2008 | OriginalPaper | Chapter
Das liberale Theorem der Selbstorganisation in Rousseaus Gesellschaftsvertrag
Published in: Konsens als normatives Prinzip der Demokratie
Publisher: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Activate our intelligent search to find suitable subject content or patents.
Select sections of text to find matching patents with Artificial Intelligence. powered by
Select sections of text to find additional relevant content using AI-assisted search. powered by
Die Essenz von Rousseaus Theorie des Gesellschaftsvertrags ist die Forderung, dass jedes Gesellschaftsmitglied die Möglichkeit haben muss, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Wie Hobbes und Locke so reflektiert auch Rousseau mit dieser grundlegenden Annahme seines Gesellschaftsvertrags auf die veränderten historischen Bedingungen eines aus den traditionalen Fesseln der Ständegesellschaft befreiten Individuums. Die klassischen Vertragstheoretiker der frühen Neuzeit argumentieren mit der freien und gleichen Natur des Menschen gegen eine kosmisch legitimierte Herrschaftsordnung. Die Bedeutung der frühen Vertragstheorien liegt deshalb zunächst darin, mit der Reflexion auf den Einzelnen das traditionale Verständnis sozialer Ordnung überwunden zu haben.
1
Während es dabei Hobbes und Locke unternommen haben, mit dem Vertragsabschluss eine über die freie und gleiche Selbstbestimmung begründete Form von legitimer Herrschaft zu begründen, radikalisiert Rousseau die Frage der rechtmäßigen Begründung einer gesellschaftlichen Ordnung weiter, indem er versucht, die freie und gleiche Selbstbestimmung in einem prozeduralisierten Verfahren der Volkssouveränität auf Dauer zu stellen. Er begründet damit die neuzeitliche Vorstellung eines radikalen liberaldemokratischen Verfahrens der politischen Willensbildung. Mit dieser Vorstellung wird in der Moderne jede Form von klassischer, feudaler Herrschaft in Frage gestellt.