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2021 | Book

Das Notwendige möglich machen

Die solare Forschungswende in Deutschland

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Das Buch stellt die Geschichte der Erforschung erneuerbarer Energien in Deutschland vor dem Hintergrund einer intensiven Wechselwirkung gesellschaftlicher Entwicklungen, Wissenschaft und Politik dar. Ausgehend von Forschungsaktivitäten an Universitäten wird ein Entwicklungsprozess von 1970 bis 2015 nachgezeichnet, der zu einer weltweit anerkannten Spitzenforschung auf dem Gebiet der erneuerbaren Energien geführt hat. Kernstück der historischen und wissenschaftlichen Untersuchung sind Interviews mit Solarenergieforschern, Ministerialbeamten und Forschungspolitikern.Mit einem Geleitwort von Dr. Gerd Eisenbeiß (Programmdirektor für Energie- und Verkehrsforschung des DLR 1990–2001 und bis 2006 Vorstand für Energie und Materialforschung am Forschungszentrum Jülich)

Table of Contents

Frontmatter
1. Einführung
Zusammenfassung
Die Welt ist veränderbar. Ob dies zum Vor- oder Nachteil geschieht, hängt von den Menschen ab, die die Veränderungen bewirken. Wissenschaft und Technik haben in den letzten 200 Jahren die Welt in einer Weise verändert, die vorher undenkbar schien: auf der einen Seite entstand in den Industrieländern ein unglaublicher Wohlstand, der auf der anderen Seite aber eine Umweltzerstörung nach sich zieht, die eine bedrückende gesellschaftliche und politische Tragweite hat. Dass es so nicht weitergehen darf, dass unser Lebensstil sich ändern muss und kann, ist inzwischen vielen Menschen klar geworden. Vor 50 Jahren war diese Einsicht zwar noch nicht so weit verbreitet, aber Veränderungen setzten in der Bundesrepublik Deutschland seit den 1960er- und 70er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts mit der Entwicklung des Umweltbewusstseins und eines ökologischen Wertewandels ein. In der Folge entwickelten sich neue Wissenschaftsthemen und Forschungsbereiche. Sie legten den Grundstein für eine Veränderung der seitdem anhaltenden Diskrepanz zwischen Wohlstand und Umweltzerstörung.
Gerd Stadermann
2. Zwei Vorgeschichten
Zusammenfassung
Der Chemiker Dr. Linus Pauling, Professor am California Institute of Technology (Caltec) in Pasadena/USA wurde gleich zweimal mit dem Nobelpreis geehrt. Den ersten erhielt er 1954 für die Erforschung der Natur der chemischen Bindung [1], die zweite Auszeichnung für sein Engagement gegen oberirdische Atombombenversuche. Beide hängen eng zusammen. Ausgangspunkt für seine Überlegungen, die zum zweiten, dem Friedens-Nobelpreis führten, war nämlich seine Erkenntnis, dass es keine kleinste radioaktive Strahlendosis gibt, die nicht schädlich für den menschlichen Körper ist. Zu diesem Ergebnis kam er durch seine Forschungen über chemische Bindungen. Sie sind verletzlich und können durch radioaktive Strahlung gebrochen werden. Diese Strahlung gehört in Medizin und Biologie zu den Ursachen „molekularer Krankheiten“[2], sie begünstigt die Entstehung freier Radikale im Organismus, die zu Leukämie (Blutkrebs), Knochenkrebs oder anderen Krebsarten führen können [3].
