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1984 | Book

Das Experiment in der Physik

Ausgewählte Beispiele aus der Geschichte

Authors: Fritz Fraunberger, Jürgen Teichmann

Publisher: Vieweg+Teubner Verlag

Book Series : Facetten der Physik

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About this book

Von Experimenten und vom Experimentieren wird heutzutage in vielerlei Hinsicht geredet, wenn man nicht Versuche und Versuchen sagen will. Es gibt Versuchsanstalten hier und dort, experimentiert wird in der Musik und Malerei, bei Film und Theater, im Schulwesen. In all diesen Beispielen geht es um Fragen, die das Leben stellt. Große Zeichner und Maler der Renaissance und des Barock haben phantasie­ volle Einblicke in die Arbeitsräume von Alchemisten hinterlassen, die dem Betrachter suggerieren können, hier seien die wahren Brutstätten der Experi­ mentierkunst. In Wirklichkeit ging es dort um die Suche nach dem Stein der Weisen, um die Umwandlung unedler Metalle in Gold. Eine ganz andere Art des Experimentierens entsprang dem puren Drang nach Erkenntnis, nennen wir ihn den faustischen, oder sagen wir nüchterner: zweckfreie Forschung. In der Antike wurde die Notwendigkeit von Experi­ menten als Stütze und Kontrolle des reinen Denkens sporadisch erwähnt, etwa bei Plato. Sein Schüler Aristoteles hatte noch nichts dafür übrig. Er räumte dem Verstand absoluten Vorrang ein. Er leugnete die Existenz, ja sogar die Möglichkeit leerer Räume, Vakua, und seine Autorität ließ seine Anhänger fast zwei Jahrtausende für wahr halten, daß Körper um so schneller fallen, je schwerer sie sind, daß ein Stein vom hundertfachen Gewicht einer Münze hundertmal schneller am Boden ankomme, als die aus gleicher Höhe fallende Münze - drastisch ausgedrückt.

Table of Contents

Frontmatter
Einleitung: Die Physik und das Experiment
Zusammenfassung
Die Beziehung von Physik und Experiment wäre einer eingehenden Erörterung wert, doch können hier nur kurz die Absichten dieses Buches erläutert werden. Die wichtigste lautet: Durch den Zugang zu verschiedenen Fällen in der Geschichte soll sich der Leser eine eigene Definition des Experimentes bilden oder besser: seine bisherige Definition ergänzen können. In der Tat ist wohl nur die Ergänzung schon gewonnenen oder wenigstens angeregten Wissens möglich, denn zu beschränkt muß notwendig die Auswahl der historischen Fälle bleiben, um alle wichtigsten Facetten gleichberechtigt vorführen zu können. Es wurde weder eine gleichmäßige Verteilung über die Fachgebiete, über die historische Entwicklung, noch über die verschiedenen Experimententypen angestrebt. Hier spielte natürlich auch die engere Fachkompetenz der Autoren eine Rolle. Ein Anliegen war es, auch Leser anzusprechen, die nicht Physik in ihrem Studium betrieben haben, seien es solche aus der Technik oder auch aus den sogenannten Geisteswissenschaften, die sich für grundlegende Fragen des Zusammenhangs Kultur/Naturwissenschaft anhand konkreter Fälle interessieren. So wurden mitunter Beziehungen zur Meßtechnik oder zu direkten technischen Problemen ausführlich beschrieben, bzw. Artikel mit stark kulturellen Bezügen eingefügt.
J. Teichmann
Das Experiment in der Antike
Zusammenfassung
Betrachtungen und Beispicle zur Entwicklung des Experiments erfordern einen wenn auch nur flüchtigen Blick auf die Anfänge der Naturwissenschaften überhaupt. Das alte China und mit Vorbehalt Indien sollen aber nur beim Namen genannt werden, zumal direkte Beziehungen zur Entwicklung im Abendland kaum eine Rolle spielen. Hier genügt es, von Mesopotamien und Ägypten, den großen Flußkulturen an Euphrat, Tigris und Nil, auszugehen. Man weiß vom Sternenkult der Babylonier, begründet auf dem Glauben, daß der Mensch den Willen der Götter zu erfüllen habe, den er aus den Vorgängen am Himmel ablesen könne. Begünstigt durch weitgehend wolkenlose Witterung, brachten sie es zu erstaunenswerten Leistungen. Sie kannten fünf Sterne als Wandelsterne. Im Vordergrund ihres Interesses stand der Mond; sie hatten Tabellen, nach denen sich Mondfinsternisse berechnen ließen. Sonne und Mond und die fünf Planeten ergaben die heilige Zahl sieben. Ihr Zahlensystem beruhte auf der Zahl 60, 60 hat mehr ganzzahlige Teiler als 100! Sie teilten den Kreis in 360 Grade, die Zeiteinteilung des Tages in 2 • 12 Stunden, die Stunde in 60 Minuten und die Minute in 60 Sekunden. Ein senkrechter Stab bildete eine Sonnenuhr; da sie auch die Änderung der Schattenlänge mit den Jahreszeiten kannten, bevorzugten sie Schattenrichtung und Schattenlänge zur Zeitansage. Sie kannten auch die zweiarmige Waage. Es sind Gewichte gefunden worden mit Gewichtsangaben, sogar Eichstempel.
