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1990 | Book

Denkweisen großer Mathematiker

Ein Weg zur Geschichte der Mathematik

Author: Herbert Meschkowski

Publisher: Vieweg+Teubner Verlag

Book Series : Facetten

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About this book

Lichtenberg, der geistreiche Spötter, hat über die Mathematiker einmal gesagt: Die Mathematik ist eine gar herrliche Wissenschaft, aber die Mathe­ matiker taugen oft den Henker nicht. Es ist fast mit der Mathematik wie mit der Theologie. So wie die der letztern Beflissenen, zumal wenn sie in )fmtern stehen, Anspruch auf einen besondern Kredit von Heilig­ keit und eine nähere Verwandtschaft mit Gott machen, obgleich sehr viele darunter wahre Taugenichtse sind, so verlangt sehr oft der soge­ nannte Mathematiker für einen tiefen Denker gehalten zu werden, ob es gleich darunter die größten Plunderköpfe gibt, die man nur finden kann, untauglich zu irgendeinem Geschäft, das Nachdenken erfordert, wenn es nicht unmittelbar durch jene leichte Verbindung von Zeichen geschehen kann, die mehr das Werk der Routine, als des Denkens sind. 1) In diesem Buch soll gezeigt werden, daß die Mathematiker nicht alle "Plunder­ köpfe" im Sinne Lichtenbergs sind. Gerade die Beschäftigung mit der Mathe­ matik hat zu allen Zeiten zu originellem Denken angeregt; ja, man ist auf diese Weise zu Erkenntnissen gekommen, die weit über die Mathematik hinaus von hoher Bedeutung sind. Wir erinnern an die Folgerungen, die die Pythagoreer aus der Existenz inkommensurabler Strecken gewonnen haben. Weiter ist die Begründung der formalen Logik zu erwähnen und die moderne Grundlagenforschung mit ihren erkenntnistheoretischen Aussagen. Auf der anderen Seite haben Forscher wie Archimedes oder John von Neumann es verstanden, die Einsichten einer formal interpretierten Mathematik für die Lösung schwieriger technischer Probleme zu nutzen.