Gerd Stadermann
3. Energieeffizienz – die große Schwester der erneuerbaren Energien
Zusammenfassung
Als der Ingenieur Dr. Werner Kleinkauf 1971 bei einer Diskussion Kritik an der Nutzung der Kernenergie äußerte und auf das ungelöste Problem der radioaktiven Reststoffe verwies, bot ihm der damalige Vorstandsvorsitzende der Deutschen Forschungs- und Versuchsanstalt für Luft- und Raumfahrt (DFVLR) Prof. Dr. Hermann L. Jordan an, sich doch mit erneuerbaren Energien zu befassen. Damals hießen sie noch nichtnukleare, nichtfossile Energien. Kleinkauf, bis dahin Programmleiter für Satellitenenergietechnik, nahm das Angebot an und gründete 1972 in der DFVLR Stuttgart die erste außeruniversitäre Abteilung für Forschung und Entwicklung erneuerbarer Energien in Deutschland. Diese Abteilung war in den folgenden Jahrzehnten Ausgangspunkt für viele Aktivitäten auf diesem neuen Forschungsgebiet in der Bundesrepublik. Sie wurde darüber hinaus zur Keimzelle für neue Institute, die später die Forschung und Entwicklung der erneuerbaren Energien in Deutschland maßgeblich vorantreiben sollten. Kleinkauf, als kreativer Kopf bekannt, sah die neue Aufgabe als eine riesige Chance, wissenschaftliches Neuland zu betreten in einer Zeit, als das Umweltbewusstsein in Deutschland einen ersten Höhepunkt erreicht hatte. Als Reaktion auf Proteste gegen das Atomforschungsprogramm 1973 wurde im Bundesministerium für Forschung und Technologie (BMFT) das Referat Nichtnukleare Energieforschung gegründet und beschlossen, erstmalig neben dem Atomforschungs- auch ein allgemeines Energieforschungsprogramm aufzulegen. Ein halbes Jahr später brach die erste Ölkrise über die zunehmend energiehungrige westliche Welt herein. Sie wirkte stark beschleunigend auf die Entwicklung des geplanten Energieforschungsprogramms des BMFT. Im gleichen Jahr gab das Ministerium eine Programmstudie zum Thema erneuerbare Energien in Auftrag, um die sich diejenigen DFVLR-Mitarbeiter bewarben, die später den Bereich „Energetik“ gründen sollten.
Gerd Stadermann
4. Die Programmstudie der DFVLR und KFA Jülich – die sechs „grünen Bände“
Zusammenfassung
Zu Beginn seiner Amtszeit gab Bundesforschungsminister Hans Matthöfer 1974 eine umfassende Studie in Auftrag, die die Potenziale der erneuerbaren Energien klären sollte. Prädestiniert für die Durchführung einer solchen Studie waren die damaligen Großforschungseinrichtungen, allen voran die Forschungszentren in Jülich und Karlsruhe. Sie arbeiteten damals zwar ausschließlich an Atom- und Kernforschungsthemen, aber hier gab es viele Experten, die technologisches Know how auf dem Gebiet der Energieforschung besaßen. Doch das galt inzwischen vor allem auch für die DFVLR in Stuttgart (siehe Kap. 3 und 5). Sie wollte sich ebenfalls an einem solchen Forschungsprogramm beteiligen. „Wir hatten aber bis dahin keine derartige Forschungsgruppe“, erinnert sich Dr. Joachim Nitsch, doch es hieß „da gibt es doch in Lampoldshausen einen jungen Wissenschaftler, der redet immer was von Umwelt und dergleichen mehr, fragen wir den doch mal, ob der sich an so etwas beteiligen will – und das war ich. Der damalige Leiter der Studiengruppe an der DFVLR in Köln-Porz, Dr. Wilfried Grasse, fragte mich, ob ich mir vorstellen könne, da mitzumachen und ich habe ja gesagt. So entstand 1973/74 die Forschungsgruppe Energiesysteme, die an der ersten Studie im Rahmen der Arbeitsgemeinschaft der Großforschungseinrichtungen zu erneuerbaren Energien mitarbeitete. Als sich dann herausstellte, dass dies eine länger dauernde Arbeit wird, schlug ich vor, dazu eine permanente Gruppe aufzubauen.“ Der damalige Vorstandsvorsitzende der DFVLR, Prof. Dr. Hermann L. Jordan, war den nichtnuklearen Energien gegenüber sehr aufgeschlossen, und so wurde die Gruppe am DFVLR Stuttgart eingerichtet, anfangs mit drei Mitarbeitern: Thomas Schott, Helmut Klaiß und Joachim Nitsch. Daraus ist dann die Studiengruppe Energiesysteme, später die Abteilung Systemanalyse und Technikbewertung, entstanden. Sie entwickelte viele Jahrzehnte lang Szenarien und erarbeitete Langzeitstudien zum Ausbau der erneuerbaren Energien, die der Bundesregierung und verschiedenen Ministerien Richtschnur und Perspektive zur Forschungsförderung gaben.