F. Fraunberger
Die okkulte Kraft des Magneten
Zusammenfassung
„Experimentum solum certificat“ — dieses Wort des Dominikaners Albertus Magnus, des Doctor universalis, beweist, daß man in den Klöstern des Hohen Mittelalters neben dem Studium der Literatur der Antike auch die eigene Erfahrung schätzen gelernt hatte. Für die Franziskaner der Oxforder Schule gait das Studium der Natur als „Aιιfdecken der Spuren Gottes in der Schöfung“, als eine andere Art der Offenbarung. Und da Gott sein Werk mit der Erschaffung des Lichts begann, erhoffte man sich von der Erforschung desselben besonderen Gewinn. Bedeutendster Vertreter dieses Vorhabens war Roger Bacon (ca. 1214–1294). Von ihm stammt der Satz: „Ohne Erfahrung kein wirkliches Wissen“, Wort und Begriff „Scientia experimentalis“, und er erklärte die Mathematik als die Grundlage aller Wissenschaft. Bacon gilt als Erfinder der Camera obscura, er untersuchte die Vergrößerung von Linsen, dachte bereits an die Möglichkeit von Fernrohren, und da zu seiner Zeit die Brillen aufkamen, war es naheliegend, auch diese Errungenschaft ihm zuzuschreiben. Von Erkenntnissen und Entdeckungen, die für die Zukunft der Naturwissenschaften von Einfluß waren, läßt sich nichts berichten.
F. Fraunberger
Der freie Fall
Zusammenfassung
Freier Fall und Wurf von Gegenständen haben schon in der Antike zu grundsätzlichen Beobachtungen und Überlegungen geführt. So teilte Aristoteles den freien Fall als eine Art der „Ortsbewegung“ den natürlichen Bewegungen zu — für die keine Kraft erforderlich war — und schob die Wurfbewegung zu den künstlichen Bewegungen — bei denen ständig eine Kraft zur Aufrechterhaltung erforderlich sein sollte. Das führte jedoch bei einem Wurfgeschoß, zum Beispiel einem Pfeil, bald zu erheblichen gedanklichen Schwierigkeiten. Kraft war dabei proportional dem Gewicht und umgekehrt proportional dem Widerstand des Mediums gedacht. Bei den natürlichen Bewegungen, etwa dem freien Fall, gab es ein Streben des Gegenstandes, zu seinem „natürlichen Ort“ — hier dem Erdmittelpunkt — zurückzugelangen. Dabei war es ziemlich plausibel, auch dieses Streben proportional zum Gewicht anzunehmen (und umgekehrt proportional zum Widerstand des Mediums). Schwere Körper mußten also nach dieser Annahme schneller fallen als weniger schwere. Vom Experimentellen her können hier Beobachtungen beim Fall in zähen Medien, etwa in Wasser oder Öl, qualitative Unterstützung gewähren Doch sind keine systematischen Experimente aus der Antike und dem Mittelalter dazu bekannt. Übrigens war dieses Konzept der relativen Schwere schroff unterschieden von der Einteilung absolut schwer — absolut leicht bei den Elementen. Das absolut leichte Element Feuer stieg immer nach oben, ebenfalls zu seinem „natürlichen Ort“, das absolut schwere Element Erde fiel immer nach unten.
J. Teichmann
Das Brechungsgesetz der Lichtstrahlen
Zusammenfassung
Am Anfang der Schöpfungsgeschichte steht die Erschaffung des Lichts. Auch die ersten Naturgesetze handeln vom Licht. Die Griechen kannten den Sachverhalt von der Gleichheit von Einfalls- und Reflexionswinkel, er war die Grundlage der Katoptrik, der Lehre von den Spiegeln, der ebenen und gekrümmten. Desgleichen wußten Sie natürlich von der scheinbaren Knickung eines ins Wasser gehaltenen Stabes. Daß eine am Boden eines leeren Gefäßes liegende Münze, aus einer gewissen Richtung zur Gefäßwand betrachtet, nicht mehr gesehen werden konnte, aber durch Eingießen von Wasser sichtbar wurde, hat im 1. Jahrhundert v. Chr. erstmals Kleomedes als beliebtes Zauberkunststück beschrieben. Die Gelehrten erkannten den Grund in einer Änderung der Strahlenrichtung bei Übergang von Wasser in Luft oder umgekehrt.
