Mitarbeiter in deutschen Unternehmen glauben weder an die Integrität ihrer Arbeitgeber, noch an die Ehrlichkeit der Kollegen. Compliance-Schulungen wirken dem nur bedingt entgegen.
In einer Arbeitswelt im Wandel brauchen Mitarbeiter mehr denn je, moralische Richtlinien zur Orientierung.
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Überwiegend misstrauisch, so lässt sich die Stimmung beschreiben, die der Gallup-Umfrage "The Real Furture of Work - Die Arbeitswelt von Morgen" derzeit in deutschen Unternehmen herrscht. Gute Gründe dafür hat die Automobilbranche mit ihrem Verhalten in der Dieselaffäre geliefert. Daneben: Preisabsprachen, Korruption, Bestechung, Datenmissbrauch, Greenwashing. Nicht nur die Gesellschaft wittert allerorten verstärkt wirtschaftskriminelle Umtriebe sowie Verstöße gegen moralische und ethische Erwartungen - im aktuellen Korruptionswahrnehmungsindex (CPI) von Transparency International, hat Deutschland im Jahr 2018 einen Punkt verloren. Auch innerbetrieblich herrscht laut Gallup ein Klima, in dem nur jeder Dritte Beschäftige (37 Prozent) in Deutschland seinen Arbeitgeber für integer genug hält, um Kunden weder zu belügen, noch ihnen wichtige Informationen zu verschweigen.
Business Ethics geben Sicherheit
Für die Ethikstudie wurden 1.000 Mitarbeiter in Deutschland, Großbritannien, Frankreich und Spanien befragt. Deutsche Beschäftigte empfinden ähnlich wie ihre Kollegen in den drei anderen Ländern, dass im Unternehmensalltag die Grenzen der Business Ethics, flexibel gehandhabt und auch überschritten werden. In einer Arbeitswelt, die zunehmend schneller und komplexer wird, in der eingehaltene Standards und Richtlinien Sicherheit vermitteln, ist das ein fatales Signal.
Die Teilergebnisse für Deutschland zeigen aber, nur 22 Prozent der Befragten halten ihr Unternehmen nicht für egoistisch und vom Profit getrieben. Und lediglich 17 Prozent trauen den Kollegen zu, im Kundeninteresse zu handeln. Nur wer sich mit Vorgesetzten regelmäßig über Fragen zu Ethik und Moral austauscht, ist eher bereit zu glauben, dass Chefs ihre Kunden niemals anlügen würden (43 Prozent in Deutschland; 49 Prozent im Vier-Länder-Vergleich). Die "dialogischen Klärung" von unternehmensethischen Fragen öffnet Organisationen auch nach Meinung von Springer-Autorin Lisa Schöttl "Reflexions- und Argumentationsfreiräume" (Seite 137). Diese befähigen Mitarbeiter dazu, moralische Konfliktfälle autonom zu lösen und veranlassen Unternehmen, ihre Bedeutung in der Gesellschaft zu reflektieren.
Compliance straft - Integrity fördert
Warum Ansätze zur Förderung von Integrität sich konzeptionell von der Compliance eines Unternehmens absetzen, erklärt die Autorin so: "Während Compliance nur indirekt die Erfüllung moralischer Normen zum Gegenstand hat, geht es bei Integrität ausdrücklich auch um ein Streben nach moralischem Handeln" (Seite 95). Compliance verstanden als Regeleinhaltung, erhebt also gar nicht erst den Anspruch die Unternehmensethik abzudecken und hat auch nicht die moralische Vorstellungskraft dazu. Ihr Ziel sei die Abschreckung regelwidrigen Verhaltens und nicht zwangsläufig und ausschließlich bringe sie gesetzeskonforme Handlungen hervor. Die Förderung erwünschten Verhaltens dagegen ist nicht das Ziel von Compliance.
Compliance | Integrity |
Eindeutigkeit/Verbindlichkeit | Kontextsensitivität |
Sanktionierung | Motivation/Glaubwürdigkeit |
Kontrolle/Überwachung | Individuelle Verantwortung |
Pflicht | Legitimation |
(Darstellung nach Schöttl, Seite 177)
Von Compliance wenig inspiriert
Die Ergebnisse der Gallup-Studie bestätigen, Mitarbeiter, die an Compliance-Schulungen teilgenommen haben, sind genauso wenig von der Redlichkeit ihres Unternehmens überzeugt (35 Prozent), wie ihre Kollegen ohne Compliance-Schulungen (33 Prozent). In den USA zum Thema nachgefragt, gaben den Meinungsforschern nur 11 Prozent an, von Compliance-Schulungen inspiriert worden zu sein. Integrity wirkt deshalb besser als Compliance, weil Mitarbeiter dazu animiert werden, Werte und Prinzipien mitzuentwickeln. Integrity setzt auf Orientierung an diesen Werten durch Eigenmotivation und Autonomie.