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07-11-2018 | Compliance | Interview | Article

"Integrität beschert auch wirtschaftlichen Erfolg"

Author: Thorsten Garber

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Den Kampf gegen Korruption führt Transparency Deutschland jetzt seit 25 Jahren. Über Fortschritte, andauernde kriminelle Energie und Vorteile durch Compliance spricht Vorstand Otto Geiß im Interview.


Springer Professional: Herr Geiß, die Universität Hohenheim hat jüngst bundesweit Unternehmen zu den mehr als 100 Awards für Nachhaltigkeit befragt. Die Studie ergab: Die Befragten sehen große Hemmnisse darin sich zu beteiligen, weil kaum glaubwürdige Wettbewerbe zu finden sind. Warum prüfen Ausschreibungen unglaubwürdig, was Wirtschaft hier bietet?

Otto Geiß: (lacht) Oh, dazu habe ich wirklich keinen ausreichenden Überblick über die Awards der Nachhaltigkeitspreis-Industrie. Vielleicht erklärt sich das Überangebot an unglaubwürdigen Auszeichnungen dadurch, dass sich Unternehmen gerne, aber auch schön leicht als Vorbild durch Medienberichte schmücken lassen wollen. Ich finde allerdings, dass bei zu vielen Awards in der Bewertung von Nachhaltigkeit zu oft das Soziale hintenüber fällt und das Ökologische überbetont wird. Die Kritik der befragten Unternehmen scheint mir also nicht ganz unberechtigt, insbesondere wenn man beobachtet, dass immer nur Bewerber ganz bestimmte Branchen ausgewählt werden. Das wirkt dann alles sehr nach reinem Marketing.       

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Immerhin zeigt die Untersuchung auch, dass Unternehmen wissen, wie wichtig es ist,  gegenüber Öffentlichkeit, Kunden und Geschäftspartnern mehr "Glaubwürdigkeit und Transparenz des eigenen Engagements zu unterstreichen", wie die Studienautoren feststellen. Spiegelt dieses Bewusstsein über die positive Wirkung wider, was deutsche Wirtschaft tatsächlich an Engagement leistet?

Zumindest hat sich Nachhaltigkeit in unseren Unternehmen in den vergangenen 25 bis 30 Jahren als wichtiges Thema etabliert. Dazu haben Non-Profit-Organisationen (NGO), Öffentlichkeit, Verbraucher und Medien auch viel Druck aufgebaut. Heute wirbt doch jeder Discounter im wöchentlichen Werbeprospekt auch auf mehreren Seiten für seine Bio-Produkte. Glaubwürdigkeit und Transparenz sorgen für Nachvollziehbarkeit und Nachprüfbarkeit von Nachhaltigkeit. Sie verhelfen einer Marke zum guten Ruf, der aber auch schnell wieder zerstört ist, wenn mit der Unwahrheit gearbeitet wird. 

Einen guten Ruf genießen deutsche Unternehmen angeblich schon im Ausland wegen ihrer Korrektheit und Ehrlichkeit. Heben sich unsere Unternehmen im internationalen Vergleich tatsächlich positiv ab?

Tja, zu deutschen Eigenschaften gehört nun mal auch eine starke Bürokratisierung, die eine gewisse Korrektheit mit sich bringt. Transparency ist hierzulande jetzt schon seit 25 Jahren im Kampf gegen Korruption aktiv. In unserem Land war die Korruption im Ausland bis 1999 erlaubt und Ausgaben dafür steuerlich absetzbar Vielleicht sehen nur wir deutsche Unternehmen in Korrektheit und Ehrlichkeit weltweit besser als sie sind. Die Wirtschaft in anderen Ländern wie in Skandinavien ist zum Teil besser, zumindest stehen sie in unserem Ranking zur Korruption vor uns.   

Sie arbeiten auch im Deutschen Netzwerk Wirtschaftsethik mit. Wie überzeugen Sie Unternehmer vom Nutzen, dass Ethik beim Geschäftemachen hilft?

Integrität, die in der Unternehmenskultur verankert ist, beschert auch wirtschaftlichen Erfolg. Davon bin ich tief überzeugt. Die Unternehmen vieler Industriezweige überzeugen doch schon ausschließlich durch Leistung. Gerade bei neuen Aufträgen zahlt korrektes Verhalten sich langfristig aus, weil man von Anfang an als fairer Partner anerkannt ist. Mittelständler, die sich dagegen nicht an Recht und Gesetz halten, erleiden ganz sicher dadurch Nachteile, zumindest perspektivisch. Ihnen geht ein Wettbewerbsvorteil verloren, den große Unternehmen durch ihren Compliance-Einsatz schon haben. Sie mögen kurzfristig ein Geschäft verlieren, langfristig werden sie gewinnen.  

Bestechungsgelder erhöhen letztlich Preise. Kunden könnten deshalb Interesse an Korruptionsbekämpfung haben. Liegen belastbare Fakten zu Schäden vor?

Leider liegen keine verlässlichen Zahlen vor, denn hier handelt es sich um einen großen Graubereich. Aber klar sollte Kunden aufbegehren, denn Korruptionsgelder fließen in der Regel in die Preise ein. Geschädigte sind letztlich Konsumenten und Auftraggeber. 

