Das Vordringen neuer Technologien steht in einem engen Zusammenhang mit dem Vertrauen der Betroffenen, dass die damit verbundene Verarbeitung von personenbezogenen Daten nicht entgegen deren Recht auf informationelle Selbstbestimmung geschieht. Förderung von Innovation und Anwendung neuer Technologien muss daher immer auch vertrauenssichernde Maßnahmen im Datenschutz mit einschließen.
Oftmals wird der oben beschriebene Zusammenhang aber übersehen, da beide Faktoren indirekt miteinander gekoppelt sind: Auf der Basis fundamentaler menschlicher Lebensprinzipien wird Vertrauen zumeist als Vorschuss gewährt, weswegen vertrauenssichernde Maßnahmen nicht unmittelbar dem Technologieeinsatz folgen müssen. Wenn allerdings die Balance zwischen technologischem Fortschritt und vertrauenssichernden Maßnahmen verloren geht, bekommt dieses Vertrauen zunächst Risse und bricht dann irgendwann - wie bei einer platzenden Blase - plötzlich in sich zusammen (zum Beispiel als der Europäische Gerichtshof Safe Harbor für ungültig erklärte). Das verloren gegangene Vertrauen ist mit gewöhnlichen Mitteln nur schwer zurückzugewinnen (wie es auch in der aktuellen Diskussion um die Vertrauenswürdigkeit der Safe Harbor Nachfolgelösung „Privacy Shield“ sichtbar wird).
Mehr Mut zum Datenschutz
Die von diesem Vertrauensverlust ungerührte Bereitschaft von Sicherheitsdiensten, den weiteren Ausbau der Massenüberwachung ungebremst voranzutreiben und sich hierbei auch neue Technologien wie das Internet of Things dienstbar zu machen, trägt aber das globale Risiko in sich, das Vertrauen des Einzelnen in die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit unter den modernen Bedingungen der Digitalisierung nachhaltig zu schädigen und in der Folge Innovation und Anwendung neuer Technologien zu behindern.
Es hat den Anschein, als wäre mehr Mut zum Datenschutz erforderlich, damit wir uns auf unserem Weg in das digitale Paradies nicht versehentlich in ein digitales Panoptikon verirren. Hierbei wird es nicht ohne Schweiß und Tränen gehen wie die aktuellen Auseinandersetzungen von Apple mit dem FBI oder auch der Bundeskartellbehörde mit Facebook zeigen. Die in diesen Fällen zu Tage tretende Infragestellung des bislang geduldeten Verlangens öffentlicher Stellen nach von Verschlüsselung befreitem Datenzugriff oder der privater Stellen nach von Zweckbestimmung befreiter Datennutzung sind jedoch nur als Vorboten einer größeren Auseinandersetzung zu sehen.
Aufruf zu einer Digitalen Ethik
Schon jetzt deuten sich grundlegende Fragen an, wann beispielsweise ein Mehr an Privatheit ein Weniger an Sicherheit rechtfertigt oder inwiefern die totale Vorhersagbarkeit des Verhaltens von Bürgern und Verbrauchern tatsächlich mit dem digitalen Paradies als erstrebtem Endziel der Digitalisierung gleichgesetzt werden kann. Möglicherweise ist nicht alles, was technisch machbar oder rechtlich zulässig ist, auch gesellschaftlich wünschenswert oder mit der Würde des Menschen vereinbar. European Data Protection Supervisor Giovanni Buttarelli hat mit seinem Aufruf zu einer Digitalen Ethik einen spannenden Beitrag zu dieser Auseinandersetzung bereitgestellt.
Das Jahr 2016 wird entscheidende Weichenstellungen für unsere digitale Zukunft bringen und die in dieser Artikelserie beschriebenen Entwicklungen geben Anlass zur Hoffnung. Es liegt nun an uns, diese Weichenstellungen mitzugestalten und dazu beizutragen, dass diese Hoffnungen Wirklichkeit werden - zu unserem eigenen Wohl, aber auch dem unserer Kinder und Kindeskinder.
Die in diesem Artikel zum Ausdruck gebrachten Ansichten und Meinungen stellen diejenigen des Autors dar und spiegeln nicht notwendigerweise die Ansichten der Organisationen mit denen der Autor verbunden ist noch derjenigen Personen, die in diesem Artikel zitiert werden.