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2021 | Book

Demokratie im Stresstest

Reaktionen von Politikdidaktik und politischer Bildung

Editors: Prof. Dr. Carl Deichmann, Prof. Dr. Marc Partetzke

Publisher: Springer Fachmedien Wiesbaden

Book Series : Politische Bildung

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About this book

Das Ziel des Sammelbandes besteht erstens darin, die Herausforderungen für die demokratisch-politische Ordnung durch die Corona-Krise sowie die damit verbundenen Einschränkungen der demokratischen Grundrechte der Bürger*innen unter politikdidaktischen Gesichtspunkten zu analysieren. Zweitens geht es darum, Forschungsansätze, -projekte und -ergebnisse sowie Methoden der Lehr-Lernforschung vorzustellen, die sich auf die veränderten Bedingungen in der (außer-)schulischen Politischen Bildung sowie auf mögliche Unterrichtsprojekte beziehen.

Table of Contents

Frontmatter
Demokratie als Überzeugungsaufgabe. Impulse für die Politikdidaktik aus dem Verhältnis von Hermeneutik und Rhetorik
Zusammenfassung
Die philosophische Hermeneutik Hans-Georg Gadamers hat in der Politischen Bildung vielfältige Beachtung gefunden. Dabei wird jedoch häufig übersehen, dass Gadamer nach dem Erscheinen seiner Studie Wahrheit und Methode seine Hermeneutik weiterentwickelt hat. Maßgeblich dabei ist sein Rekurs auf die rhetorische Tradition, die dieser Beitrag für die Politische Bildung anschlussfähig machen will. Dabei wird gezeigt, dass sich aus dem Zusammenspiel von Rhetorik und Hermeneutik grundlegende Konsequenzen und Erfordernisse für die politische Urteilsbildung in der Demokratie ableiten lassen.
Johannes Schmoldt
Gesellschaft verstehen – Umrisse des zeitdiagnostischen Ansatzes politischer Bildung
Zusammenfassung
Die gesellschaftlichen Umbrüche und Transformationen der letzten Jahrzehnte sind Anlass vielfältiger zeitdiagnostischer Gesellschaftsanalysen. Die Politische Bildung rezipiert diese verschiedenen Gegenwartsdiagnosen und befragt sie auf ihre Tauglichkeit für politische Lernprozesse. Der hier vorgestellte zeitdiagnostische Ansatz geht jedoch einen Schritt weiter. Denn er macht Zeitdiagnosen selbst zum Gegenstand politischer Bildungsprozesse, und zwar unter besonderer Berücksichtigung von Aspekten wie Emotionen sowie Kritik und Kritik-Lernen. Die zentrale Frage lautet dann nicht mehr, welche Schlüsse aus dieser oder jener Gegenwartsdiagnose für die Politische Bildung gezogen werden können, sondern, wie die Lernenden selbst die Zeit, in der sie leben, wahrnehmen, deuten und zu verstehen suchen.
Tonio Oeftering
Politische Bildung im Zeichen von Anthropozän und Klimakrise
Zusammenfassung
Im vorliegenden Beitrag wird der Frage nachgegangen, auf welche Weise politische Bildung im Anthropozän eine Reflexion über die ökologisch-materiellen Grundlagen unseres Zusammenlebens in die Wissensbestände über das politische Gemeinwesen integrieren kann. Denn mit den offen zutage tretenden Defiziten der Ressourcen(-über-)nutzung sowie der Notwendigkeit, die Gesellschaft zu dekarbonisieren, um den Klimawandel aufzuhalten, bedarf die Gesellschaft einer Selbstvergewisserung in der grundsätzlich politischen Frage des Wie wollen wir zusammenleben?. Der Beitrag leistet den Versuch, vor diesem komplexen Hintergrund, die Frage nach einer Erweiterung der Wissensbestände einer politischen Bildung im Anthropozän zu klären, die den veränderten gesellschaftlichen Naturverhältnissen gerecht wird.
Tanja Seider
Schluss mit dem Reinigungsstress: Von den reinen Fakten der Politik zur demokratischen Kunst des Zusammen(-)Stellens
Zusammenfassung
Im Beitrag wird gezeigt, dass die Idee, die Welt wahrheitsgemäß darzustellen, immer mehr unter Druck gerät. Denn dafür muss ein Beobachtungspunkt gegenüber der Welt eingerichtet werden. Ein solcher Feldherrenhügel, von dem aus auf die Welt gezeigt wird, funktioniert nur, wenn man ihn von allen Bedingungen, die ihn ermöglicht haben, reinigt. In den Diskussionen rund um den Neuen Materialismus zeigt sich zunehmend, dass ein solches Vorgehen nicht mehr den aktuellen Herausforderungen entspricht. Die Didaktik muss sich entsprechend vom vermittelnden Zeigen lösen und sich vermehrt der verwirklichenden Kunst der Versammlungen (assemblages) zuwenden.