F. Fraunberger
Isaac Newton und die Farben
Zusammenfassung
Zu den eindrucksvollsten Erscheinungen in der Natur gehört der Regenbogen, bei den alten Griechen ein Spiel der Göttin Iris. Ein wißbegieriger Beobachter wird fragen: Weshalb Kreisbogen, gelegentlich auch deren zwei, woher die Farben? Unter Anwendung des Brechungsgesetzes konnte Descartes den Radius des Hauptbogens zu rund 42 Grad im Winkelmaß richtig berechnen. Die von ihm benützte Brechungszahl war natürlich die mittlere für Luft-Wasser. Zu dem Schluß, daß das rote Licht eine andere Brechungszahl haben könnte als das violette, kam der Philosoph allerdings nicht.
F. Fraunberger
Gibt es einen luftleeren Raum?
Zusammenfassung
Die Stadt Regensburg, Standort einer Legion der Römer, jahrhundertelang Herzogstadt der Bajuwaren, seit dem Hohen Mittelalter Stätte der Reichs- und Fürstentage und von 1663–1806 Sitz des immerwährenden Reichstags, war im Jahre 1654 Schauplatz einer Begebenheit, die den Würzburger Professor Caspar Schott schwärmen ließ, „er glaube nicht, daß die Sonne seit Erschaffung der Welt jemals etwas Ähnliches, geschweige Wunderbareres beschienen habe“. Hauptperson war der vierte Bürgermeister von Magdeburg, Otto Gericke (erst von 1663 an Otto von Guericke). Ihm war der Ruf vorausgegangen, mit einem von ihm erfundenen Apparat luftleere Räume herstellen zu können und damit Dinge zu zeigen, daß dem Zuschauer Hören und Sehen vergehe.
F. Fraunberger
Experiment, Allegorie, Spiel und Magie
Zusammenfassung
Das Experiment erhielt im Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts eine Bedeutung, die weit mehr als fachwissenschaftlich war. Es gab ja noch längst keine Fachwissenschaft im modernen Sinn. Jedes wissenschaftliche Ereignis konnte noch allgemein symbolische Bedeutung erhalten, und da die neue naturwissenschaftliche Methode sich gegen die allumfassende Philosophic des Mittelalters wenden mußte, wurde ihr Sieg in der Aufklärung der Sieg einer neuen rationalempirisch bestimmten Philosophic nach dem Vorbilde der neuen Mechanik. Dies wird aus folgenden Worten von David Hume (1711–1776) besonders deutlich:„Überblicken wir, von diesen Prinzipien überzeugt, die Büchereien — welche Verwüstung müßten wir nicht anrichten? Nehmen wir irgendeinen Band, aus der Gottesgelehrtheit oder Schulmetaphysik z.B., in die Hand, so fragen wir: Enthält er irgendeinen abstrakten Schluß über Größe oder Zahl? Nein. Enthält er irgendeinen Erfahrungsschluß über Tatsache und Existenz? Nein. Also ins Feuer damit; denn er kann nichts als Sophisterei und Täuschung enthalten!“
J. Teichmann
Entdeckungen mit dem Thermometer
Zusammenfassung
Man weiß nicht, ob das aus der Antike überlieferte Thermoskop mehr Schaustück war als ein wirklich gebrauchtes Instrument zur objektiven Beurteilung von Kälte oder Wärme im Raum. Es wurde in der Renaissance aus den Schriften Herons bekannt und nachgebaut. Das älteste Instrument ist das Thermoskop des Philon von Byzanz (um 200 v. Chr.), es beruht auf der Ausdehnung bzw. Zusammenziehung der Luft bei veränderlicher Temperatur.
