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2018 | Book

Das politische System Tschechiens

Editors: Prof. Dr. Astrid Lorenz, Hana Formánková

Publisher: Springer Fachmedien Wiesbaden

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About this book

Das Buch gibt einen fundierten Einblick in das Regierungssystem Tschechiens, die Gesellschaft, Parteien und Medien sowie ausgewählte Politikfelder. Dabei konzentriert es sich auf zentrale Merkmale und ihren Zusammenhang mit der Europäischen Union, zeichnet wichtige Entwicklungslinien nach und ordnet die Befunde im Vergleich mit anderen Staaten ein. Die Autoren sind anerkannte Wissenschaftler/innen, die ein hohes Maß an fachlicher und regionaler Expertise mitbringen.

Table of Contents

Frontmatter
Die rätselhafte Krise der Demokratisierung
Politik in Tschechien als Gegenstand der Forschung
Zusammenfassung
Der Beitrag beschreibt zunächst anhand empirischer Daten die scheinbar überraschende Entwicklung Tschechiens von einem Land mit hervorragenden Indikatoren der Demokratisierung hin zu Phänomenen, die es als Problemkind erscheinen lassen. Deutschlands Nachbar erweist sich somit als wichtiger Testfall für die Brauchbarkeit sozialwissenschaftlicher Theorien und Methoden. Der zweite Abschnitt gibt einen Überblick über die Thematisierung Tschechiens in der politikwissenschaftlichen Forschung. Er zeigt zum einen, dass die scheinbar neuen Probleme weder im historischen Längsschnitt noch im internationalen Vergleich komplette Ausreißer sind und zum anderen, dass sich die eigentlichen Problemwahrnehmungen unterhalb des neuen Krisennarrativs deutlich unterscheiden. Davon ausgehend, benennt der letzte Teil Forschungsbedarfe, die künftig gedeckt werden sollten.
Astrid Lorenz
Das politische System Tschechiens im Lichte internationaler Demokratie- und Governance-Indizes
Zusammenfassung
Der Beitrag gibt einen systematischen Überblick über die Bewertung der tschechischen Politik im internationalen Vergleich und stellt dabei zugleich die wichtigsten zur Verfügung stehenden Indizes vor (Polity, Freedom House Index, Sustainable Governance Indicators, Democracy Index, V-Dem u.a.). Während Tschechien hinsichtlich der Demokratiequalität überwiegend sehr gut abschneidet (trotz erhobener Defizite bei Medienfreiheit, Parteienfinanzierung und Korruptionsbekämpfung), wird das Regierungshandeln schlechter bewertet (v.a. aufgrund beobachteter Mängel bei strategischer Planung, interministerieller Koordination, Umsetzung von Regierungsprogrammen und Monitoring). Auch die Leistungsfähigkeit der tschechischen Politik wird in den meisten Politikfeldern nur mittelmäßig bewertet. Da jedoch verschiedene Indizes durchaus zu unterschiedlichen Bewertungen kommen und gerade zu Governance-Aspekten nur begrenzt Vergleichsdaten vorliegen, wird ein sensibler Umgang mit Indizes angeraten.
Frank Bönker
Swerving towards deconsolidation?
Democratic consolidation and civil society in the Czech Republic
Zusammenfassung
The text takes a deeper look at the consolidation of democracy in the Czech Republic and contrasts the picture of Czech Republic as a poster child for economic transition in the early 1990s with the decreasing quality of the Czech democracy in the past years. This paradox, it argues, makes the Czech Republic a compelling case for democratization research. The term swerving towards consolidation is advocated. There are no attempts to renegotiate the rules of the democratic game, even though the political system has become polarized, governance has become more difficult and new actors have emerged. At the same time civic engagement is growing. The findings show that democratic consolidation is not a linear process. Instead, the quality of democracy is dynamic – reacting to domestic and external factors. A more nuanced approach is needed to understand the dynamics of democratic consolidation in Central and Eastern Europe.
Petra Guasti
Klein und fragmentiert
Die Zivilgesellschaft in Tschechien im Widerstreit liberaler und staatszentrierter Ideen
Zusammenfassung
Der Beitrag fragt danach, was aus der breiten Mobilisierung 1989 für Demokratie und eine aktive Bürgergesellschaft in Tschechien geworden ist. Er zeigt, dass heute ein differenziertes und verzweigtes Netz der organisierten Zivilgesellschaft existiert (insbesondere im Umwelt- und Sozialbereich), obgleich das politische Umfeld nicht immer förderlich dafür war. Gewerkschaften und Dachverbände des nichtstaatlichen Sektors verfügen über Partizipationsprivilegien in manchen Bereichen der öffentlichen Politik. Ein wiederkehrendes Muster ist der Protest bzw. in der Suche nach Alternativen zu den etablierten Parteien über zivilgesellschaftliche Formen oder Organisationen, die sich einen solchen Anstrich geben, aber doch politische Ämter anstreben. Obwohl zivilgesellschaftliche Organisationen zahlreich existieren und teilweise großen Einfluss entfalten, ist der Partizipationsgrad insgesamt gering.
