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2021 | OriginalPaper | Chapter

4. Die Sprache des Rentenversicherung-Altersgrenzenanpassungsgesetzes

Author : Marcus Zachäus

Published in: Der lange Weg der Rente mit 67

Publisher: Springer Fachmedien Wiesbaden

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Zusammenfassung

Die maßgebliche Erweiterung der vorliegenden Arbeit im Vergleich zu anderen Policy-Analysen ist die sprachwissenschaftlich gestützte Analyse der Post-Entscheidungs-Regierungskommunikation (PERK) der Großen Koalition bezüglich des RV-AGAG im Verabschiedungszeitraum des Gesetzes von Ende 2005 bis Anfang 2007.

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Appendix
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Footnotes
1
Zunächst habe ich MAXQDA 11 Plus, am Ende MAXQDA 2018 Analytics Pro für die Analyse verwendet.
 
2
Spitzmüller/Warnkes DIMEAN ist nicht das einzige empirische Konzept für die linguistische Diskursanalyse, aber sowohl das allgemeinste als auch individuell anpassbarste, welches auch „inzwischen breit rezipiert wurde“ (Niehr 2014a: 68). Ähnliche, aber mithin methodisch und theoretisch viel engere Konzepte finden sich z. B. bei Niehr (2014a), Spieß (2008, 2011) oder Felder (2013). Einen breiten Überblick über verschiedene Herangehensweisen an eine linguistische Diskursanalyse bieten die Sammelwerke von Warnke/Spitzmüller (2008) und Busse/Teubert (2013). Einen sehr guten, theoretisch orientierten Beitrag zur linguistischen Diskursanalyse liefert Busse (2013). Zudem beschäftigen sich die Beiträge in Warnke (2007b) mit den theoretischen Vorüberlegungen zur Diskurslinguistik nach Foucault.
 
3
Ein/e Emittent*in ist die Person oder Personengruppe, von der ein Text ursprünglich ausgeht bzw. die verantwortlich für den Text ist (vgl. Brinker 2005: 16). Diese Rolle kann mit dem/der Produzent*in (hat den Text verfasst, vgl. Burger 1990: 29) und/oder mit dem/der Kommunikator*in (trägt den Text vor, vgl. Burger 1990: 28) des Textes zusammenfallen, muss es aber nicht. Zum Beispiel kann ein Text von einem/einer Emittent*in in Auftrag gegeben werden und er/sie trägt ihn sodann nur vor, schreibt ihn aber nicht selber. Ein anderes Szenario kann sein, dass ein/e Produzent*in und Kommunikator*in in Personalunion von einer anderen Person den Auftrag für einen Text und das Vortragen dieses Textes bekommen hat.
 
4
In dieser Arbeit wird der Begriff Kontext für den „situativen Äußerungskontext“ (Glück 2005) einer Äußerung verwendet. Damit sind die Gegebenheiten, Vorkommnisse, Situationen, Akteurinnen und Akteure, Diskurse usw. gemeint, die eine Äußerung umgeben, die an einer Äußerung beteiligt sind beziehungsweise in die eine Äußerung eingebettet ist. Als Kotext werden hingegen Redestellen bezeichnet, die sich sprachlich in der Umgebung einer im Fokus stehenden Redestelle befinden: das heißt die Wörter, Sätze und Absätze, die vor und nach einer Äußerung zu finden sind (vgl. Pätzold 2005). Hierbei liegt die Obergrenze bei der Rede selber, was bedeutet, dass alles, was z. B. in einer Rede geäußert wurde, der Kotext für eine bestimmte Redestelle sein kann.
 
5
Siehe für eine andere, meiner Einschätzung nach aber unpassendere Übersetzung mit entsprechender Diskussion der genannten englischen Begriffe Adamzik (2002: 219 f.).
 
6
Insbesondere in dem Buch von 1990 könnte man Burger auch so verstehen, dass er die Brechung nur bei expliziter und nicht auch bei impliziter Kommunikation sieht bzw. nur dort wo es offensichtlich durch verbale Adressierung oder entsprechende Mimik und Gestik wird, dass eine Person im ersten die Personen im zweiten und/oder dritten Kommunikationskreis anspricht. In der dritten Auflage von 2005 formuliert Burger hingegen so, als ob „Brechung der Kommunikationssituation“ nur ein anderer Ausdruck für „Doppeladressierung“ sei und daher sowohl explizite als auch implizite Kommunikation einschließe.
 