Gerd Stadermann
5. Stuttgart – „Mekka“ der Forschung und Entwicklung alternativer Energien in Deutschland: die DFVLR und das ZSW
Zusammenfassung
Die Bezeichnung „Mekka“ für Stuttgart geht auf Prof. Dr. Boris Boyko zurück. Boyko – Professor an der Technischen Universität Charkow – war als Vertreter der Sowjetunion in der UNESCO Generaldirektor der Abteilung Solarenergie mit Sitz in Paris. Er plante eine große Solarenergiekonferenz, wobei es ihm darum ging, die solaren Energieerträge auch in Abhängigkeit von meteorologischen Einflüssen zu betrachten. Dafür holte er die Weltorganisation für Meteorologie (WMO) als Mitveranstalterin in die von der UNESCO geplante Konferenz hinein. Anfang der 1970er-Jahre besuchte Boyko das Institut für Physikalische Elektronik in Stuttgart (IPE) und bat Prof. Dr. Werner Bloss und Prof. Dr. Hans Albrecht, diese erste weltweite Solarenergiekonferenz von UNESCO und WMO inhaltlich vorzubereiten, mit zu organisieren und Bericht zu erstatten [1]. Sie fand vom 11–15. Oktober 1976 in Genua statt [2]. Auf der Konferenz wurden Wege diskutiert, wie eine Kooperation der europäischen Solaraktivitäten organisiert werden sollte sowie Möglichkeiten, Entwicklungsländer einzubeziehen [2].
Gerd Stadermann
6. Forschungszentrum Jülich – Solarenergieforschung im Schoße der Kernphysik
Zusammenfassung
Das Forschungszentrum Jülich hieß bis 1990 Kernforschungsanlage Jülich, kurz KFA. Die KFA ist wie das Kernforschungszentrum Karlsruhe (KFK), die GKSS Forschungszentrum Geesthacht GmbH sowie das Hahn-Meitner-Institut für Kernforschung (HMI) in Berlin Mitte der 1950er-Jahre als Großforschungszentrum zur Erforschung, Entwicklung und Anwendung nuklearer Energien in Deutschland gegründet worden. Die Beschäftigung mit solaren Energietechniken lag daher in der KFA Jülich nicht auf der Hand! Sie begann in den gleichen Jahren wie die in der damaligen DFVLR in Stuttgart (siehe Kap. 5), hat aber einen eigenen, unabhängigen Verlauf genommen – soweit man in dieser Zeit von eigenständigen, voneinander unabhängigen Entwicklungen überhaupt reden kann: Die Themen Ressourcenknappheit, Umweltschutz und gesicherte Energieversorgung waren seit dem Bericht an den Club of Rome und der Ölkrise in den Jahren 1973/1974 in aller Munde. Die Besonderheit in der KFA war, dass sich die ersten Aktivitäten und Projekte auf dem Gebiet der Sonnenenergie, hier der Solarthermie, im Institut für Kernphysik entwickelten. Damit begann eine wechselvolle Geschichte. Untypisch für alle anderen Institutionen mit dem Thema Solarenergieforschung in der Bundesrepublik führte sie in der KFA nach ca. zehn Jahren zu einem vollständigen Fadenriss in der Forschung und Entwicklung auf diesem Gebiet.