Werner Friedrichs
Bildungspotenziale politischer Bildung im Kontext gesellschaftlicher Erwartungen
Zusammenfassung
Antidemokratische Tendenzen und das Infragestellen demokratischer Grundprinzipien wie Freiheit, Gleichheit und Pluralismus haben sich zu einem Kernproblem unserer Zeit entwickelt. Für die politische Bildung stellt sich die Frage, wie sie in diesem Kontext agieren kann, ohne bloß instrumentell zur Behebung gesellschaftlicher Krisen angefragt und auf schnelle Gegenstrategien reduziert zu werden. Dazu muss, so die These, die Bildungsidee politischer Bildung reaktualisiert werden. Politische Bildung gilt es dann als Prozess zu denken, in dem Menschen ihr Potenzial entfalten und relational mit der Welt in Beziehung treten können.
Susann Gessner
Kant, Adorno und Covid-19 – Politische Mündigkeit in den Zeiten der Pandemie
Zusammenfassung
Mündigkeit ist die „Pathosformel“ (Warburg) der politischen Bildung. In Zeiten der Covid-19-Pandemie ist sie besonders gefragt, ist der Bürger, die Bürgerin doch aufgefordert, sich aufgeklärt und selbstverantwortlich zu verhalten, weil ansonsten der Shutdown des öffentlichen Lebens droht. Der Beitrag erörtert, welche Impulse Immanuel Kant und Theodor W. Adorno als Klassiker des Mündigkeitsdiskurses für die heutige politische Bildung in der Corona-Krise geben können. Mit Kant ist der Stellenwert von Rationalität und öffentlichem Diskurs, mit Adorno die Frage der Bildungsgerechtigkeit verbunden.
Thomas Goll
Perspektivenvielfalt und Normativität als Antwortmöglichkeiten auf demokratische Herausforderungen?
Zusammenfassung
Mit dem Anspruch auf Perspektivenvielfalt werden in der politischen Bildung Postulate aufgestellt, die begründungspflichtig sind: Welche Perspektiven sollen (nicht) in den sozialwissenschaftlichen Unterricht einbezogen werden und warum? Im Beitrag wird vor dem Hintergrund einer reflexiven Fachdidaktik eine Differenzierung eingeführt, die zunächst die Struktur von Perspektivenvielfalt zwischen additiven und reflexiven Modellen idealtypisch zeigt und diskutiert. Anschließend werden Umgangsmöglichkeiten mit Perspektivenvielfalt im sozialwissenschaftlichen Unterricht skizziert. Sichtbar wird hier, dass normative  Orientierungen die jeweiligen Modelle von Perspektivenvielfalt nachhaltig beeinflussen. Für die Organisation von mündigkeitsorientierten Bildungserfahrungen wird vorgeschlagen, Normativität selbst multiperspektivisch zu konzeptualisieren, indem die divergierenden normativen  Orientierungen reflexiv einbezogen werden. Dazu werden drei prägende normative Prinzipien für die sozialwissenschaftliche Fachdidaktik rekonstruiert: Das Prinzip der Gesinnung, das Prinzip des Nutzens und das Prinzip der Mündigkeit. Alle drei Grundorientierungen stellen in der fachdidaktischen Diskussion um Perspektivenvielfalt folgenreiche normative Bezugspunkte bereit. Daraus werden am Ende des Beitrags Optionen für eine mündigkeitsorientierte Perspektivenvielfalt in der politischen Bildung gewonnen.
Stefan Müller
Aus der Krise lernen: Weiterentwicklung demokratischer Deutungsmuster
Zusammenfassung
Obwohl der Verlauf der Covid-19-Pandemie und die Auswirkungen der Krise auf die Alltagswelt, auf das politische System und auf die politische Kultur endgültig erst in der Rückschau beurteilt werden können, sind schon jetzt grundlegende, politikdidaktisch relevante Erkenntnisse festzuhalten. Dies zeigt ein am hermeneutischen Zirkel orientierter politischer Bewusstseinsbildungs- und Lernprozess, der ebenso die Ebenen der politischen Kultur berücksichtigt. Deshalb setzt der politische Bewusstseinsbildungs- und Lernprozess bei den eigenen existenziellen Krisenerfahrungen und bei denjenigen der Mitmenschen an und macht im Rahmen einer Zeit- und Fallanalyse die eigene, in der Auseinandersetzung mit den neuen gesellschaftlichen Erfahrungen gewonnene Wertorientierung bewusst. Konfrontiert man diese eigenen Deutungsmuster mit dem kontroversen Deutungsrahmen im politischen Kommunikations- und Entscheidungsprozess in der Krise – den demokratischen Deutungen und Entscheidungen, der Deutungsmacht populistischer Deutungen und Handlungen sowie den Verschwörungsideologien –, so können die eigenen Deutungsmuster emotional und durch die Akzentuierung analytischer und normativer Kategorien demokratisch neu strukturiert werden.