7
Außer z. B. bei standardisierten oder ritualisierten Ansprachen oder Begrüßungen wie „liebe Kolleginnen und Kollegen“. Und selbst hier könnte man sich fragen, ob diese standardisierten Ansprachen nicht auch dazu dienen, einen Zusammenhalt oder eine kollegiale Atmosphäre unter den Abgeordneten gegenüber der Bevölkerung darzustellen.
 
8
Es kommt hierbei zu keiner Verschiebung der Kommunikationskreise wie bei der Scheinadressierung. Auch wenn der/die Redner*in Personen(gruppen) im zweiten oder dritten Kommunikationskreis explizit anspricht, so befinden sich diese immer noch in diesem Kommunikationskreis und nicht plötzlich im ersten, denn die gesamte Kommunikationssituation ist damit ja nicht aufgelöst oder verändert. Es verändert sich nur die Ansprache, welche nun direkt an den/die zumeist nicht anwesenden, aber eigentlichen Adressaten gerichtet ist.
 
9
Der Begriff explizit ist dabei eher weit zu fassen, das heißt, dass immer dann codiert wird, wenn man mindestens eine/n konkrete/n Adressat*in über Kotext und Kontext ausmachen kann.
 
10
Ich verwende im Rahmen der Argumentationsanalyse die Worte Schema und Muster synonym zueinander.
 
11
Kienpointner hat darüber hinaus mit seinem Buch Vernünftig argumentieren 1996 eine gekürzte, populärwissenschaftliche Version seiner Habilitationsschrift Alltagslogik von 1992 veröffentlicht.
 
12
Ich übernehme bei der Darstellung der formalen Argumentationsschemata die Darstellungsweise von Kienpointner (1992). Hierbei wird das Argumentationsschema in drei Sätze unterteilt. Zunächst wird die Oberprämisse (auch Schlussregel genannt) genannt. Im vorliegenden Fall ist dies der Satz ‚Wenn die Folgen…‘. Es folgt die Unterprämisse (auch Argument genannt). Im vorliegenden Fall ist dies der Satz ‚Die Folgen der Handlung…‘. Die Prämissen werden dann durch einen Querstrich von der folgenden Konklusion grafisch getrennt (vgl. zu dieser Darstellung auch Wengeler 2003: 300f.). Im vorliegenden Fall ist dies der Satz ‚Also: Sowohl die Handlung…‘.
 
13
Wie bereits in der Einleitung angemerkt: Bei den folgenden Ausführungen möchte ich der Einfachheit halber die kontextspezifischen Argumentationsmuster mit Topos bezeichnen und die kontextabstrakten Argumentationsmuster weiterhin formale Argumentationsmuster oder auch nur Argumentationsmuster nennen.
 
14
Man denke etwa an den mittlerweile in der deutschen Politik schon legendären Satz von Angela Merkel (2015) „Wir schaffen das!“, welchen sie in der Sommerpressekonferenz zur Innen- und Außenpolitik Deutschlands am 31. August 2015 sagte. Angela Merkel war zwar nicht die erste Politikerin, die im Rahmen der Flüchtlingssituation 2015 diesen Satz äußerte; dies war der damalige Vizekanzler Sigmar Gabriel (vgl. stellvertretend Heißler 2016; FAZ 2016). Jedoch waren es die von Merkel gesagten Worte, die im Anschluss unzählige Male von der deutschen Presse wiederholt wurden und damit stark den Flüchtlingsdiskurs 2015 prägten.
 
15
Ich verwende im Rahmen der sprachwissenschaftlichen Untersuchung der PERK des RV-AGAG die Begriffe Code und Kategorie gleichwertig und synonym.
 
16
Im Rahmen der illustrativen Beispielzitate aus Bundestagsdebatten verwende zur Abgrenzung zu den Bundestagsplenarprotokollen die Bezeichnung Bundestagssitzung, die ich mit BT-Sitzung abkürze.
 
17
Ich greife an dieser Stelle etwas vor und nenne bereits Frames, Adressierungen, Argumentationsmuster und Topoi, die ich erst im folgenden Kapitel 4.4 vorstellen werde. Bei Unklarheiten bitte ich den/die Leser*in, am entsprechenden Ort die jeweiligen Definitionen und Erklärungen zu den Kategorien nachzuschlagen.
 
