Wie nachhaltig ist ein Unternehmen? Das soll für Verbraucher und Investoren besser erkennbar sein. Richtlinien nehmen Unternehmen bei der CSR-Kommunikation stärker in die Pflicht. Statt mit mehr Transparenz reagieren manche aber mit Greenhushing.
Die Zeiten, in denen Unternehmen ihren Produkten ungehindert ein grünes Image verleihen oder die eigenen Nachhaltigkeitsbemühungen über den Klee loben konnten, sind vorbei. Die Green-Claims-Richtlinie oder die ESG-Berichtspflicht (Environmental, Social, Governance) setzen Schönfärberei und Übertreibungen rund um grüne Firmenaktivitäten, kurz Greenwashing, inzwischen klare Grenzen. Aus Furcht vor wütenden Verbrauchern oder Compliance-Verstößen, ziehen sich daher immer mehr Unternehmen in das eigene Schneckenhaus zurück und behalten ihre Nachhaltigkeitsbemühungen lieber für sich. Dieses Vorgehen heißt Greenhushing.
Greenhushing als Schutz vor Shitstorms
Die Experten Frauke Stockmann und Naima Wisniewski erklären das Phänomen in "Von der Nische in die Mitte der Gesellschaft: Nachhaltigkeit in den sozialen Milieus" wie folgt:
"Nicht jedes Unternehmen, das sich Nachhaltigkeit auf die Fahne schreibt, agiert in der Realität auch nachhaltig. Das hat in letzter Zeit häufig zu einem Greenwashing-Shitstorm geführt, da Verbraucher über kurz oder lang merken, wenn sie hintergangen werden. Einige Unternehmen betreiben seitdem ein sogenanntes Greenhushing, sie behalten ihr nachhaltiges Engagement für sich, um keine Angriffsfläche für Greenwashing-Proteste zu bieten. Trotz allem wissen die Unternehmen, dass eine Entwicklung in Richtung Nachhaltigkeit notwendig ist."
Risiken unterlassener Nachhaltigkeitskommunikation
Doch das bewusste Weglassen von gesetzlich geforderten Informationen ist ein riskantes Unterfangen, warnt Jordan Famularo, der im International "Journal of Corporate Social Responsibility", Ausgabe 1/2023 über seine Studie zum Thema berichtet. In dem als Open Access erschienenem Beitrag mit dem Titel "Corporate social responsibility communication in the ICT sector: digital issues, greenwashing, and materiality" wird die gezielte Unterberichterstattung über Nachhaltigkeits- oder ESG-Initiativen als Überlebensstrategie mancher Unternehmen angesehen. Diese wollen sich damit vor dem Urteil durch Medien, Aktivisten, Journalisten, Akademiker oder schützen. Das Vorgehen ist demnach zwar bislang kaum empirisch untersucht, die möglichen Folgen dieser Praxis aber wohl nicht zu unterschätzen, so die einhellige Meinung der Forschung.
Über ESG verständlich berichten
Manager, die besorgt sind, dass Aufsichtsbehörden und Gesetzgeber gegen ihre ESG-Kommunikation vorgehen, sollten besser einen kritischen Blick auf die Governance von Berichterstattungspraktiken werfen, die in Zukunft als irreführend wahrgenommen werden könnten, so die Empfehlung von Jordan Famularo.
Gleichzeitig bedürfe es einer verständlichen, kundenorientierten Kommunikation, die controlling-spezifische Zahlen und Daten so übersetzt, dass sie einfach erschlossen werden können, ohne dabei ins Greenwashing abzudriften. "Die Darstellung von Wesentlichkeitsbewertungen in CSR-Berichten sollte faire und genaue Beschreibungen enthalten, die keine mathematische Sprache verwenden, es sei denn, sie werden durch die zugrunde liegenden Daten untermauert."
Expertin Nuvia Maslo rät im Interview mit springerprofessional.de zudem, nicht den Fokus auf Maßnahmen mit viel Bildkraft zu legen, die aber nur wenig Einfluss auf die Geschäftstätigkeit haben, wie etwa das Ansiedeln von Bienenvölkern auf dem Produktionsgelände. Stattdessen gehe es darum, über die großen Meilensteine ehrlich und transparent zu sprechen. So gelinge es am besten, das grüne Schweigen zu brechen.