Carl Deichmann
Offen für Gründe – Welcher demokratische Anspruch ist an politische Urteile zu stellen?
Zusammenfassung
Demokratie und politische Bildung stehen in einem sich zugewandten Verhältnis. Doch folgt daraus, dass politische Urteile stets demokratisch sein müssen? Der Beitrag diskutiert diese Frage vor dem Hintergrund der derzeitigen Debatte um antidemokratische Bewegungen in der Gesellschaft, der Rolle politischer Bildung als Förderin von Demokratie und der individuellen Herausforderung für Lehrpersonen in der Unterrichtspraxis.
Luisa Girnus
Civic Statistical Literacy und politische Bildung im Informationszeitalter. Kooperative statistik- und politikdidaktische Erkundungen im Feld der Demokratiemessung
Zusammenfassung
Die Allgegenwart von Daten in der Informationsgesellschaft verlangt nach der Ausbildung von Data-Literacy als Querschnittsaufgabe des Bildungssystems. Bedeutend für die politische Bildung ist ein kompetenter Umgang mit zivilstatistischen Daten als Basis für politisches Urteilen auf wohlinformierter Grundlage. Im Aufsatz wird das aus der Statistikdidaktik stammende Konzept „zivilstatistische Lesefähigkeit“ (civic statistical literacy) vorgestellt. Es werden Verbindungslinien zur politischen Bildung geschlagen und praxiserprobte Lernaufgaben für Studierende im Feld der Demokratiemessung vorgestellt.
Florian Weber-Stein, Joachim Engel
Das Desinformationsdilemma – Demokratische Herausforderungen durch Falschnachrichten und ihre Bekämpfung
Zusammenfassung
Der Beitrag gibt einen Überblick über vorliegende wissenschaftliche Erkenntnisse zur Wirkung von Desinformation auf demokratische Kommunikationsprozesse. Empirische Verfahren der Effektmessung auf unterschiedlichen Ebenen (Mikro-, Meso- und Makroebene) werden kritisch diskutiert. Insbesondere im Hinblick auf die in der politischen Debatte problematisierten Makroveränderungen gesellschaftlicher Diskurse wird ein Mangel an empirischer Forschung diagnostiziert, woraus eine Reorientierung des Forschungsfeldes als Desiderat abgeleitet wird. Aus dem Bewusstsein für die diskursiven Verwundbarkeiten kann zudem ein Auftrag für die politische Bildung resultieren.
Wolf J. Schünemann
fact or fake? Eine politikdidaktische Untersuchung
Zusammenfassung
Wie und woher beziehen Schüler*innen ihre politischen Nachrichten? Können sie fact von fake zielsicher unterscheiden oder lassen sie sich von fingierten likes und sharepics in ihren Entscheidungen bzw. Urteilen beeinflussen? Mit Hilfe eines Fragebogens sind die Autoren diesen Fragen für eine erste Stichprobe in einer neunten Gymnasialklasse nachgegangen. Außerdem thematisieren sie, welche Auswirkungen Desinformation, alternative Fakten und fakenews auf die Demokratie haben und wie die politische Bildung diesen entgegenwirken könnte.
Hendrik Schröder, Julian Kreienhoop
Mundus vult decipi – Propaganda und Kulturindustrie im Kontext politischer Bildung
Zusammenfassung
Die Menschen glauben, was sie glauben wollen. Betonung auf wollen. (…) Nein, der Glaube der Menschen hängt nicht von Fakten ab, nicht von Beweisen. Schlimmer noch – und das ist fast so etwas wie der zweite Teil der Erleuchtung, eine Steigerung: Man kann ihnen Fakten liefern, man kann sie widerlegen, es hilft nichts. Im Gegenteil, wer etwas glauben will, findet einen Weg! Er wird sich durch den winzigen Spalt quetschen, den die Wahrheit im lässt. Wird die Dinge so lange so drehen und wenden, bis sie wieder in seinen Glauben hineinpassen, und seine ganze Klugheit wird ihn nicht etwa daran hindern, sondern ihm noch dabei behilflich sein.
Eugen Ruge, Metropol
Toren sind, die alles loben und lieben, was im Nebel verdrehter Worte dunkel daherkommt; Toren, die für wahr halten, was ihnen eingefärbt durch wohltönende Phrasen, reizvoll die Ohren kitzelt.
