Deutsche Unternehmen geraten zusehends unter Druck. Technologiesprünge und rasante Innovationszyklen sind die Früchte des digitale Wandels. Dieser schreitet flott voran und stellt die Zukunftsfähigkeit von Organisationen auf die Probe. Wer sich der Digitalisierung bislang nur zögerlich bis gar nicht gestellt hat, fühlt sich nun unter Zugzwang. Hinzu kommen politische Risikotreiber wie die unstete Konjunkturentwicklung Chinas, die europäische Schuldenkrise und die Spaltung Europas in der Flüchtlingsfrage. Veränderungsprozesse gewinnen unter dem Einfluss all dieser Faktoren an Dringlichkeit, doch gleichzeitig wird der Turnaround immer komplizierter.
Restrukturierungsbedarf steigt an
Davon besonders besonders betroffen sind die Energiewirtschaft, die Automobilbranche und die Konsumgüterindustrie. Das ergibt die Restrukturierungsstudie 2016, für die die Unternehmensberatung Roland Berger mehr als 1.000 Restrukturierungsexperten befragt hat. Von ihnen erwarten 67 Prozent eine steigende Anzahl an Restrukturierungsfällen. Dass der Anpassungsprozess zunhemend komplexer wird, meinen 62 Prozent. Als Haupttreiber für den industrieübergreifenden Veränderungsbedarf führen die Experten an erster Stelle die Digitalisierung und eine durch disruptive Innovationen erhöhte Wettbewerbsintensität (34 Prozent) an. Es folgen die hohe Marktkonzentration und Konsolidierungsdruck (25 Prozent), mit dem sich vor allem die Branchen der "old economy" konfrontiert sehen sowie Turbulenzen an den Rohstoffmärkten (12 Prozent). Doch wie lässt sich der Turnaround meistern?
"Die Digitalisierung von Geschäftsmodellen muss auch in der Restrukturierungspraxis in den Mittelpunkt gestellt werden", lautet die Empfehlung der Studie. Nachhaltige Restrukturierungskonzepte seien ohne Beachtung des digitalen Wandels kaum denkbar, dafür aber gehöre das gesamte Geschäftsmodell überprüft. Erfolgskritisch sind für 39 Prozent der Studienteilnehmer strategische, nicht operative oder finanzielle Restrukturierungsmaßnahmen. Eine Sanierung mit rein finanzwirtschaftliche Fokus begünstige dagegen den Boomerang-Effekt, so die Befürchtung.
Der Wandel ist die neue Norm
Unternehmen die erfolgreich und stabil im Markt positioniert bleiben und maximal vom digitalen Wandeln profitieren wollen, müssen die permanente Veränderung als neue Normalität akzeptieren und ihre Strategie, Struktur und Kultur konsequent daran ausrichten, so formuliert Springer-Autorin Leila Summa einen ihrer "(Un)bequemen Denkimpulse für Veränderungen zugunsten einer digitalen Welt". Allerdings vermutet sie auch, dass die digitale Transformation häufig nur vollzogen wird, weil sie als trendiges "must-have" missverstanden wird, oder weil das Unternehmen auf dem Markt unter Druck geraten ist. So werde die digitale Transformation zum Selbstzweck: "Man transformiert quasi um des Transformierens willen und ohne eine genaue Vorstellung davon zu haben, weshalb man dies tut."
Das Unmögliche als Zukunftsszenario erfassen und Out-of-the-box-Denken, sind für Springer-Autor Volker Brühl Vorraussetzung für eine "Unternehmensführung in Zeiten schneller Veränderungen". Wie wirken sich disruptive Technologien zukünftig auf das Geschäftsmodell aus und in welcher Form könnten sie dessen Tragfähigkeit gefährden, sind die dabei leitenden Fragen. Unternehmen werden durch sie angehalten antizipatorisch zu denken und ihre Geschäftsmodelle zu flexibilisieren. "Denn Unternehmen müssen vermehrt mit disruptiven Veränderungen oder makroökonomischen Krisen umgehen können."
Die vier Elemente zur Flexibilisierung des Geschäftsmodells sind:
- Strategische Flexibilität: Technologieportfolio, IT-Portfolio, Ressourcenzugang
- Operative Flexibilität: Verbalisierung Fixkosten, Diversifiziertes Kunden- und Produktfortfolio, Diverzifizierte Lieferantenbasis
- Finanzielle Flexibilität: Eigenkapitalbasis, Laufzeiten-Mix, Working-Capital-Management
- Strukturelle Flexibilität: Outsourcing, Wertschöpfungsnetzwerke, "Atmende" Aufbauorganisation