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2014 | OriginalPaper | Chapter

9. Die grenzenlose Selbstverwertung des Kapitals – wie Marx die Globalisierung antizipierte

Author : Florian Butollo

Published in: Marx für SozialwissenschaftlerInnen

Publisher: Springer Fachmedien Wiesbaden

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Zusammenfassung

Mit der Debatte rund um den Begriff „Globalisierung“ und den Auseinandersetzungen um deren Auswirkungen erlebte Karl Marx eine erstaunliche Wiederauferstehung. Er schaffte es in der ZDF-Fernsehshow „Unsere Besten“ im Jahr 2003 auf Platz drei der wichtigsten Deutschen (nach Konrad Adenauer und Martin Luther), und Der Spiegel attestierte ihm, im Kommunistischen Manifest korrekt die Globalisierung vorhergesagt zu haben. Tatsächlich lesen sich einige Passagen in Marx’ Werk, die zu seinen Lebzeiten oft eher eine Prognose als eine Gegenwartsanalyse waren, wie eine Beschreibung der heutigen weltwirtschaftlichen Dynamik. Am eindringlichsten sind sicher die berühmten Sätze im Kommunistischen Manifest, in denen Marx und Engels davon schreiben, dass die Bourgeoisie auf der Suche nach ausgedehnteren Absatzmärkten „über die ganze Erdkugel“ jage, um sich überall „einzunisten“, und dabei traditionelle Formen von Produktion und Konsum verdränge. Eine Rekonstruktion von Marx’ Aussagen zum Thema „Globalisierung“ scheint insofern ein lohnendes Unterfangen zu sein.

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Footnotes
1
Eine marxistische Definition von „Globalisierung“ müsste entsprechend auch mehr enthalten als bloße formale Merkmale, wie z. B. Intensivierung von grenzüberschreitenden Interaktionen, Internationalisierung, etc. Globalisierung wäre als Ausdruck und Resultat der Kapitalakkumulation zu fassen. Zugleich können die bestimmten historischen Phasen der Globalisierung nicht unmittelbar aus dem Kapitalverhältnis abgeleitet werden, sondern benötigen eine spezifische Analyse ihrer politischen Formen (vgl. ten Brink 2008, S. 137–140; Altvater und Mahnkopf 2004, S. 17).
 
2
Die Annahme einer vollständigen „Befreiung“ des Marktes aus den gesellschaftlichen Bindungen wurde allerdings seitdem vielfach kritisiert. Am bekanntesten ist wohl das Werk von Karl Polanyi (2010), der argumentierte, dass der Markt stets in soziale Verhältnisse und Institutionen eingebettet sei und eine vollständige „Entbettung“ kaum möglich sei. Eine ähnliche Auffassung vertreten auch Autoren der so genannten „Regulationsschule“ (z. B. Aglietta 2000, S. 9–24). Dies deckt sich mit Analysen der neoliberalen Globalisierung, die darauf hinweisen, dass der Staat nicht an Bedeutung verliere, sondern eben eine tragende Rolle für Internationalisierungsprozesse des Kapitals spielt (Jessop 2002).
 
3
In anderen Passagen seines Werks weist Marx allerdings darauf hin, dass der Preis der Ware Arbeitskraft, anders als alle anderen Waren, „ein historisches und moralisches Element“ enthalte, da die Perspektive der Arbeiter darauf, was ihre natürlichen Bedürfnisse seien, historisch und kulturell variabel sei (MEW 23, S.185). Insofern ist die Frage dessen, was das Lohnminimum sei, stets eine Frage des Klassenkampfes (vgl. dazu Kap. 3 in diesem Band).
 
4
Marx’ Position über die historische Fortschrittlichkeit des Kapitalismus wurde außerdem oftmals dahingehend interpretiert, dass er die Entwicklung des Kapitalismus für zwangsläufig und unerlässlich für einen Fortschritt zum Sozialismus gehalten hätte. Dies legt auch eine Stelle in der Einleitung des Kapitals nahe, in der er schreibt, dass „das industriell entwickelte Land [hier: England] dem minder entwickelten nur das Bild der eignen Zukunft“ zeige (MEW 23, S. 12). In Entwürfen eines Briefes an die russische Marxistin Vera Sassulitsch von 1881 beschränkt er die Gültigkeit bestimmter im Kapital formulierten Gesetzmäßigkeiten des Fortschritts allerdings explizit auf Westeuropa. Er spekuliert außerdem darüber, ob sich der Sozialismus in Russland aus den überkommenen Ackerbaugemeinden entwickeln, der Kapitalismus also sozusagen übersprungen werden könne (MEW 19, S. 401–405). Während er die kapitalistische Entwicklung in Indien, wie oben ausgeführt, aus praktischen Gründen als alternativlos darstellt, ist es für Marx durchaus denkbar, dass es andere Muster des Fortschritts in anderen Regionen der Welt geben kann (Vgl. Renton 2001, S. 67 f.).
 
5
Auch eine theoretische Abhandlung über den Staat gehört zu Marx’ unvollendeten Projekten. Ursprünglich hatte er angekündigt, dies in einem vierten Band seines Hauptwerkes zu erledigen (MEGA II/2, S. 99, vgl. Heinrich 2002).
 
6
Held et al. Unterscheiden in Bezug auf den allgemeinen Globalisierungsdiskurs „Hyperglobalisierer“, die von einer weitgehenden globalen Integration und dem Bedeutungsverlust der Nationalstaaten ausgehen, „Skeptiker“, welche keine oder kaum qualitative Veränderungen ausmachen und „Transformalisten“, die prozesshafte Strukturveränderungen ausmachen (1999, S. 3–10).
 
Metadata
Title
Die grenzenlose Selbstverwertung des Kapitals – wie Marx die Globalisierung antizipierte
Author
Florian Butollo
Copyright Year
2014
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-531-18865-2_9