Gerd Stadermann
7. Oldenburg – die universitäre Keimzelle für eine solare Energieversorgung
Zusammenfassung
Die späten 1960er-Jahre standen im Zeichen der Studentenproteste, die sich gegen autoritäre Machtstrukturen an den Universitäten richteten. Es ging um mehr Demokratie an den Hochschulen aber auch in der Gesellschaft insgesamt. An den Universitäten wurden die hierarchischen Strukturen in Frage gestellt, alle universitären Gruppen sollten gleichberechtigt an hochschulinternen Entscheidungsprozessen beteiligt werden. Ende der sechziger Jahre begann die Politik darauf zu reagieren, es wurden grundlegende Struktur- und Organisationsreformen eingeleitet und schließlich ein studentisches Mitspracherecht gesetzlich verankert [1, 2].
Gerd Stadermann
8. Freiburg – auf dem Weg zur Solarhauptstadt
Zusammenfassung
Warum konnte sich nach Stuttgart, dem Mekka der erneuerbaren Energien in den 1970er-Jahren, Freiburg als Solarhauptstadt in den 1980er-Jahren etablieren? Wie wurde das dortige Fraunhofer ISE zu dem am schnellsten wachsenden Solarenergieforschungsinstitut in Deutschland? Woher kam die wissenschaftliche Brillanz dieses Instituts?
Gerd Stadermann
9. Am Scheideweg: Atom- oder Sonnenenergie
Zusammenfassung
In diesem Kapitel geht es nicht um Forschung und Entwicklung erneuerbarer Energiequellen. Vielmehr werden in der Bundesrepublik die Jahre einer Weichenstellung beleuchtet, in denen entscheidende Debatten zum Thema Atomenergie und zum Ausstieg aus dieser problematischen Energieform stattfanden. Erst im Lichte dieser Weichenstellung, die sowohl im Bundesforschungsministerium als auch im Parlament erfolgte, werden die energiepolitischen Entwicklungen der folgenden Jahrzehnte in der Bundesrepublik verständlich.
Gerd Stadermann
10. Das Hahn-Meitner-Institut – Grundlagenforschung für die Solarenergie
Zusammenfassung
Berlin ist zwischen Paris und St. Petersburg die Stadt mit der größten Dichte von Forschungseinrichtungen in Europa. Das ist bereits seit über 100 Jahren so. Namen wie Alexander und Wilhelm von Humboldt, Hermann von Helmholtz, Max Planck, Walther Nernst und Albert Einstein, um nur einige der Bekanntesten zu nennen, schmücken die Wissenschaftsgeschichte dieser Stadt. Ebenso bekannt sind die Kernphysikerin Lise Meitner und der Chemiker Otto Hahn, die durch die Experimente am Kaiser-Wilhelm-Institut für Chemie die Kernspaltung entdeckten, eine der folgenreichsten Entdeckungen des 20. Jahrhunderts. Sie führte während des 2. Weltkriegs zur Atombombe, später auch zu Atomkraftwerken, die zunächst eine segensreiche Entwicklung zu werden schienen. Otto Hahn nahm für die Entdeckung der Kernspaltung 1944 den Nobelpreis für Chemie entgegen, allein, obwohl Lise Meitner, die damals im Nobel-Institut in Stockholm arbeitete, ihn ebenso verdient hätte. Wie Einstein hatte sie Deutschland verlassen müssen, weil sie von den Nazis diskriminiert wurde und aus „rassischen Gründen“ von den Nationalsozialisten verfolgt und ermordet worden wäre.