18
Dies macht er sicherlich auch, aber aufgrund der Erklärungen in den Kapiteln 4.2.2, 4.3.2 und (vorgreifend) 4.4.2 habe ich solche redundanten Doppelcodierungen ausgeschlossen.
 
19
Mit Sub-Frames sind in diesem Zusammenhang spezielle Varianten von Frames einer höheren Ordnung gemeint, welche noch zugespitzter als der jeweils allgemeinere Frame formuliert sind. Ein Beispiel ist der Frame Wertschätzung, welcher sich in die drei Sub-Frames Anti-Frühverrentung, Anti-Untätigkeit und Ungerechtigkeit unterteilt. Alle genannten Frames haben das Ziel, die Arbeit alter Erwerbstätiger wertzuschätzen und die Menschlichkeit im Umgang mit diesen Menschen herauszustellen. Der Wertschätzungs-Frame ist seinerseits ein Sub-Frame des Arbeit-für-Ältere-Frames, welcher ein Sub-Frame des unmittelbaren Pro-Frames Sozialverträglichkeit ist. Siehe für die Hierarchisierung aller Frames auch die Tabellen in den Kapiteln 6.5 und 6.6 (siehe Online-Anhang).
 
20
Aus dem gleichen Grund habe ich den Median anstatt des arithmetischen Mittels auch bei den Codeabdeckungen der Adressierungen, Argumentationsmuster, Topoi und Adressierungen der Topoi verwendet.
 
21
Die Darstellung der hinter den Frames liegenden Schlussfolgerungen orientiert sich an der Darstellung der Topoi in Kapitel 4.4.4, welche in Anlehnung an Wengeler (2003: 301) nur die Oberprämisse der dahinterliegenden Argumentation nennt und diese mit einem weil einleitet, was die Erfüllung der Unterprämisse für die Wahrheit der Konklusion überflüssig macht. Siehe auch die ausführlichen Erklärungen hierzu in Kapitel 4.4.4.
 
22
Bei den Überschriften der einzelnen Sub-Frames verzichte ich auf den Zusatz Frame und nenne stattdessen nur die Bezeichnung des jeweiligen Frames.
 
23
Das Beispiel zeigt ganz gut, dass die Grenzen zwischen Lob und Rüge nahe beieinander lagen. In diesem Beispiel habe ich mich trotzdem für die Codierung als Lob entschieden, weil das positive Verhalten meiner Einschätzung nach im Vordergrund stand.
 
24
Das Arbeitslosigkeitsargument wurde oft von der Opposition, insbesondere den Linken, angewendet, die im RV-AGAG eine versteckte Rentenkürzung sahen (vgl. auch Kapitel 2.​2 sowie 3.​1.​4).
 
25
Siehe für die diesen Narrativen zugrundeliegende Narrativanalyse und deren Begrifflichkeiten Viehöver (2010).
 
26
Gefährlich an diesem Narrativ kann die Stigmatisierung der ausländischen Fachkräfte als Helfer*innen des Narrativgegners sein. Durch dieses Framing kann die Ausländerfeindlichkeit prinzipiell angefacht werden.
 
27
Dies kann auch Männer betreffen. Aber die betreffenden Redepassagen waren allesamt gemäß dem klassischen Familienbild an Frauen adressiert, wobei ich bei einigen Textpassagen auch eine zusätzliche Adressierung von Familien im Allgemeinen aus dem Text/Kotext/Kontext herausarbeiten konnte.
 
28
Die in Großbuchstaben geschriebenen Worte dieses Satzes sind Sprechakte.
 
29
Dieses Ergebnis wird im Übrigen bestätigt, wenn man alle Frames, welche eine Finanzkomponente haben – also die Finanzierbarkeits-Frames und der Drei-Säulen-Paradigma-Frame –, und alle sozialen Frames – also die Sozialverträglichkeits-Frames sowie die zwei Contra-Frames Arbeitsmarktchancen sowie Belastbarkeit/Zumutbarkeit – jeweils kombiniert und die Berechnungen um den bereits als problematisch beschriebenen Debattentag vom 8. März 2006 bereinigt, an dem einige Redebeiträge zu fast 100 Prozent den Drei-Säulen-Paradigma-Frame enthalten. Hier kommt man dann zu einer Verteilung von 54 Redebeiträgen (Gesamtcodeabdeckung 42,3 Prozent), in denen Finanzierungs-Frames mindestens ein Mal verwendet wurden, und 50 Redebeiträgen (Gesamtcodeabdeckung 51,9 Prozent), in denen soziale Frames mindestens ein Mal Anwendung fanden.
 