Lukrez, Über die Natur der Dinge
Ingo Juchler
Unterrichtsqualität des Politikunterrichts in der gymnasialen Oberstufe
Zusammenfassung
Die Frage nach der Unterrichtsqualität beschäftigt immer wieder die Politikdidaktik. Ziel der Studie ist es, mit mehr Skalen tiefere Einblicke in die Qualität des Politikunterrichts auf der gymnasialen Oberstufe zu erhalten. Zunächst geht der Beitrag auf die theoretische Systematisierung der von der Bildungsforschung entwickelten Merkmale „guten“ bzw. qualitätsvollen Politikunterrichts ein. Im dritten Abschnitt werden die bisherigen Ergebnisse zur empirischen Identifizierung von Qualitätsmerkmalen berichtet. Anschließend werden das Studiendesign und die ernüchternden Ergebnisse der Studie mit 883 Schüler*innen berichtet.
Georg Weißeno, Natalie Grobshäuser
Soziale Ungleichheit im deutschen Bildungssystem in Zeiten der Covid-19-Pandemie – Eine Erhebung: Chancen und Herausforderungen im deutschen Bildungssystem
Zusammenfassung
Die Digitalisierung nimmt seit dem Beginn der Covid-19-Pandemie in Bildungseinrichtungen einen immer höheren Stellenwert ein. Auch als Voraussetzung für die politische Bildung stellt die Digitalisierung einen wichtigen Faktor dar. Soziale Ungleichheiten und die damit einhergehenden Bildungsungleichheiten haben sich zudem insbesondere in den letzten Monaten bemerkbar gemacht. Viele Familien haben nur eingeschränkt oder gar keinen Zugang zu digitalen Medien und verfügen kaum über technische Hilfsmittel. Soziokulturelle und ökonomische Aspekte sind nur einige der Gründe hierfür. Hinzu kommen Geschlechterunterschiede und unterschiedlich ausgebildete Kompetenzen seitens der Schüler*innen.
Yunas Kaya
„Bewegt Euch!“ – Demokratisches Lernen in Kooperationen zwischen Schule und sozialen Bewegungen
Zusammenfassung
Politische Bildung muss an den politischen (Zukunfts-)Themen von Jugendlichen, an ihren besorgten Wahrnehmungen und (Ohnmachts-)Erfahrungen mit gesellschaftlichen Krisen anschließen, sie thematisieren und hinterfragen. Dafür kann die Zusammenarbeit von Schule und sozialen Bewegungen gewinnbringend sein.
Im Fokus des vorliegenden Beitrags stehen deshalb in-Kooperationen-besuchte, außerschulische Lernorte zwischen formellen Bildungsrahmungen und bewegungsnahem Bildungsaktivismus. In den Lernarrangements emanzipatorischer Bildungsbewegungen wirken verschiedene Gestaltungsmerkmale zusammen (hier: Sprecher*innen, Lernorte und methodisch-didaktische Zugänge) und entfalten besondere Lernpotenziale – beispielsweise, durch die Begegnungen mit Aktivist*innen als „interessanten Erwachsenen“ (Hafeneger), durch die Re-Politisierung vermeintlich unpolitischer Alltagsorte und -phänomene oder durch das Lernen in pädagogischen Aktionen im öffentlichen Raum. Es wird diskutiert, unter welchen Bedingungen die entstehenden Spannungsfelder als Kooperationspotenziale für politische Lernprozesse genutzt werden können.
Oliver Emde
Curriculare Demokratiebildung in Großbritannien. Historische Wurzeln und aktuelle Kontroversen entlang der „Prevent-Duty“
Zusammenfassung
Bildungspolitik in Großbritannien fällt in den Zuständigkeitsbereich der nationalen Parlamente in Schottland, Wales und Nordirland – Westminster gestaltet lediglich die Ausformung in England. Aufgrund der liberalen Trennung von Staat und Gesellschaft sowie Vorbehalten gegenüber staatlicher Indoktrination war der Weg zur Verankerung curricularer Demokratiebildung besonders im bevölkerungsreichsten Landesteil England steinig. Der Beitrag analysiert historische Entwicklungen und aktuelle Kontroversen um Demokratiebildung als Aufgabe von Schulen, wobei der Prevent-Duty – der Meldung von radikalisierungsgefährdeten Schüler*innen an das staatliche „Channel“-Programm – besondere Aufmerksamkeit zukommt.
Isabelle-Christine Panreck
Metadata
Title
Demokratie im Stresstest
Editors
Prof. Dr. Carl Deichmann
Prof. Dr. Marc Partetzke
Copyright Year
2021
Electronic ISBN
978-3-658-33077-4
Print ISBN
978-3-658-33076-7
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-33077-4

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