Gerd Stadermann
11. Solarenergieforschung in Bayern – von der LMU zur Gründung des ZAE Bayern
Zusammenfassung
In diesem Kapitel geht es nicht um Strom sondern um Wärme. Es werden die wissenschaftlichen Grundlagen von Solarkollektoren und der Speicherung solarer Wärme eingehend behandelt. Da die Solarthermie ungerechtfertigter Weise als einfache, oft sogar als primitive Technologie dargestellt wird – vor allem die Photovoltaik zur Erzeugung von Elektrizität gilt als Hochtechnologie – soll hier mehr Verständnis für Solarkollektoren zur Wärmeerzeugung geweckt werden. Um die Technik angemessen und auf Augenhöhe mit der Erzeugung von Solarstrom beurteilen zu können, muss man tief in die Physik eintauchen. Die wissenschaftliche Leistung von Professor Rudolf Sizmann, der sich besonders der Solarthermie gewidmet hat und dessen Forschung in diesem Kapitel behandelt wird, lässt sich ohne eingehende Betrachtung seiner thermodynamischen Grundlagenforschung weder verstehen noch würdigen.
Gerd Stadermann
12. Das ISFH – Solartechnologie in Norddeutschland
Zusammenfassung
Wie kommt eines der bekanntesten Solarenergieforschungsinstitute Deutschlands – das Institut für Solarenergie-Forschung Hameln – in das kleine Dorf Emmerthal bei Hameln? Ganz einfach – per Ausschreibung. Die Gemeinde Emmerthal wurde unter 28 Bewerberinnen ausgewählt, als das ISFH in Hannover einen neuen Standort suchte. Doch zufällig war das nicht, Emmerthal bot mehrere Vorteile: Die Gemeinde war der Sonnenenergie gegenüber aufgeschlossen, sie verfügt über einen für solare Außenexperimente günstigen Standort am Südhang des Ohrbergs und sie bot eine finanzielle Beteiligung am Bau des Instituts an. Es sollte wohl eine Art Gegenpol zum Atomkraftwerk Grohnde an der Weser bilden, das im Ortsteil Grohnde-Emmerthal heute in Sichtweite vom ISFH liegt. Während der Bauphase kam es ab 1977 zu heftigen Protesten gegen das Projekt. Aktivisten errichteten im Juni 1977 am Baugelände ein so genanntes Anti-Atom-Dorf, das bald von der Polizei geräumt wurde. Das Kraftwerk wurde 1984 in Betrieb genommen. Immerhin brachte das Kraftwerk in Emmerthal insofern auch Gutes, als die Gemeinde nun über so viel Gewerbesteuereinnahmen verfügte, dass sie die Ansiedlung eines Instituts zur Solarenergieforschung finanziell fördern konnte [1].
Gerd Stadermann
13. Vom Wegbereiter zum Wegbegleiter der Energiewende – die DGS und der FVEE
Zusammenfassung
Es ist nicht leicht und wahrscheinlich sogar unmöglich, in einer Zeit, in der technologisches Neuland betreten wird, die wissenschaftliche Forschung und Entwicklung an Universitäten von der Entwicklung technischer Innovationen durch Handwerker und Firmen klar abzugrenzen. Im vorliegenden Buch werden vor allem die Spitzen der Forschungserfolge betrachtet, aber es waren auch viele Aktivitäten, tausendfache kleine Forschungsergebnisse, technische Verbesserungen und partielle Innovationen, die die Technologien der erneuerbaren Energien so robust und leistungsstark gemacht haben, wie sie heute sind.