Table of Contents

Frontmatter
I. Die Pythagoreer
Zusammenfassung
Die Ursprünge der Mathematik liegen im Dunkeln. Der Historiker, der etwa die Geschichte der Mathematik im alten Ägypten erforschen will, muß seine Einsichten aus dem Studium von nur drei größeren Dokumenten (und einigen Fragmenten) herleiten ([I 5], S. 15). Diese Papyri waren Rechenanleitungen für den praktischen Gebrauch: Die Beamten des Pharao sollten daraus lernen, wie man Lohnsummen berechnet oder den Bedarf an Getreide für das Backen einer bestimmten Menge Brot.
Herbert Meschkowski
II. Euklid
Zusammenfassung
Man weiß wenig von dem Lebensgang des Mathematikers Euklid von Alexandria. Um 300 v. Chr. hat er gelebt; aber die Jahreszahlen seiner Geburt und des Todes sind nicht überliefert. Er stammte aus Griechenland und war Anhänger der Philosophie Platons. Wahrscheinlich hat er sich an der Akademie Platons in Athen ausgezeichnet, so daß Ptolemäus I., der Nachfolger Alexanders des Großen, Grund genug sah, ihn zum Leiter der Universität Alexandria zu machen. Von seiner Wirksamkeit in Alexandria sind uns nur wenige Anekdoten überliefert. Außerdem haben wir sein großes, durch die Jahrtausende aktuelles Werk, die „Elemente“. Die wenigen Geschichten über Euklid sind geeignet, uns seine Denkweise zu verdeutlichen. Da wird von einem reichen Studenten erzählt, der nach dem ersten Unterricht den Meister gefragt habe, was man denn mit der Mathematik verdienen könne. Euklid forderte seinen Diener auf, dem Schüler ein paar Groschen zu geben, da er aus der Mathematik offenbar materiellen Gewinn erwarte. Die Forschungen Euklids waren — ganz im Geiste Platons — auf die reine Erkenntnis gerichtet, nicht auf „praktische“ Anwendungen oder gar auf materiellen Gewinn. Platon wollte durch die Beschäftigung mit der Mathematik der „Idee des Guten“ näherkommen.
Herbert Meschkowski
III. Archimedes
Zusammenfassung
Plutarch berichtet von Platon, daß er sich ereifert habe über solche Mathematiker wie Eudoxos und Archyatas, die die Mathematik zur Lösung mechanischer Probleme verwandten. Er warf ihnen vor, „daß sie die Würde der Geometrie verletzten, indem sie diese vom Unkörperlichen und Intellektuellen zum Körperlichen herabsinken“ ließen. Für Platon war ja die Beschäftigung mit der Geometrie der wichtigste Zugang zur Welt der Ideen. Man benutzte diese Wissenschaft nicht, um sich Geld zu verdienen1), man „entwürdigte“ sie auch nicht durch die Anwendung auf technische Probleme.
Herbert Meschkowski
IV. Nikolaus von Cues
Zusammenfassung
In den ersten christlichen Jahrhunderten stand die Mathematik nicht hoch im Kurs. Sie war suspekt wegen ihrer engen Bindung an die heidnische Philosophie, ja sie galt vielen als „Teufelswerk“, da sich oft die Wahrsager und Astrologen als „Mathematiker“ bezeichneten.
Herbert Meschkowski
V. Cardano und Tartaglia: Kubische Gleichungen
Zusammenfassung
In der „Coss“ von Christoff Rudolff, dem „durch Michel Stifel gebesserten und sehr vermehrten“ Rechenbuch (1553), findet sich folgende Aufgabe:
Ich hab ein zahl ist minder denn 10. Wenn ich sye multiplizir mit 3 erwechst ein produkt/ist 7 mal soviel vber 10 als meyne zal ist vnter 10.
Herbert Meschkowski
VI. Pierre de Fermat
Zusammenfassung
Wenn sich heute jemand mit der Mathematik beschäftigt, tut er es oft nur deshalb, weil er durch den Lehrplan seiner Schule oder Hochschule dazu angehalten wird. Es kann auch sein, daß die vielfältige technische Anwendbarkeit der Mathematik ihn dazu bringt. Nur selten wird die Freude an der „göttlichsten Spielerei“ mit Zahlen und Figuren der Grund sein. Das war nicht immer so.
Herbert Meschkowski
VII. Blaise Pascal
Zusammenfassung
Gilberte Pascal-Périer, die Schwester des Mathematikers, berichtet von den eigenartigen Erziehungsmethoden ihres Vaters Etienne Pascal: Weil er wußte, „daß die Mathematik den Geist ganz ausfüllt und befriedigt, wollte er nicht, daß mein Bruder irgend welche Kenntnisse davon bekomme, damit er dadurch nicht das Latein und die anderen Sprachen vernachlässige“.
Herbert Meschkowski
