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2002 | Book

Das Phänomen der Rückverlagerung

Internationale Standortentscheidungen kleiner und mittlerer Unternehmen

Author: Dr. Anja Schulte

Publisher: Gabler Verlag

Book Series : mir-Edition

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Table of Contents

Frontmatter
Kapitel 1. Einleitung
Zusammenfassung
„Ich gestehe: Ich bin ein Rückverlagerer.“ Mit diesen plakativen Worten begann ein Vortrag über internationale Verlagerungserfahrungen von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) am 2. Oktober 1998 in Raunheim bei Frankfurt.1 Der damalige Werksleiter eines Herstellers für Bodenbearbeitungsgeräte aus Nordrhein-Westfalen rüttelte damit sein Auditorium ordentlich wach. Über 50 deutsche KMU-Vertreter hatten sich zu einem gemeinsamen Erfahrungsaustausch zum Thema „Pflichtaufgabe Globalisierung — Stolperstein für KMU?“2 versammelt und fragten sich nun: „Was ist ein Rückverlagerer?“ Staunend lauschten sie der Geschichte des KMU-Managers, unter dessen Leitung 1994 ein Tochter-Werk in Russland mit 25 russischen Mitarbeitern aufgebaut wurde. Es handelte sich um eine Dreherei, die einfache Teile für die heimische Produktion herstellen sollte. Der Betrieb wurde 1998 aufgegeben. „Wir sind gescheitert an Russland“, so der Referent.3 Sein Beispiel löste im Plenum große Verwunderung und Verwirrung aus, weil es quer und teilweise konträr zu der damals extrem negativ geführten deutschen allgemeinen Standortdebatte lag (Vogel 1992; Rexrodt 1996; Henkel 1998).4 Allgemeiner Konsens schien zu herrschen, dass eine Produktion, die einmal Deutschland verlassen habe, ganz sicherlich nicht mehr zurückkomme.
Anja Schulte
Kapitel 2. Theoretische Grundlagen
Zusammenfassung
Das Phänomen der Rückverlagerung beschreibt den Internationalisierungsweg von Unternehmen, die zunächst einen Auslandsstandort allein oder zusammen mit einem Partner aufbauen und diesen nach einer Phase der aktiven Auslandsproduktion wieder ganz oder teilweise aufgeben, um Produktionskapazitäten am Heimatstandort zu rekonzentrieren.l Betrachtet werden demnach zwei Standortentscheidungen: Die eine führt aus dem deutschen Produktionszusammenhang hinaus, die andere wieder zurück.
Anja Schulte
Kapitel 3. KMU im Spannungsfeld von „Globalisierung und Regionalisierung“
Zusammenfassung
Eine KMU-Umfrage der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG und des FAZ-Institutes vom Frühjahr 2002 stellt die Nachteile des deutschen Standortes erneut dar (o. V. 2002d): Es sind die hohen Lohn(neben)kosten, bürokratische Hemmnisse, die hohe Steuerbelastung und der unflexible Arbeitsmarkt bzw. das deutsche Arbeitsrecht, die für kleine und mittlere Unternehmen die Produktion daheim unattraktiv erscheinen lassen und sie so quasi ins Ausland treiben.1 Auch die internationalen Standortentscheidungen in den 90er Jahren fanden vor dem Hintergrund einer negativ geführten deutschen Standortdebatte statt. Diese fokussierte weitgehend auf die vermeintliche Wettbewerbsschwäche des deutschen Standorts, welche im Kern mit einer „Zangenbewegung von Arbeitskostendruck und steuerlicher Ertragsabschöpfung“ begründet wurde (Vogel 1992, S. 10; Rexrodt 1996; Henkel 1998). Diese Art Standortdiskussion ist damit verkürzt und konzentriert sich auf besondere Belastungsfaktoren wie vermeintlich hohe Steuern und Arbeitskosten im internationalen Vergleich (Heß 1998, S. 8). Zusätzlich werden ungünstige Entwicklungen in den Bereichen der Beschäftigung, Bildung und Gesetzgebung herangezogen, um die Aussagen und Argumente zu untermauern. Ergänzt wird so eine Debatte meist mit den Statistiken zur niedrigen Direktinvestitionsquote ausländischer Unternehmen am deutschen Standort. Auf dieser Grundlage erwachsen dann i. d. R. politische Forderungen wie Flexibilisierung der Arbeitszeiten und Deregulierung (Berg 1999; Rademacher 1998; Beyfuß 1996).
Anja Schulte
Kapitel 4. Das Phänomen der Rückverlagerung
Zusammenfassung
Das Spannungsfeld von „Globalisierung und Regionalisierung“ bildet den Handlungsrahmen, in dem das eigentliche Phänomen der Rückverlagerung betrachtet werden soll. Eine konkrete Begriffsdefinition von Rückverlagerung wurde bislang bewusst noch nicht vorgenommen. Im Weiteren folgt deshalb eine klare Abgrenzung von Rückverlagerung zu einfachen Standortentscheidungen und Ereignissen wie z. B. des Out- und Backsourcings. Anschließend soll kurz der internationale Stand der Forschung im Bereich Rückverlagerung skizziert werden. Als Hintergrund der empirischen Untersuchung werden dann theoretische Anknüpfungen an die aktuellen Internationalisierungs- und Regionalisierungs-Debatten gesucht, hier v. a. im Bereich der betriebswirtschaftlichen Phasen- oder Stufenmodelle der Internationalisierung sowie der internationalen Standortlehre und daran werden weiterführende Fragestellungen und erste Arbeitsthesen entwickelt.