30
Es nimmt in einer beliebigen Rede weniger Platz ein, vergleichsweise lange über z. B. den demografischen Wandel zu sprechen, als über mehrere Aspekte der Sozialverträglichkeit des RV-AGAG, die jeweils neu eingeleitet, erklärt und in den Kontext eingebettet werden müssen.
 
31
Die Sozialverträglichkeit des RV-AGAG herauszustellen, das war insbesondere für den zentralen Policy-Entrepreneur des RV-AGAG Franz Müntefering ein außerordentlich wichtiges Ziel. Schaut man sich z. B. nur die Redebeiträge von Franz Müntefering an (den 08.03.2006 aus den in Fußnote 29 genannten Gründen erneut herausgenommen), so haben die Sozialverträglichkeits-Frames eine Gesamtcodeabdeckung in seinen Redebeiträgen von 48,4 Prozent, die Finanzierbarkeits-Frames aber nur eine Gesamtcodeabdeckung von 17,0 Prozent; und das obwohl sie in allen sieben Redebeiträgen beide vorkommen. Letztendlich zeigt sich dieses Ziel aber auch in dem von mir mit ihm geführten Interview: so war die 45-Jahre-Ausnahmeregelung zwar durch den Bericht der Herzog-Kommission (2003: 42) keine neue Idee, Müntefering schrieb in diesem Interview aber, dass diese durchaus umstrittene Regelung als sozialer Ausgleich für langjährige Arbeit in „körperlich stark belasteten Berufen in Fabrik und Handwerk“ (Zachäus 2019) explizit von ihm „durchgesetzt“ worden sei.
 
32
Da nahezu alle deutschen Bürger*innen und/oder ihre Partner*innen Versicherte der GRV sind, dürfte der Anteil der Menschen, die nicht in irgendeiner Weise familiär von rentenpolitischen Maßnahmen wie dem RV-AGAG betroffen sind, sehr gering sein. Auch wenn es also theoretisch denkbar ist, dass es tatsächlich Nicht-Betroffene Bundesbürger*innen gibt, so schätze ich die Größe dieser Gruppe zum einen als für diese Adressierungsanalyse vernachlässigbar gering ein. Zum anderen ist ihre Erfassung im Rahmen dieser Arbeit überflüssig, da sie eben nicht von der Rente mit 67 und dem RV-AGAG betroffen sind und daher die Aussagen der Entscheidungsträger*innen bezüglich dieser Rentenreform für sie ebenfalls weitestgehend überflüssig sein dürften.
 
33
Eine spezifische männliche Variante kam im Textkorpus nicht vor.
 
34
6,3 Prozent der Codings entfallen auf die Vergleichsschemata, 1,3 Prozent auf die Gegensatzschemata, 0,9 Prozent auf die schlußregel-etablierenden Schemata und 5,2 Prozent auf die Schemata, die weder eine Schlußregel benutzen noch induktiv etablieren (vgl. Kapitel 6.8 (siehe Online-Anhang)). Die Werte ergeben mehr als 100 Prozent, weil es Überschneidungen zwischen den Schemata gibt, da z. B. mehrere Argumentationen von den Redner*innen durch eine übergreifende Argumentation zusammengefasst bzw. verbunden wurden.
 
35
Gelegentlich wurde die Ausnahmeregelung mit einem Wertschätzungs-Framing gerechtfertigt (vgl. Kapitel 4.4.1.2.). Dies kann als einzige Rechtfertigung dieser Ausnahmeregelung gesehen werden, kam aber äußerst selten vor.
 
36
Die jungen Erwerbstätigen wurden in den Beispielen von mir zunächst nicht erwähnt, weil die Überschneidungen mit dem Alternativlosigkeits-Topos zu gering sind, als dass sie in die Analyse mit aufgenommen werden konnten. Siehe für eine Beschreibung der Topoi-Bildung auch noch einmal die Ausführungen in Kapitel 4.3.4.
 