VIII. Gottfried Wilhelm Leibniz
Zusammenfassung
Die Wissenschaft des 20. Jahrhunderts ist das Feld der Spezialisten: Wer in der Forschung Eigenes erreichen will, muß harte Vorarbeit leisten in irgendeinem engen Spezialbereich seiner Wissenschaft. Er muß zuerst zu verstehen versuchen, was andere vor ihm erdacht oder entdeckt haben. Dieses vorliegende Material ist so umfangreich, daß damit jeder Forscher notwendig zum „Spezialisten“ wird. Er muß viel wissen, aber sein Wissen ist dennoch kein „weites Feld“: Es ist konzentriert auf jene Bezirke der Wissenschaft, die für die von ihm gewählte Fragestellung wichtig sind. — Für unsere akademische Ausbildung ist es eine Lebens-frage, wie wir diese Isolierung der Forschenden überwinden können, ohne die Konzentration ihrer Arbeit zu gefährden.
Herbert Meschkowski
IX. Die Brüder Bernoulli
Zusammenfassung
Man hat die Entstehung der Infinitesimalrechnung verglichen mit der Entdeckung Amerikas: Leibniz fällt die Rolle des Columbus zu, die Brüder Bernoulli sind die Conquistadoren des neu entdeckten Landes, Euler (Kap. X) schließlich ist der große Kolonisator (Spieß [IX 6], S. 25). Man kann gegen diesen Vergleich einwenden, daß Leibniz (im Unterschied zu Columbus) sehr wohl wußte, was er entdeckt hatte, und er war auch an einigen Streifzügen in das „Landesinnere“ beteiligt.
Herbert Meschkowski
X. Leonhard Euler
Zusammenfassung
Es gibt hervorragende Mathematiker, die nie ein Buch geschrieben haben. Wenn dann die Nachfahren die Publikationen aus den Zeitschriften zusammenfassen, so kommt manchmal nur ein einziger Band heraus. Das gilt zum Beispiel für den Begründer der Mengenlehre, Georg Cantor (Kap. XVIII).
Herbert Meschkowski
XI. Carl Friedrich Gauß
Zusammenfassung
Als Carl Friedrich Gauß am 23. Februar 1855 starb, ließ der König von Hannover eine Gedenkmünze prägen mit der Widmung: GEORGIUS V REX HANNOVERAE MATHEMATICORUM PRINCIPI. — Es ist nicht schwer zu begründen, warum Gauß seinen Zeitgenossen als der „Fürst der Mathematiker“ galt. Man kann auf die Weite seines Schaffens hinweisen, die von der reinen Zahlentheorie, der Algebra und Analysis bis zur angewandten Mathematik, zur Astronomie und Physik reichte. Siehe [XI 1]. Aber solche Aufzählungen haben nur Überzeugungskraft, wenn man in die Breite gehen und sie durch eine ausführliche Würdigung einzelner Leistungen ergänzen kann.
Herbert Meschkowski
XII. Bernard Bolzano
Zusammenfassung
Das Abnehmen von Prüfungen gehört zu jenen Pflichten eines Hochschullehrers, die nur selten als vergnüglich empfunden werden. Als aber der Student Bernard Bolzano (1781–1848) im Jahre 1800 an der Universität Prag eine Zwischenprüfung in Mathematik ablegte, fand der Vorsitzende, Studiendirektor Ungar, diese so interessant, daß er für zwei Stunden seine Gichtschmerzen vergaß.
Herbert Meschkowski
XIII. Bolyai und Lobatschewsky: Nichteuklidische Geometrie
Zusammenfassung
Im Jahre 1763 legte der Göttinger Mathematiker Abraham Kästner (1719–1800) seiner Fakultät eine Dissertation [XIII 1] seines Schülers Georg Klügel (1739–1812) vor, in der er die wichtigsten Beweisversuche für das Euklidische Parallelenpostulat (Kap. II) kritisch untersucht hatte. Er kam zu dem Ergebnis, daß alle 28 Versuche unzulänglich waren. Es ist schon im Kap. II gesagt worden, daß viele Mathematiker meinten, das Parallelenpostulat sei überflüssig; es müsse beweisbar sein, da seine Umkehrung aus den übrigen Postulaten und Axiomen Euklids hergeleitet werden könne. Und man war gewöhnt, daß man in der Geometrie bei Vertauschung von Voraussetzung und Behauptung immer wieder zu einer richtigen Aussage kommt.
Herbert Meschkowski
XIV. Ernst Eduard Kummer
Zusammenfassung
Am 8. Juli 1828 erklärte der Student Ernst Eduard Kummer (1810– 1893) seiner Mutter in einem längeren Brief, daß er aus Gewissensgründen das Studium der Theologie aufgeben und zur Mathematik über-wechseln wolle:
„ … habe ich … mir die Mathematik erwählt, weil es die Wissenschaft ist, in welcher der tiefer forschende von anderen nicht mißverstanden, oder für gottlos und schlecht gehalten wird sondern in welcher was einer wahres findet von allen anerkannt werden muß und anerkannt wird.“
Herbert Meschkowski
XV. George Boole
Zusammenfassung
Es scheint, daß in unserer Zeit des Spezialistentums ein liebenswerter Typ des Mathematikers im Aussterben begriffen ist: der Autodidakt, der ohne vollständige Kenntnis der Fachliteratur sich in ein Problem hineingrübelt und auf eigenen Wegen in ein Neuland vordringt, das den Fachleuten bisher verschlossen war. Es fehlt allerdings auch heute nicht an mathematischen Sonderlingen, die — unbeschwert von Sachkenntnis — nachweislich unlösbare Probleme erledigen wollen. Die Schriftleiter von mathematischen Zeitschriften und die Autoren der einschlägigen Bücher kennen solche durch die konsequente Zähigkeit des Mißverstehens schwierigen Briefschreiber.
Herbert Meschkowski
XVI. Weierstraß und seine Schule
Zusammenfassung
Im Gymnasium zu Braunsberg in Ostpreußen gab es eines Morgens — es war in den fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts — einen durchaus ungebührlichen Lärm: Der Oberlehrer Karl Weierstraß (1815 bis 1899) war nicht erschienen, und seine Klasse randalierte. Der Direktor eilte in die Wohnung seines jungen Kollegen und fand ihn hinter geschlossenen Gardinen beim Lampenschein mit einer Arbeit über die Jacobischen Funktionen beschäftigt. Er hatte die Nacht über gearbeitet und gar nicht bemerkt, daß es längst Zeit war, in die Schule zu gehen.
Herbert Meschkowski
XVII. Bernhard Riemann
Zusammenfassung
Wenn man heute einen Mathematiker fragen würde, was ihm bei Nennung des Namens „Riemann“ einfällt, so könnte er schon einiges aufzählen. Da gibt es in der Funktionentheorie die Riemannsche Zahlenkugel und die Riemannschen Flächen, die Cauchy-Riemannschen Differentialgleichungen und die Riemannsche Zeta-Funktion. Weiter könnten ihm die Riemannschen Räume und die Riemannsche Metrik einfallen. Es gibt wenige Mathematiker, deren Name so oft in Verbindung mit einem mathematischen Begriff in einem Wörterbuch zu finden ist.1)
Herbert Meschkowski
XVIII. Georg Cantor
Zusammenfassung
Es spricht nicht immer gegen den Autor, wenn die Schriftleitung eines wissenschaftlichen Journals zögert, eine vorgelegte Arbeit zu veröffentlichen. Gerade wenn die Ergebnisse der Arbeit außerordentlich sind, wird eine gewissenhafte Redaktion es sich zwei- oder dreimal überlegen, ob nicht irgendwo ein Fehler vorliegt. So hat auch die Schriftleitung von Crelles Journal die Publikation einer ihr von dem Hallenser Extraordinarius Georg Cantor (1845–1918) am 12. Juli 1877 vorgelegte Abhandlung immer wieder zugunsten später eingereichter Manuskripte verschoben, sehr zum Ärger des Verfassers2).
Herbert Meschkowski
XIX. Felix Klein
Zusammenfassung
Felix Klein (1849–1925), ein Forscher von hohem Rang, hat sich immer wieder für die Belange der Schulmathematik eingesetzt. Dieser Satz klingt fast trivial in einer Zeit, in der viele sich berufen fühlen, in Fragen der Bildungspolitik mitzureden. Damals aber, im 19. Jahrhundert, wurden zwar die Gymnasiallehrer an den Universitäten ausgebildet, aber die Professoren interessierten sich kaum für die künftigen Aufgaben ihrer Studenten. Wenn ein Student sich an der Universität etwa mit partiellen Differentialgleichungen beschäftigt hatte, so würde er wohl (das meinte man) in der Lage sein, mit den Problemen der Elementarmathematik fertig zu werden.
Herbert Meschkowski
XX. Henri Poincaré
Zusammenfassung
Von einem Professor der theoretischen (oder „mathematischen“) Physik erwartet man, daß er die Ergebnisse der experimentellen Forschung in mathematische Strukturen einordnen kann. Von ihm wird nicht verlangt, daß er auch auf dem Gebiet der Mathematik forschend erfolgreich sei. Kein Geringerer als Einstein hat sich bei mathematischen Kollegen Rat geholt, als er den Matrizenkalkül zum Aufbau der Allgemeinen Relativitätstheorie heranziehen wollte. Freilich, Carl Friedrich Gauß (Kap. XI) war Professor der Astronomie und wurde doch seiner mathematischen Leistungen wegen als Princeps Mathematicorum gefeiert.