Stephanie Weiss
Dauerwahlkampf und die Tücken der Verhältniswahl bei fragilen Parteien
Wahlen und Parteiensystem in Tschechien
Zusammenfassung
Der Beitrag verdeutlicht, dass die Verhältniswahl zwar die Repräsentation politischer Interessen fördert, dies jedoch unter der Bedingung eines in Tschechien instabilen Parteiengefüges hinderlich für die Regierungsbildung und –stabilität sein kann. Trotz häufiger Wahlen zu verschiedenen Vertretungsorganen ist die Verbindung von Wählern zu Repräsentanten nicht eng, sondern durch ein großes Misstrauen und einen geringen Anteil an Mitgliedschaften geprägt. Je tiefer die Ebene, desto schwächer ist die Rolle von Parteien. Das Parteiensystem entspricht dem extremen und polarisierten Pluralismus; nur 1996/1998 bis 2010/2013 gab es einen limitierten Pluralismus mit bipolarer Funktionslogik. Der Parteienwettbewerb umfasst neben dem sozioökonomischen cleavage auch einen Streit über die Beschaffenheit des Regimes und die Interpretation der Vergangenheit. Neu ist der Aufstieg von Unternehmerparteien, welche die Grenze zwischen wirtschaftlichen und politischen Interessen durchbrechen.
Stanislav Balík, Vít Hloušek
Ein Machtgefüge in Bewegung?
Parlament, Regierung und Präsident in der Tschechischen Republik
Zusammenfassung
Unter der Leitfrage, ob die Direktwahl des Staatspräsidenten einen Unterschied für die politische Praxis in einer parlamentarischen Demokratie macht, stellt der Beitrag die institutionelle Struktur des tschechischen Regierungssystems vor und beleuchtet danach die politische Praxis vor und nach der ersten Direktwahl des Präsidenten 2013. Dabei zeigt sich, dass die tschechischen Präsidenten angesichts fragiler politischer Mehrheitsverhältnisse in der unteren Parlamentskammer und instabiler Regierungen nicht mehr nur die ihnen formal zugeschriebene, eher repräsentative Funktion ausübten, sondern sich aktiv in die Tagespolitik einmischten und unklare Kompetenzformulierungen zum eigenen Vorteil zu nutzen suchten. Die Direktwahl hat eine Machtverschiebung im System befördert. Zugleich erfüllt der institutionell eher schwache Senat in der Praxis eine durchaus bedeutsame Sicherungs- und Mäßigungsfunktion. Der Kontext ist für die Wirkung der Institutionen mithin sehr relevant.
Lukáš Novotný
Ein aktivistisches Verfassungsgericht als Korrektiv der Politik
Struktur, Besetzung und Rechtsprechung
Zusammenfassung
In dem Beitrag wird die Rolle des Verfassungsgerichts untersucht und festgestellt, dass es mit starken Befugnissen ausgestattet ist und das politische System bedeutsam mitgestaltet. Es beeinflusste die Richtung der Transformation, mischte sich aktiv (für manche sogar aktivistisch) in das politische Geschehen ein und definierte die verfassungsmäßigen Grenzen der Einbindung Tschechiens in die Europäische Union. Die Tätigkeit des Gerichts wurde durch seine personelle Besetzung beeinflusst. Obwohl seine Spruchpraxis durchaus Kritik von Politikern hervorrief, werden die Korrektivfunktion des Gerichts und seine Beschlüsse von der Politik respektiert. Damit ist das Verfassungsgericht in gewisser Weise zu einer Insel der Stabilität in der sonst so aufgewühlten mitteleuropäischen See geworden.
Ivo Pospíšil
Foreign, security and defence policy
Europeanized at the bottom, neglected at the top
Zusammenfassung
The text reviews the main characteristics of and milestones for the Czech foreign, security and defence policy since 1993. The Czech foreign and security policy is a relatively stable and Europeanised endeavour. It is firmly embedded in the European institutions, but is dependent on a very immature political debate. While foreign and security policy considerations guided Czech politics in the beginning, they have moved from the foreground lately and have given way to domestic issues. The foreign policy ended with the accession to NATO and the EU for the Czech public debate, and there is insufficient understanding of external relations among the politicians. Czech political parties, as a result, lack expertise on foreign policy. Domestic considerations trump foreign policy thinking and Czech behaviour on the international scene is often trapped by domestic politicking. The resulting incoherent policy does not provide Czechs with much leverage in European negotiations, which in turn feeds the populist and isolationist voices at home.