F. Fraunberger
Leidener Flasche und Blitzableiter
Zusammenfassung
Beim Umgang mit Elektrizität, vor allem seit 1700, zeigte sich bald ein Problem, das bis heute aktuell geblieben ist: Die „elektrische Materie“ war schwer für längere Zeit und in größerer Menge festzuhalten. Trotzdem, muß man sagen, reichten die kleinen Fünkchen, die man mit Elektrisiermaschinen erzeugen konnte, aus, Elektrizität in Verwandtschaft mit dem Feuer, vor allem mit dem Blitz zu sehen. Die vorgeführten Effekte in den Salons wurden immer eindrucksvoller. Anfang 1744 führte der königlichpreußische Feldmedicus Christian Friedrich Ludolff der Berliner Akademie der Wissenschaften einen „zündenden“ Versuch vor. Ein Funke aus einem Konduktor brachte eine vorgewärmte Probe Alkohol zum Brennen. Noch mehr Eindruck auf die Welt machte die folgende Abwandlung dieses Experiments: Statt des Konduktors wurde ein Mensch benutzt. Auch er konnte mit einem elektrischen Funken über seinen Körper Alkohol in Flammen setzen (Bild 26). Welch ein Ereignis! Der Mensch, der als eine der ersten technischen Leistungen das Feuer beherrschen gelernt hatte, brachte es nun auch fertig, das gleiche Feuer als völlig ungefährliche Elektrizität zu speichern und sogar durch seinen eigenen Körper zu führen, ohne daß es schadete. Allerdings, ein wenig Schmerzen mußte er bei dieser göttlichen Tätigkeit ertragen. Aber wer war nicht bereit dazu, wenn er dabei an das berühmte Bild Michelangelos „Die Erschaffung Adams“ aus der Sixtinischen Kapelle in Rom erinnert wurde, auf dem Gott über seinen Finger den Lebensfunken springen läßt.
J. Teichmann
Ein elektrisches Experiment mit tödlichem Ausgang
Zusammenfassung
Nachdem auf Vorschlag von Benjamin Franklin 1752 die elektrische Natur des Blitzes nachgewiesen war, blieben die Elektrisierer in ganz Europa darauf erpicht, den Versuch zu wiederholen, ohne sich der Gefährlichkeit bewußt zu sein. Der tragischste Fall war der von Professor Richmann in Petersburg.
F. Fraunberger
Elektrizität und Heilkunst
Zusammenfassung
In einem dem Experiment gewidmeten Buch darf ein Seitenblick auf die Heilkunst nicht fehlen. Allein das weite Feld der Heilkräuter konnte es nicht.
F. Fraunberger
Eine neue Elektrizitätsquelle — von Galvani bis Volta und Ritter
Zusammenfassung
Der Professor der Anatomie in Bologna, Luigi Galvani, machte seit dem Jahre 1780 erstaunliche Entdeckungen, die er allerdings erst 1791 veröffentlichte. Auf den Spuren anderer Physiologen befaßte er sich mit der Erregbarkeit von Nerven und Muskeln sezierter Tiere — vor allem von Fröschen. Zunächst entdeckte er, daß ein Froschmuskel zuckte, wenn an den dazugehörigen Nerv ein Metallmesser gehalten wurde und gleichzeitig ohne unmittelbare Berührung damit bei einer entfernten Elektrisiermaschine ein Funken übersprang (Bild 38). Das war nun nichts eigentlich Neues. Ähnliche Wirkungen des Blitzes waren schon als „Rückschlag“ erklärt worden, d.h. als elektrostatische Influenzwirkung. Modern verstanden handelte es sich jedoch um elektrische Energieübertragung mit Hilfe elektromagnetischer Wellen — hundert Jahre vor Heinrich Hertz 1887! Galvani kannte diese „Rückschlag-Erklärungen“ nicht, oder — sehr viel wahrscheinlicher sie befriedigten ihn nicht. Er glaubte fest an die Hypothese des tierischen Körpers als Speicher von Elektrizität analog zur Leidener Flasche. Hierfür gab es über die elektrische Reizbarkeit des Körpers hinaus Anhaltspunkte, etwa die elektrischen Fische. Galvani untersuchte nun in einem zweiten Schritt, ob auch atmosphärische Elektrizität gleiche Wirkungen zeigte. Er hängte deshalb die präparierten Frösche an langen Drähten im Freien auf (nach seinen Angaben im Frühjahr bis Sommer 1786) (Bild 39). Tatsächlich zeigten sich bei drohenden Gewitterwolken und natürlich bei Blitzen Zuckungen der Froschmuskeln.
