifikationen, was die Anbindung von Softwaresystemen wie SCADA oder MES erheblich erschwert. Solche Systeme sind aber unerlässlich, um die Maschinen zu steuern, die Fertigung zu optimieren, sie zu überwachen, ihre Qualität zu kontrollieren und sie zu dokumentieren. Um sie in kabelverarbeitende Maschinen zu integrieren, sind derzeit meist noch aufwändige, langwierige und kostenintensive Integrationsprojekte erforderlich.

Ziel: Entwicklung eines Branchenstandards

Ein Arbeitskreis des VDMA (Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau) möchte Abhilfe schaffen. Der Arbeitskreis umfasst neben Herstellern von Maschinen und Software auch Bordnetzunternehmen selbst und hat es sich zum Ziel gesetzt, einen Branchenstandard für die Integration von Maschinen und Softwaresystemen zu entwickeln. 

Als Basis dafür nutzt er die OPC Unified Architecture, kurz OPC UA. Diese Architektur für einen standardisierten Datenaustausch ist plattformübergreifend, das heißt, sie kann auf einer Vielzahl von Plattformen implementiert werden: von eingebetteten Systemen bis hin zu Servern und Cloud-basierten Anwendungen. Dadurch ermöglicht sie eine hohe Interoperabilität zwischen verschiedenen Geräten und Systemen in industriellen Umgebungen. Aus diesem Grund gilt die OPC UA als eine der wichtigsten Technologien für die Vernetzung von Maschinen in der Industrie 4.0. Zahlreiche Organisationen und Fachverbände, darunter auch der VDMA selbst, haben bereits branchenübergreifende und branchenspezifische Spezifikationen erarbeitet. An diesen Vorarbeiten kann der Arbeitskreis bei der Entwicklung seiner Spezifikation für die Bordnetzbranche anknüpfen.

Die Veröffentlichung einer ersten Version steht kurz bevor 

Nach über zwei Jahren intensiver Arbeit hat der Arbeitskreis eine erste Spezifikation erstellt. Der so genannte "Release Candidate" wurde Ende November 2024 veröffentlicht. Er kann von der Öffentlichkeit eingesehen werden und bietet ihr die Möglichkeit, Verbesserungen vorzuschlagen. Für Ende Februar 2025 ist dann die Veröffentlichung der offiziellen ersten Version der "Wire Harness Manufacturing Specification" geplant.

Diese erste Version wird unter anderem Standards für die Spezifikation von Maschinen enthalten. Dazu zählt beispielsweise eine digitale "Name Plate", also ein Modell, das wichtige Informationen über die Maschinen aufweist und für die elektronische Kommunikation und Integration bereitstellt. Das Modell enthält unter anderem Angaben zur Maschinenidentifikation, Betriebsparameter, Daten zur Wartung und Instandhaltung, Informationen zu Zertifizierungen und Normen oder Firmware- und Softwareversionen. Für diese digitale Name Plate griff der Arbeitskreis auf bereits bestehende Spezifikationen wie etwa die "Machinery Basic Building Blocks" zurück.

Einen weiteren Schwerpunkt bildet das Job-Management für wichtige Herstellungsprozesse wie das Schneiden von Kabeln, das Abisolieren, das Crimpen oder das Anbringen von Seals. Die erste Version wird Definitionen für die Verwaltung und Koordination der entsprechenden Produktionsaufträge enthalten, damit die Maschinen diese Aufträge effizient, termingerecht und gemäß der Qualitätsanforderungen ausführen können. Dafür griff der Arbeitskreis auf die bestehende Spezifikation "Machinery Job Management" zurück, die ihrerseits wieder auf anderen bereits vorhandenen Spezifikationen basiert.

In ihren nächsten Versionen wird die Spezifikation dann unter anderem um Definitionen weiterer Prozesse wie das Bedrucken der Kabel oder Qualitätstests erweitert. Nach und nach wird sie mit allem ausgestattet, was erforderlich ist, damit Softwaresysteme wie SCADA und MES den Maschinen alle nötigen Daten zur Verarbeitung übermitteln können und alle Informationen von den Maschinen erhalten, um die Produktion überwachen und dokumentieren zu können.

Die Spezifikation muss sich erst etablieren

Die OPC-UA-Spezifikation des VDMA-Arbeitskreises kann einen wichtigen Beitrag zu mehr Automatisierung bei Bordnetzherstellern leisten. Natürlich wird die Branche nicht mit dem Erscheinen der ersten Version über Nacht zu einer vollautomatisierten Branche werden, zumal dafür auch noch weitere Faktoren wie etwa automationsfähige Designs der Bordnetze erforderlich sind. Die Spezifikation muss sich erst etablieren, um auch wirklich zu einem Standard zu werden. Erste Maschinen- und Softwarehersteller werden damit beginnen, die Spezifikation in ihren Systemen zu implementieren, und weitere werden hoffentlich folgen. Dann kann sie einen echten Mehrwert bringen.

Bordnetzproduzenten können vom OPC-UA-Standard aber nicht nur bei der Kommunikation zwischen Softwaresystemen und Maschinen, sondern auch bei der Maschine-zu-Maschine-Kommunikation profitieren, die eine Schlüsselfähigkeit für die Automatisierung mit Verbundmaschinen darstellt. Bordnetzhersteller nutzen oft spezialisierte Maschinen für einzelne aufeinanderfolgende Arbeitsschritte wie Schneiden, Crimpen und Abisolieren von Kabeln. Bis dato müssen die Kabel dazu manuell von einer Maschine zur anderen transportiert und dort eingelegt werden. Maschine-zu-Maschine-Kommunikation ermöglicht es dagegen, dass sich die Maschinen untereinander austauschen und so der jeweils nächste Schritt automatisiert auf den vorausgegangenen erfolgen kann. Das gibt Bordnetzherstellern die Möglichkeit, für alle Einzelaufgaben die am besten geeignete Maschinen auszuwählen und sie im Verbund genauso automatisiert zu nutzen, wie eine Komplettmaschine.

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