Anja Schulte
Kapitel 5. Methodik und Forschungsdesign der Untersuchung
Zusammenfassung
Kernaspekt dieser Arbeit ist die intensive Betrachtung von konkreten KMU-Rückverlagerungsfällen. Grundlage der Analyse sind die gesammelten Informationen von 10 Unternehmensfallbeispielen und Expertengesprächen mit drei Unternehmensberatern, die mit der praktischen Umsetzung von Rückverlagerungsprozessen vertraut waren. Mit der eindeutigen Identifizierung und Darstellung von KMU-Rückverlagerern ist es möglich, Licht auf bisher weitgehend im Dunklen oder wirtschaftlich Verborgenen stattfindende Entscheidungen zu werfen. Da bislang noch keine qualitative Studie über Standortentscheidungsprozesse von Rückverlagerungen vorliegt, wird besonderen Wert auf deren detaillierte Beschreibung gelegt.
Anja Schulte
Kapitel 6. Empirische Untersuchung von Rückverlagerungsfällen
Zusammenfassung
Die folgende Analyse basiert auf den Erfahrungen von 10 kleinen und mittleren Unternehmen. Die besuchten KMU hatten die im Kapitel 4 vorgestellten Phasen einer Rückverlagerung durchlaufen; die betrieblichen Vertreter nach Zusicherung von Anonymität in Expertengesprächen offen darüber berichtet.1 Im Interview wurde zunächst die wettbewerbliche Ausgangssituation der Unternehmungen zum Zeitpunkt der ersten Standortverlagerung ins Ausland geklärt, darauf aufbauend die Motive der Verlagerung, die gewählte Internationalisierungsart und die Durchführung der ersten Standortentscheidung angesprochen. Folgend stand die Phase der realen Auslandsproduktion im Erhebungsfokus. Hierbei wurden Informationen über Konsequenzen für den Heimatstandort, des Standortmanagements von nunmehr zwei Betrieben im In- und Ausland, Organisation und Abstimmung der Standorte sowie Problemsituationen und deren Lösungsversuche erhoben. In einem nächsten Schritt kam es zur Beschreibung und Darstellung der zweiten internationalen Standortentscheidung, die wieder eine Konzentration der Produktion am Heimatort zur Folge hatte. Dazu wurden von den Gesprächspartnern Rückverlagerungsgründe aufgezeigt, Kosten und Gefahren des Rücktransfers betrachtet, die Art der Rückverlagerung beschrieben, die Auswirkungen auf den Heimatstandort sowie zukünftige Internationalisierungsaktivitäten der KMU dargestellt.
Anja Schulte
Kapitel 7. Fazit: Neue Erkenntnisse über KMU-Rückverlagerungen
Zusammenfassung
„In einer dynamischen Welt voller struktureller Brüche ist nur der Bruch an sich das stabile Element“, begann Prof. U. Blum seinen Beitrag zur Internationalisierung von Unternehmen der „new und old economy“ zwischen Stabilität und Dynamik in Innsbruck 2001.1 Sein Kollege Prof. K. W. Giersberg fügte auf der gleichen Veranstaltung später hinzu: „Konstant ist heute nur der Wandel!“
Anja Schulte
Kapitel 8. Ausblick
Zusammenfassung
Der Rückverlagerungsprozess von kleinen und mittleren Unternehmen ist in der heutigen Forschungslandschaft ein weitgehend unbearbeitetes Feld. Die vorliegende Arbeit kann lediglich einen kleinen Beitrag zur Schließung diese Lücke leisten. Sie soll verstanden werden als eine Art „Schlüssel“ zur Analysetür internationaler Standortentscheidungen von KMU. Eine qualitative Studie mit 10 Fallbeispielen kann natürlich erst der Anfang für eine umfassende Erforschung des Phänomens der Rückverlagerung sein. Weitere Untersuchungen zu diesem Thema sollten folgen. Deutlich wurde der Bedarf an sowohl aktuellerem wie breiterem Datenmaterial über Rückverlagerungen. Die quantitativen Arbeiten von Jungnickel (1990a, b) und Lücke (1992) liegen mittlerweile mehr als 10 Jahre zurück und bedürfen einer dringenden Neuauflage, die sich vom Technologiefokus weitgehend löst.1 Mit dem ausgehenden 21. Jahrhundert stellen sich neue Herausforderungen an die KMU, die die Dimension der Automation und des Technikeinsatzeinsatzes in einen neuen Rahmen setzt.2
Anja Schulte
Backmatter
Metadata
Title
Das Phänomen der Rückverlagerung
Author
Dr. Anja Schulte
Copyright Year
2002
Publisher
Gabler Verlag
Electronic ISBN
978-3-322-91265-7
Print ISBN
978-3-409-12375-4
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-322-91265-7