J. Teichmann
Experiment und Gesetz: Die Entwicklung der elektrischen Begriffe Ladungsmenge, Spannung Kapazität, Stromstärke, Widerstand und ihre Zusammenhänge bis zum Ohmschen Gesetz
Zusammenfassung
Der erste, der eine klare Trennung zweier Begriffe in der Elektrizitätslehre durchführte, war Henry Cavendish 1771, und zwar schon bei seinen ersten Ansätzen zu einer Theorie der Elektrostatik. Bis dahin allein vorhanden aus dem beherrschenden Modellbild der Mechanik war die „Menge“. Ein Hauptgrund für die Einführung eines zweiten Begriffs (der bei Cavendish zunächst analog zur Dichte, dann zum Druck gesehen wurde) scheint die Beobachtung gewesen zu sein, daß physiologische Erschütterungen durch Entladungen von Leidener Flaschen (Bild 42) (vgl. Kapitel „Leidener Flasche und Blitzableiter“) und von einfachenMetallflächen, die zugleicher Elektroskopanzeige aufgeladen waren, trotzdem sehr verschieden sein konnten: „Die Erschütterung, die die Leidener Flasche erzeugt, scheint nur von der großen Menge des überschüssigen Fluidums, das auf ihrer positiven Seite angesammelt ist, und von dem großen Mangel auf ihrer negativen Seite abzuhängen, so daß ich nicht zweifle, wenn ein so großer Konduktor hergestellt wird, daß er ebenso viel zusätzliches Fluidum durch den gleichen Elektrisierungsgrad, wie die positive Seite der Leidener Flasche, erhalten kann, und wenn er positiv auf den gleichen Grad wie die Flasche elektrisiert wurde, welch ebenso große Erschütterung durch die Verbindung dieses Konduktors mit der Erde entstehen würde, wie durch die der zwei Flächen der Leidener Flasche, vorausgesetzt, beide Verbindungen werden von Kanälen gleicher Länge und gleicher Artgebildet.“
J. Teichmann
Beweise für die tägliche Bewegung der Erde
Zusammenfassung
Hier ist sehr eindrucksvoll ein kontinuierlicher Übergang von der Beobachtung zum Experiment zu erkennen. So begannen die Untersuchungen im 17. Jahrhundert mit einfachen Betrachtungen eines schwingenden Pendels und endeten Anfang des 20. Jahrhunderts mit komplizierten experimentellen Aufbauten, deren Ergebnis allerdings auch nur den Rang einer Beobachtung hatte. Zumindest waren an der endgültigen Beobachtung sehr viele Hilfsexperimente beteiligt.
J. Teichmann
Dreierlei Strahlen der Sonne
Zusammenfassung
Kann Licht in Wärme verwandelt werden, und kommt es auch auf die Farbe an? Sein Talent für überzeugende Demonstrationen bewies Benjamin Franklin nicht nur auf dem Gebiet der Elektrizität. An einem heiteren Wintertag legte er gleich große Tücher verschiedener Farbe auf frisch gefallenen Schnee. In wenigen Stunden war das schwarze so tief eingesunken, daß es die Sonnenstrahlen gar nicht mehr erreichten. Unter dem weißen war kein Schnee geschmolzen, bei den anderen um so mehr, je dunkler ihre Farbe schien. Andererseits wußte man. daß nicht nur die Sonne Wärme verstrahlt, sondern auch die Öfen, eigentlich jeder wärmere Gegenstand, sogar der eigene Körper.
F. Fraunberger
Neue Instrumente — die Thermoelektrizität
Zusammenfassung
Wenn sich Leslie damit getröstet hatte, die Herschelschen Wärmestrahlen „mögen eine Zeitlang gemeine Neugierde befriedigen, aber gewiß bald in Vergessenheit geraten“, so blieb es bei diesem Wunsch. Der Schotte stieß sich besonders an Herschels Behauptung, das Maximum der Wärme liege jenseits des Sichtbaren, was mit seinen eigenen Beobachtungen durchaus im Widerspruch sei. Erst Thomas Seebeck, damals in der Romantikerstadt Jena lebend, Goethes Korrespondent und gelegentlich auch Gesprächspartner in Sachen Physik, kam auf den Verdacht, es könnte an den Prismen liegen, wo das Maximum erscheint. Er füllte ein gläsernes Hohlprisma mit Wasser, dann war das Maximum im Gelb, Auflösung farblosen Salmiaks verschob es ins Orange, schwachbrechendes Kronglas beließ es im Rot, stark brechendes, weil bleihaltiges Flintglas gab eindeutig Herschel recht. Die Lehre daraus: Auch das Werkzeug, wie hier das Prisma, redet mit.