Tomáš Weiss
Die Wirtschafts- und Sozialpolitik in der Tschechischen Republik als Reaktion auf ökonomische Krisen und Aufschwung
Zusammenfassung
Der Beitrag widmet sich den Wechselwirkungen zwischen der tschechischen Wirtschaft und der Wirtschaftspolitik. Es wird auf die Wirtschaftsentwicklung, die Fiskalpolitik (besonders im Kontext von Währungskrise), die Rolle der Zentralbank, die Haltung zum Euro und die Sozialpolitik eingegangen. Die Wirtschaft zeichnet sich vor allem durch niedrige Arbeitslosigkeit und hohe Beschäftigungsquoten aus. In der Fiskalpolitik wird als Problem die fehlende Zusammenarbeit zwischen der Regierung und der Tschechischen Nationalbank identifiziert. Die Annahme oder Ablehnung des Euro ist eine Schlüsselfrage für die Zukunft, ebenso der soziale Interessenausgleich bei einer alternden Bevölkerung und einer steigenden Nachfrage nach Sozialtransfers. Insgesamt konnte die Wirtschaftspolitik den Wandel von der Planwirtschaft zur europäischen Marktwirtschaft bewältigen und die gesellschaftliche Stabilität bewahren.
Antonín Slaný, Hana Lipovská
Europäisierungsprodukt oder eigene Handschrift?
Entstehung und Entwicklung der tschechischen Migrationspolitik
Zusammenfassung
Der Beitrag untersucht, inwieweit externe Faktoren der Europäisierung bzw. interne Maßnahmen des tschechischen Innenministeriums und innenpolitischer Akteure als Treiber der Politikfeldentstehung wirkten. Er prüft die verbreitete These, dass mit dem EU-Beitritt die Anreize für EU-angepasstes Verhalten wegfielen. Empirisch zeigt sich, dass die Übernahme des EU-Rechts vor dem EU-Beitritt Tschechiens 2004 die Politikgestaltung prägte, der EU-Rechtsrahmen jedoch zu allgemein war, um policy-Schablone zu werden. Dass die Politikformulierung nach dem Wegfall der EU-Beitrittskonditionalität durch innenpolitische Faktoren geprägt war, wurde ebenfalls nicht vollständig bestätigt. Zu einer programmatischen Ausrichtung der Migrationspolitik kam es erst ab 2011, vermutlich wegen der instabilen Regierungen und schnellen Regierungswechsel in der Zeit davor. Eine Politisierung setzte erst seit der europäischen Flüchtlingskrise 2015/16 ein und trieb die Herausbildung eines eigenständigen Politikfelds weiter voran.
Paula Beger
Die tschechische Regionalpolitik
Gefangen im Zentralisierungsmodus
Zusammenfassung
Im Fokus des Beitrags steht die Frage, ob es in Tschechien infolge der EU-Konditionalität zu einer Regionalisierung kam. Die Regionalpolitik wird anhand von zwei Modellen der Regionalpolitik interpretiert, die sich hinsichtlich der hierarchischen oder kooperativen Steuerung unterscheiden. Die empirische Analyse ergibt, dass die tschechische Zentralregierung in der Regionalpolitik nur begrenzt kooperativ handelte und das Interesse am Zugriff auf die EU-Fördermittel nicht eindeutig eine Regionalisierung bewirkte. Die EU führte zwar kooperative Formen der Regionalpolitik ein, diese wurden aber nicht systematisch ausgebaut. Auch die Dezentralisierung war nicht konsequent, denn die Regionen genießen eine begrenzte Finanzautonomie, die sie über die EU-Fördermittel kompensieren suchen. Die geringe Leistungsfähigkeit der regionalen Institutionen stärkte schließlich die Re-Zentralisierungstendenzen.
Hana Formánková
Vorzüge und Probleme eines liberal-demokratischen Medienmodells
Medien und Politik in der Tschechischen Republik
Zusammenfassung
Der Beitrag verdeutlicht, dass das tschechische Mediensystem nach 1989 einem liberal-demokratischen Medienmodell folgte, seit 2008 aber wieder die Grenzen der redaktionellen Unabhängigkeit diskutiert werden. Er stellt die Struktur des Mediensystems und die Determinanten seiner Entwicklung dar. In der Transformationsphase kam es zu einer Ökonomisierung der Medien mit einem hohen Zustrom westlichen Kapitals. Dies führte zu einer Boulevardisierung und einer Mentalität des wirtschaftlichen Überlebens. Die relativ stabilisierte Medienlandschaft der Post-Transformationsphase verzeichnete verstärkte Einflussnahmen der Politik auf die Medien. Ein grundsätzlicher Umschwung begann 2008 mit der Rückübernahme der Medien in tschechische Eigentümerschaft und ihrer Konzentration auf nur wenige Unternehmen. Dies motivierte eine öffentliche Debatte über die Ausrichtung der Medien sowie die Beziehung zwischen Eigentümern und Journalismus.
Jan Jirák, Barbara Köpplová
Metadata
Title
Das politische System Tschechiens
Editors
Prof. Dr. Astrid Lorenz
Hana Formánková
Copyright Year
2018
Electronic ISBN
978-3-658-21559-0
Print ISBN
978-3-658-21558-3
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-21559-0