Gerd Stadermann
14. Kassel – von der Gesamthochschule zum Institut für Solare Energieversorgungstechnik
Zusammenfassung
Wer nach Kassel kommt, dem fällt der Herkules, das Wahrzeichen der Stadt, ins Auge. Das Denkmal ist der Ausgangspunkt der berühmten Wasserspiele, die zusammen mit dem Bergpark 2013 zum UNESCO-Weltkulturerbe ernannt wurden. Diese Wasserspiele sind künstlich angelegt und technisch von einmaliger Raffinesse. Das Wasser, das so spektakulär in Kaskaden den Hang hinunterstürzt, wird erst einmal gesammelt, durch unterirdische Rohrleitungen zum Ausgangspunkt geführt und dann in vielerlei Art zum Fließen gebracht und zwar alles ohne Pumpen. Im Grunde sind die Wasserspiele eine riesige Maschinerie, die physikalisch gesehen ein von Regen und Wetter abhängiges, sich regenerierendes System bildet [1]. Es ist im 18. Jahrhundert von den hessischen Landgrafen Carl und Wilhelm IX. erbaut worden und diente der höfischen Gesellschaft zum ergötzlichen Zeitvertreib, sollte aber auch symbolisieren, dass ein absolutistischer Regent die Naturgewalten beherrscht [2]. Heute drohen die Wasserspiele zu versiegen, da sich die erforderliche Wassermenge für das „Wassertheater“ – wie sie auch genannt werden – im obersten Wasserbecken nicht mehr periodisch sammeln kann, weil es aufgrund des Klimawandels nicht mehr genug regnet. Ist dies ein gartenkünstlerisches Sinnbild für die Irreversibilität der Veränderung ökologischer Systeme – oder einfach: der Naturzerstörung wie wir Menschen sie betreiben?
Gerd Stadermann
15. Der Weg zum Institut der Ideen und Bücher – das Wuppertal Institut
Zusammenfassung
Ende der 1960er-Jahre begannen in Deutschland Studentenvertreter, verkrustete Strukturen an den Universitäten öffentlich zu kritisieren. Sie forderten eine gleichberechtigte Mitsprache aller universitären Gruppen an hochschulinternen Entscheidungsprozessen, um gerechtere Lernbedingungen sowie neue zeitgemäße Lerninhalte und Lehrmethoden durchzusetzen. Dabei wurde auch über interdisziplinäre Ansätze von Forschung und Entwicklung diskutiert: Jeder Elektroingenieur, jeder Mediziner, jeder Jurist und Physiker sollte zusätzlich Marxismus studieren, um mit einem gesellschaftswissenschaftlichen Hintergrundwissen Sinn, Zweck und Ziele wissenschaftlicher Arbeit hinterfragen zu können. Prof. Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker erhielt 1972 den Ruf auf den Lehrstuhl für Interdisziplinäre Biologie und war einer der ersten Professoren, die an die neu gegründete Reformuniversität Essen berufen wurden: „Der Grund warum der damalige Ministerpräsident von NRW, Johannes Rau, mich an die Universität Essen holte, war nicht die Biologie, die war ihm nicht so wichtig, sondern meine unverschämt freche Idee einer Universitätsreform, die ich als Baukasten-Universität bezeichnete, in der Studenten sich „baukastenförmig“ ihre Studienfächer individuell zusammenstellen konnten und sollten. Sie sollten nicht doktrinär Physik, Romanistik, Politologie und dergleichen studieren, sondern die Studienfächer unterschiedlicher Disziplinen interdisziplinär miteinander verbinden. Davon erhoffte ich mir neues Wissen und neue Blickrichtungen. Die alte klassische Lehrorganisation war meiner Meinung nach zu verschult. Diese Idee hat Johannes Rau fasziniert.“ Die studentischen Forderungen fand von Weizsäcker „vom Inhalt her nicht überzeugend, aber das Prinzip der Interdisziplinarität war natürlich richtig.“
Gerd Stadermann
16. Das DEWI – ein Forschungsdienstleister wird zum Konzern
Zusammenfassung