F. Fraunberger
Das Licht als Wellenvorgang
Zusammenfassung
Beim Wort Wellen fallen einem die auf einer Wasserfläche sich bildenden und immer größer werdenden Kreise ein, etwa wenn ein Stein in einen Weiher geworfen wird. Man hat dann den Eindruck, es würde sich Wasser über die Oberfläche vom Zentrum wegbewegen. Ein auf dem Wasser schwimmendes Blatt oder Stückchen Holz zeigt aber, daß nur Auf- und Abbewegungen vorkommen, die auch schnell abklingen und eine Folge der Trägheit sind. Es liegt eine sehr gedämpfte Transversalwelle vor.
Jürgen Teichmann
Fraunhoferlinien
Zusammenfassung
Schon im 18. Jahrhundert gab es Hypothesen und Untersuchungen darüber, ob bestimmte Spektralfarben charakteristische Eigenschaften strahlender Substanzen sein könnten. So beobachtete 1756 T. Melville eine Natriumflamme, aus der ein Lichtbündel durch ein rundes Loch ausgeblendet und durch ein Prisma geschickt wurde. Er sah „alle Sorten von Strahlen [d.h. Farbanteilen] … das Gelb weitaus starker als der ganze Rest zusammen“1, und er stellte dazu die Frage, ob nicht dieser maximale Anteil einer Farbe charakteristisch für einen leuchtenden Körper sein könne. Doch entsprachen solche Fragestellungen nicht der allgemeinen Forschungsrichtung. Ja, noch 1802 erklärte Thomas Young — durch seine Wellenhypothese des Lichtes verführt — die Färbung von Flammen als Interferenzerscheinung analog zu den Farben dünner Blättchen, hier durch Schichtbildung von Substanzen in der Flamme entstanden. Die Interferenzthese tauchte dann bei der Entdeckung der Fraunhoferlinien ab etwa 1814 wieder auf — jetzt als Interferenz am Spalt — und wurde noch 1860 von David Brewster kurz vor Kenntnisnahme der berühmten Kirchoffschen Arbeit zur Spektralanalyse nicht ausgeschlossen. 1802 erschien auch eine Arbeit von William Hyde Wollaston: „Eine Methode, um Brechungs- und Dispersionskräfte durch prismatische [Total-] Reflexion zu untersuchen“. Wollaston brachte darin verschiedene durchsichtige flüssige und feste Substanzen mit ein und demselben Glasprisma in innige Oberflächenberührung und vermied so die Herstellung von eigenen Prismen der zu untersuchenden Medien.
J. Teichmann
Spektralanalyse
Zusammenfassung
Fraunhofers Vorhersage, daß der von ihm eingeschlagene Weg noch zu interessanten Ergebnissen führen werde, bewahrheitete sich erstmals 30 Jahre nach seinem Ableben. Da erschien 1856 in Schottland eine Arbeit des Physikers William Swan, in deutscher Übersetzung in Poggendorffs „Annalen der Physik“, Band 100 (1857) enthalten, einem für die Geschichte der Spektralanalyse in mehrfacher Hinsicht höchst aufschlußreichen Band. Wie nebenbei wird auch der Bunsenbrenner vorgestellt, zwar für einen speziellen Zweck erdacht, aber zu vielseitiger Verwendbarkeit gekommen. In England wurde er schon ein Jahr früher bekannt und von Swan unverzüglich in Anspruch genommen.
F. Fraunberger
Das Beugungsgitter, ein Göttergeschenk an die Physik
Zusammenfassung
Die Messungen der Brechungszahlen, die Harriott um 1600 zu erstaunenswerter Präzision gebracht hatte, und die erste Wellenlängentabelle von Thomas Young hingen insofern in der Luft, als die Farben, auf die sich die Meßwerte bezogen, nur in Worten ausgedrückt werden konnten. Nach Entdeckung der Fraunhoferschen Linien waren wenigstens meßtechnisch eindeutige Bezugspunkte gegeben. Man erinnert sich an das Wort Voltas: „Was läßt sich schon Gutes, besonders in der Physik, hervorbringen, wenn nicht alles auf Maß und Zahl berechnet ist?“ Auch dies sollte Fraunhofer gelingen, und zwar auf eine Weise, über die er sich am Ende selber wunderte. Nach seinen Erfolgen mit jenen Linien, von denen schon an anderer Stelle die Rede ist, verlangte es den Forscher nach einer Vertiefung seines theoretischen Wissens. Zufällig erschien im Jahre 1815, als Fraunhofer seine ersten Arbeiten abgeschlossen hatte, jene Arbeit Augustin Fresnels, die der Wellentheorie des Lichtes zum Durchbruch verhalf. Fraunhofer bekam aber erst nach Jahren Kenntnis von ihr. So hielt er sich vorerst an Jean Baptiste Biots „Traité de physique expérimentale et mathématique“ von 1816, wo man „alles findet, was über die Beugung des Lichtes bekannt ist“.