Herbert Meschkowski
XXI. David Hilbert
Zusammenfassung
Als David Hilbert (1862–1943)2) einmal berichtet wurde, daß einer seiner Studenten von der Mathematik zur Germanistik übergegangen sei, soll er gesagt haben: „Der Arme ist unter die Dichter gegangen. Für die Mathematik hatte er nicht genug Fantasie!“
Herbert Meschkowski
XXII. Erhard Schmidt
Zusammenfassung
Man kann in einem doppelten Sinne von einer Wandlung der „Denkweisen“ der großen Mathematiker sprechen. Da gibt es zunächst jene Veränderungen, die durch die Fortschritte der Forschung in großen Zeiträumen bedingt sind. In der Antike hatten die Mathematiker ein naives Zutrauen zur Realität der Ideen, und die Postulate und Axiome waren ihnen unmittelbar einleuchtende Wahrheiten. In der Neuzeit wurde diese Haltung u. a. durch die Entdeckung der nichteuklidischen Geometrie in Frage gestellt. Alle Mathematiker mußten mit dieser Einsicht fertig werden; ihre Denkweise war deshalb nicht mehr so „naiv“ wie die Euklids.
Herbert Meschkowski
XXIII. Luitzen Egbertus Jan Brouwer
Zusammenfassung
Die These Kroneckers über den lieben Gott und die ganzen Zahlen wird immer wieder zitiert als ein Beleg für die Opposition des Zahlentheoretikers Kronecker gegen die Weierstraßsche Analysis und die Cantorsche Mengenlehre. Man findet aber diesen Satz nirgends in seinen gesammelten Werken. Tatsächlich stammt dieses Zitat aus einem Diskussionsbeitrag Kroneckers auf einer Tagung der Naturforscher und Ärzte3). Kronecker hat zwar mehrfach eine ausführliche Darlegung seiner Einwände gegen die Methoden der Analysis angekündigt, aber es ist nie zu einer solchen Veröffentlichung gekommen. So bleibt nur dieser wohl in die Diskussion hineingeworfene Satz, den wir im Motto dieses Kapitels zitiert haben. Weierstraß und seine Schüler (vor allem Cantor) haben unter der Haltung Kroneckers sehr gelitten, aber sie konnten sich doch nicht mit ihm auseinandersetzen, weil Kronecker nicht ausführlicher wurde.
Herbert Meschkowski
XXIV. Emmy Noether
Zusammenfassung
In der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg waren Frauen an den deutschen Universitäten meist nur als Gasthörerinnen zugelassen. In der Mathematik waren sie besonders rar, schon deshalb, weil die exakten Wissenschaften im Bildungsgang für die „höheren Töchter“ kaum eine Rolle spielten. Wenn aber eine Frau sich trotz allem in der Mathematik durchsetzte, so erregte das einiges Aufsehen.
Herbert Meschkowski
XXV. John von Neumann
Zusammenfassung
Die sich so vielfach verzweigenden Fortschritte der Forschung scheinen es unvermeidlich zu machen, daß sich auch die Mathematiker immer mehr spezialisieren. Wenn sich ein Mathematiker etwa auf dem Gebiet der Funktionentheorie hervorgetan hat, dann ist es wohl möglich, daß er sich später auch auf dem allgemeineren Felde der Funktionenanalysis auszeichnet. Es ist aber nicht zu erwarten, daß er außerdem auf dem Gebiet der Computertechnik oder dem der Beweistheorie aktiv wird. Bei John von Neumann (1903–1957)1) war das anders. Sein Arbeitsfeld reichte von der Mengenlehre bis zur Beweistheorie und den fastperiodischen Funktionen. Er arbeitete über Spieltheorie, Funktionalanalysis und Rechentechnik (um nur die wichtigsten seiner Arbeitsfelder zu nennen). Ein Beleg für seine Vielseitigkeit ist der Umstand, daß Berichte über sein Wirken meist von einem Autorenteam stammen, weil einer der Autoren allein sich nicht für kompetent hielt, über das ganze Feld der Neumannschen Aktivitäten zu berichten. Man versteht, daß man den vielseitigen und ungewöhnlich schnell denkenden Forscher als „Doctor miraculus“ (nach einer Figur aus den Erzählungen von E. T. A. Hoffmann) bezeichnete.
Herbert Meschkowski
Backmatter
Metadata
Title
Denkweisen großer Mathematiker
Author
Herbert Meschkowski
Copyright Year
1990
Publisher
Vieweg+Teubner Verlag
Electronic ISBN
978-3-322-85073-7
Print ISBN
978-3-322-85074-4
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-322-85073-7