Das Deutsche Windenergie-Institut (DEWI) ist eine Gründung des Landes Niedersachsen im Jahr 1990. Der Geschäftsführer des Instituts, Dipl.-Ing. Jens Peter Molly, hatte es zwar als Forschungsinstitut für Windenergie konzipiert, spezialisierte es aber nach und nach auf Dienstleistungen für Hersteller von Windturbinen und für Windparkplaner. Dies umfasste die Vermessungen von Leistungskurven, von elektrischen Eigenschaften und der dynamischen Belastungen von Windturbinen, sowie Anemometerkalibrationen und Energieertragsberechnungen für Betreiber von Windenergieanlagen (WEA) [1]. Natürlich gehören physikalische Messungen zu Wissenschaft und Forschung, aber das Institut sieht seine Aufgabe nicht in der Erforschung und Entwicklung neuer Windkraftanlagen, sondern versteht sich als ein Dienstleister, der sowohl Forschung und Entwicklung ermöglicht, als auch Betreibern von Windenergieanlagen hilft, Erträge von WEA zu optimieren. Mit dieser Ausrichtung hat sich das Institut zu einem gefragten Kooperationspartner in Deutschland und weltweit entwickelt. Heute ist das DEWI ein Konzern, weil Tochtergesellschaften in vielen Ländern entstanden sind. Niederlassungen gibt es in Brasilien, China, Frankreich, Kanada, Italien, Spanien und der Türkei. Hinzu kommt die Gründung der Tochtergesellschaft DEWI-Offshore and Certification Center GmbH (DEWI-OCC) in Cuxhaven im Jahre 2003.
Gerd Stadermann
17. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz
Zusammenfassung
Das Ziel des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) war es, Strom aus diesen Quellen wirtschaftlich zu machen, so Anreize für innovationsfreudige Firmen zu schaffen und in den Ausbau der Erneubaren zu investieren. Dies gelang durch zwei Regelungen: eine Abnahmegarantie für erneuerbaren Strom durch die Netzbetreiber sowie eine Umlage der Erzeugungskosten auf die Strompreise. Diese Umlage für den erneuerbaren Stromanteil steht auf jeder Stromrechnung mit drauf. Ihre Höhe wird an der Strombörse in Leipzig berechnet. Der Besitzer einer Wind-, Wasserkraft-, Photovoltaik- oder Bioenergieanlage, der seinen Strom ins Netz einspeist, bekommt auf diese Weise eine kostendeckende Vergütung seiner Stromgestehungskosten. Je mehr Erzeuger an das Stromnetz angeschlossen sind – je mehr Ökostrom ins Netz fließt – desto mehr Umlage muss gezahlt werden, damit alle Erzeuger die ihnen zustehende Vergütung erhalten. Dies ist heute energiepolitische Realität in Deutschland und inzwischen in über 60 Staaten der Erde. Michaele Hustedt, die später das EEG mitentwickelte, resümiert: „Das EEG hat die Welt verändert“ [1].
Gerd Stadermann
18. Schlussfolgerungen und vier Gründe für die Erneuerbaren
Zusammenfassung
Die Erforschung und Entwicklung von Technologien zur „Ernte“ erneuerbarer Energien, haben Deutschland zu einer weltweiten Spitzenstellung geführt. Ihre Errungenschaften wurden aber bisher fast nur bei der Stromerzeugung nachhaltig umgesetzt, weil er mit dem geringsten Aufwand umzusetzen ist. Die Fokussierung der deutschen Volkswirtschaft auf erneuerbaren Strom erklärt die relativ geringe Nutzung solarer Technologien zur Wärme- und Kraftstofferzeugung. Deren wirtschaftliche Nutzung ist daher beunruhigend klein geblieben. Trotz der technologischen Möglichkeiten und der zur Verfügung stehenden Forschungs- und Förderprogramme, die in den Kap. 5 und 11 behandelt wurden, haben sich die solarthermischen Technologien und diejenigen für solare Kraftstoffe nicht durchsetzen können, obwohl hier energetisch gesehen die größten Potenziale liegen.
Gerd Stadermann
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Title
Das Notwendige möglich machen
Author
Dr. Gerd Stadermann
Copyright Year
2021
Electronic ISBN
978-3-658-31588-7
Print ISBN
978-3-658-31587-0
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-31588-7