F. Fraunberger
Die Entdeckung der elektromagnetischen Induktion von 1822 bis 1831
Zusammenfassung
1822 gelang André Marie Ampère zusammen mit dem Schweizer Physiker Auguste de la Rive in Genf ein Versuch, den man als die Entdeckung der Induktion — oder zumindest: induzierter Ströme — bezeichnen kann, weil wirklich induzierte Ströme für die beobachteten Bewegungserscheinungen verantwortlich waren, dies auch so interpretiert wurde — allerdings mit bestimmten Einschränkungen, alles an leicht zugänglicher Stelle veröffentlicht wurde (Fachzeitschriften, Sammelwerk). Die zweite Forderung ist unbedingt notwendig, doch soil sich bei Behandlung dieses Falls zeigen, wie schwierig es praktisch ist, mit diesem Definitionsteil der Geschichte gerecht zu werden. Man kann diese Entdeckung, wenn man will, auch als verpaßte Gelegenheit deuten.
J. Teichmann
Eine Formel weiß mehr — die Balmerformel
Zusammenfassung
Von Heinrich Hertz stammt das Wort, man müsse „bisweilen die Empfindung haben, als wohne den mathematischen Formeln selbständiges Leben und eigener Verstand inne, als seien dieselben klüger als wir, klüger sogar als ihre Erfinder, als gäben sie mehr heraus, als seinerzeit in sie hineingelegt wurde. Es ist dies auch nicht geradezu unmöglich, es kann eintreten, wenn die Formeln richtig sind über das Maß dessen hinaus, was der Erfinder wissen konnte“. Kaum ein zweites Beispiel dürfte den Sinn dieser Zeilen eindringlicher und durchsichtiger illustrieren als das folgende.
F. Fraunberger
Die Bestimmung der Lichtgeschwindigkeit
Zusammenfassung
In den „Comptes rendus“, Bd. 29 (1849), den Forschungsberichten der Pariser Académie des Sciences, steht auf S. 90: „Sur une experience relative à la vitesse de la propagation de la lumière, par M.H. Fizeau“: „Es ist mir gelungen, die Fortpflanzungsgeschwindigkeit des Lichts genau zu bestimmen mit einer Methode, die, wie mir scheint, ein neues Mittel darstellt, dieses wichtige Phänomen präzise zu studieren.“ Und der „Secrétaire perpétuel“ der Akademie, Francois Arago, bestätigte, daß es sich tatsächlich „um ein von Fizeau sehr scharfsinnig ausgedachtes Verfahren handelt“, denn gelegentlich war zu hören oder zu lesen, es gehe um einen von Arago erdachten Versuch. Armand Hippolyte Louis Fizeau (1819–1896) war einer der Glücklichen, die, im Reichtum geboren, ihr ganzes Leben ihren Neigungen widmen konnten, und diese lagen auf dem Gebiet der Physik.
F. Fraunberger
Die Loschmidtsche Zahl
Zusammenfassung
Unter den Erscheinungsformen der Materie ist der luftartige Zustand dadurch ausgezeichnet, daß eine vorgegebene Menge (Gewicht, Masse) einen zur Verfügung stehenden Raum vollständig und gleichmäßig ausfüllt und auf die Wände des Behälters einen Druck ausübt. Nachdem weitere Substanzen als Luft mit diesen Eigenschaften bekannt geworden waren, zuerst die bei der Gärung entstehende Kohlensäure, führte der holländische Arzt und Alchemist Johann Baptist van Helmont das Wort Gas ein, das aber erst Anfang des 18. Jahrhunderts Anklang fand. Das starke Ausdehungsbestreben der Gase wurde von einigen Physikern, darunter Newton und Laplace, auf zwischen den kleinsten Teilen bestehende Abstoßungskräfte zurückzuführen versucht.
F. Fraunberger
Kathodenstrahlen und Elektron
Zusammenfassung
Elektrische Lichterscheinungen in ausgepumpten Glasgefäßen waren schon sehr lange bekannt. So untersuchte Francis Hauksbee kurz nach 1700 dieses Licht, das im luftverdünnten Inneren einer rotierenden Glaskugel auftrat, wenn man die Hand dagegen hielt. Hier waren also Hochspannungsquellen (die spätere Elektrisiermaschine) und Vakuumröhre noch in einem Gerät vereint. Wir sind in der grauen Vorzeit der Gasentladungsforschung.