Gleichwohl sieht man Mittelständler oft nur mit den Augen rollen wegen der Flut von Regeln, die sie auch in Compliance beachten und umsetzen müssen. Können Sie diese genervte Überforderung verstehen?

Das kann ich verstehen und nachvollziehen. Aber nirgends ist auch so detailliert geregelt, wie Compliance ausgestaltet sein sollte. Andererseits hat jeder Mittelständler die Chance, angepasst an seine individuelle Lage entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Stephan Grüninger, Professor an der Universität Konstanz, hat Instrumente mit Augenmaß für jede Unternehmensgröße im Mittelstand entwickelt. Inhaber und Manager müssen sich also nur auf den Hosenboden setzen und Compliance im Unternehmen ausrufen und umsetzen. 

Für verschiedene Unternehmen gibt es ein unterschiedliches Maß an Compliance?

So möchte ich das nicht verstanden wissen, aber natürlich macht es einen Unterschied, ob ich Schrauben auf der Schwäbischen Alb verkaufe oder Hightech in Schwarzafrika. Die Einfachheit im Ansatz erkläre ich immer gerne anhand der zehn Gebote, die auch überschaubar sind. Entscheidend war doch dabei, dass Moses vom Berg hinabgestiegen ist und die zehn Gebote den Menschen erklärt hat. Das ist in der Compliance genauso – die Verantwortlichen müssen Regeln für ihr Unternehmen entwickeln, sie erklären und nachhaltig nachverfolgen.   

Gehört dennoch der Dschungel aus Vorschriften gestutzt?

Ja, denn Mittelständler quält vor allem die Dokumentation. Auch sie müssen alles aufschreiben, um hinterher nachzuweisen, was sie zur Verhinderung von Verstößen getan haben. Ich erachte auch hier für kleinere Unternehmen eine Dokumentation mit Augenmaß für angebracht. Juristen gestalten das oft zu aufwändig. 

Für Konzerne sehen Sie das also anders?

Der erste große Schmiergeldskandal kam hierzulande im Jahr 2006 über Siemens ans Tageslicht. Heute hat der Konzern mit 380.000 Mitarbeitern trotzdem unter den 600 Beschäftigten für Compliance nur fünf Prozent an Juristen. Das zeigt: Professionelle Compliance benötigt Betriebswirte, die sich mit Geschäftsmodellen auskennen, Kommunikatoren für die Mitarbeiterinformation und Leute für Human Ressource, die schon bei Einstellungen auf entsprechende Soft Skills achten. Ich hatte als Compliance-Verantwortlicher bei der Fraport AG auch einen katholischen Theologen in meinem Team beschäftigt, der wie ein Wanderprediger im Namen der guten Sache im Unternehmen unterwegs war. 

Welche Branchen fallen negativ auf, und welche schon sehr positiv?

Negativ stechen heraus der Bau und Anlagenbau, das Militär und neuerdings Finance. Positiv ist die Entwicklung, an der ich persönlich beteiligt war, dass die Mitgliedsunternehmen des jüngst geschlossenen Bündnisses für nachhaltige Textilien jetzt erstmals neben der Umsetzung und Verbesserung von sozialen und ökologischen Zielen in ihren Lieferketten, auch über ihre Aktivitäten in Sachen Korruptionsprävention berichten müssen. Nach dem großen Schmiergeldskandal hat Siemens enorme Anstrengungen unternommen, bessere Prozesse auf den Weg zu bringen, was in einer Organisation der Größe nicht von heute auf morgen fruchtet. Andere Firmen versuchen ein "Level Playing Field" für faire Geschäfte anzulegen, um bei Ausschreibungen gleiche Voraussetzungen zu schaffen. 

Korruptionsrisiken seien in Unternehmen nur entlang der gesamten Wertschöpfungs- und Lieferketten im Blick zu behalten, konstatiert Ihre Organisation. Warum soll dabei ausgerechnet ein zivilgesellschaftliches Bündnis helfen?

Der ehemalige Direktor der Weltbank, Peter Eigen, hat vor 25 Jahren die internationale Anti-Korruptionsorganisation Transparency International gegründet, weil er erkannt hatte, dass Korruption das größte Hemmnis für den Erfolg entwicklungspolitischer Arbeit darstellt. Die finanzielle Hilfe kam durch Korruption schlicht nicht dort an, wo sie Regionen in der Welt unterstützen sollte. Korruption, so die Idee von ihm und seinen Mitgründern, kann nicht von oben herab bekämpft werden, sondern muss aus den Gesellschaften heraus angegangen werden, die sie betrifft. In der Wirtschaft allein wäre die Bereitschaft viel zu gering, dafür bedarf es diverser gesellschaftlicher Gruppen. Nur so ist der wirksame Veränderungsprozess herbeizuführen. Mit dem Land der prinzipientreuen Deutschen hat man anfangs Bestechung und Bestechlichkeit gar nicht in Verbindung gebracht, bis Transparency hierzulande 1999 endlich erreicht hat, dass  die Bestechung im Ausland unter Strafe gestellt wurde. Für eine nachhaltige Wirkung benötigen Non-Profit-Organisationen auch eine kritische Masse, um kritisch und unabhängig vorgehen zu können.

Mehr Antworten von Transparency-Vorstand Otto Geiß lesen Sie in Ausgabe 05/18 von "return – Magazin für Transformation und Turnaround".

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