J. Teichmann
Die Entdeckung der Röntgenstrahlen
Zusammenfassung
In Gilberts „Annalen der Physik“ VII, 1801, schrieb ein Herr Treviranus, Professor der Physik in Bremen: „Als ich verwichenen Sommer mit der Fortsetzung meiner Versuche über den Einfluß des galvanischen Agens auf das Pflanzenleben beschäftigt war, ging es mir, wie schon manchem Forscher: Ich entdeckte außer dem, was ich wissen wollte, auch noch etwas, das ich nicht suchte, und welches vielleicht wichtiger als das Gesuchte war.“
F. Fraunberger
Die Entdeckung der Radioaktivität
Zusammenfassung
Schon ehe Röntgens Name um die Welt gegangen war, wurde er in Fachkreisen geschätzt als Entdecker des Röntgenstroms, wie ihn der große französische Mathematiker und theoretische Physiker Jules Henri Poincaré benannte. Folglich gehörte er zu den Auserwählten, denen der Würzburger Professor einen mit Aufnahmen bereicherten Erstdruck seines Entdeckungsberichts zusandte. In einem nicht datierten, aber sicher noch im Januar 1896 geschriebenen Brief an den Absender schrieb Poincaré: „Man kann sich fragen, ob die X-Strahlen nur durch Kathodenstrahlen hervorgerufen werden können, oder ob sie von den fluoreszierenden Stoffen ausgehen, was auch immer die Ursache ihrer Fluoreszenz sein möge. Bei der Unkenntnis, in der wir uns befinden, sind alle Hypothesen möglich; das Experiment scheint leicht durchführbar, haben Sie es schon einmal versucht?“
F. Fraunberger
Schwarze Körper und schwarze Strahlung
Zusammenfassung
Körper, die viel Wärme absorbieren, strahlen, wenn erwärmt, auch viel Wärme aus. Diese Befunde Rumfords und Leslies ergänzte Ritchie durch einen sehr hübschen Versuch: Zwei einander gleiche, nehmen wir an würfelförmige Blechgefäße bilden mit dem zweimal geknickten Glasrohr ein luftdichtes Thermoskop (Bild 96). Die dem Würfel B gegenüberliegende Fläche von A ist mit Ruß geschwärzt, die A gegenüberliegende von B sei blankes Metall. Der Tropfen W bildet ein Manoskop. Wird ein mit heißem Wasser gefüllter dritter Würfel C, ebenfalls mit einer berußten Fläche versehen so in die Mitte zwischen A und B gebracht, daß je einer berußten eine blanke Fläche gegenübersteht, so bleibt das Wasser an der Stelle, während es bei einem Gegenüber von berußten Flächen sofort in Bewegung kommt.
F. Fraunberger
Experimente zum Transistor
Zusammenfassung
Die geschichtliche Entwicklung der experimentellen Physik im 20. Jahrhundert ist meist viel schwieriger zu verfolgen als vor dieser Zeit, vor allem wenn sie schon mit technischen Interessen gekoppelt ist und ganz besonders, wenn sie im Vorfeld einer „Großtechnik“-Entwicklung steht. Die Anzahl der Wissenschaftler hat rapide zugenommen, viele Entwicklungen laufen an mehreren Orten gleichzeitig und ähnlich ab. Es gibt zahlreiche Verknüpfungen zwischen Spezialwissenschaften und -techniken — im Falle der Halbleiterforschung etwa experimentelle und theoretische Arbeiten zwischen Physik, Chemie, Metallurgie — und viele differierende Interessen: rein wissenschaftliche, anwendungsbezogene, starker technische, ökonomische. Das heißt, die Quellensuche und der Vergleich werden recht kompliziert (Patentschriften, Firmenarchive, entlegene Veröffentlichungen usw.). Dazu kommen zwei Weltkriege, die Entwicklungen abbrechen, Veröffentlichungen verhindern oder geheim halten — bei der Halbleiterforschung im wesentlichen der Zweite Weltkrieg. Auch die Entwicklung des „Teamwork“ (zum Beispiel die Gruppe um Shockley in den USA nach 1945) macht Zuordnungen des wirklichen Geschichtsgangs schwieriger, da es im nachhinein oft unterschiedliche Sichten zu den verschiedenen Beiträgen gibt.
J. Teichmann
Backmatter
Metadata
Title
Das Experiment in der Physik
Authors
Fritz Fraunberger
Jürgen Teichmann
Copyright Year
1984
Publisher
Vieweg+Teubner Verlag
Electronic ISBN
978-3-322-89449-6
Print ISBN
978-3-528-08544-5
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-322-89449-6