37
Bei diesem Beispiel lässt sich erneut aus dem Text selbst nicht erkennen, dass meines Erachtens hier auch ältere Arbeitslose angesprochen werden sollten. Vor dem zitierten Text sprach Müller jedoch zunächst über verschiedene Eingliederungsmöglichkeiten für Ältere, dann darüber, das Unternehmen Ältere nicht als Belastung ansehen sollten, um dann zu der im Zitat wiedergegebenen Passage zu kommen. Direkt im Anschluss folgte die Frage, ob man überhaupt genügend Arbeitsplätze in Deutschland für Ältere hätte. Die Redepassage schloss mit einem Appell an die Wirtschaft, Ältere vermehrt in Arbeit zu halten und/oder einzustellen. Daraus ergibt sich als schlüssigste Hypothese, dass auch diese Redestelle an ältere Arbeitslose sowie alte Erwerbstätige gerichtet sein müsste.
 
38
Es gibt im Untersuchungsmaterial nur drei Codings, bei denen alte Erwerbslose ohne eine parallele Adressierung alter Erwerbstätiger adressiert wurden. Im Fall des Generationen-Topos gibt es jedoch keine Adressierung älterer Arbeitsloser, bei der nicht parallel dazu auch alte Erwerbstätige adressiert wurden.
 
39
Siehe Kapitel 6.9 (siehe Online-Anhang) für die genauen Kombinationen von Frames und Argumentationsmustern.
 
40
Diese Verwendung des Mentalitätswechsel-Topos ist kein Einzelfall. Bei einer Suche in den Bundestagsplenarprotokollen der 1980er, 1990er und 2000er Jahre ließ sich dieser Topos leicht finden. Insbesondere in der zweiten Amtszeit der rot-grünen Regierung war die Verwendungsfrequenz des Topos im Rahmen der Argumentationen gegen eine Heraufsetzung der Altersgrenze und stattdessen für eine Anhebung des tatsächlichen Renteneintrittsalters hoch. Stellvertretend sei hier auf Blüm (1988b: 4089 f., 1996f: 9252), Müntefering (2003: 5024), Lotz (2003c: 4137, 2003a: 5036, 2003b: 7291 f.) und Schröder (2004: 13017) verwiesen.
 
41
Die alten Erwerbstätigen und Erwerbslosen sowie die Betriebsräte wurden in jeweils zwei Redebeiträgen, die Arbeitgeber*innen-/Wirtschaftsverbände, Gewerkschaften und die Bevölkerung im Allgemeinen in jeweils einem Redebeitrag direkt angesprochen.
 
42
Nach diesem Zitat folgte eine längere Passage, welche unter anderem die Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt und die aktuelle Arbeitslosenstatistik zitierte. Sie war aber so stark mit Anfeindungen in Richtung der Linken und der FDP gefüllt, dass ich diese Passage am Ende nicht als Rechtfertigung der Reform, sondern als politische Herabsetzung des Gegners und gleichzeitige Selbstaufwertung gewertet und somit aus dem Textkorpus entfernt habe.
 
43
Vgl. stellvertretend FAZ 02.02.2006, 25.10.2006, 15.12.2006 und 24.02.2007.
 
44
Ältere Arbeitslose waren in dieser Redepassage nur über den Kotext als Adressat*innen zu identifizieren, weil Anton Schaaf kurz zuvor über die Beschäftigungsquoten älterer Arbeitnehmer*innen sprach (mit einem Mentalitätswechsel-Topos) und diese Aussage mit der gezeigten Redepassage erweiterte.
 
45
Dieser eine Satz wurde aus der Untersuchung herausgenommen, da er keinen direkten Bezug zur Rechtfertigung der Rente mit 67 und/oder dem RV-AGAG hat und daher als reines Eigenlob zu bewerten war. Aus Gründen des besseren Verständnisses des gesamten Zitats habe ich ihn aber an dieser Stelle mit genannt.
 
46
Siehe auch das obige Beispiel der Scheinadressierung von Paul Lehrieder aus der BT-Sitzung 16/70.
 
47
Insbesondere die Eigenheimrente machte aber spätestens ab 2011 den größten Anteil der neu abgeschlossenen Riester-Verträge aus (vgl. BMAS 2018b).
 
48
Dies waren die Finanzierbarkeits-Sub-Frames/Varianten Positive Folgen für Versicherte, Senkung der Arbeitslosigkeit, Überfälligkeit/Handlungsdruck, Wertung: Lob und Wertung: Rüge sowie die Sozialverträglichkeits-Sub-Frames/Varianten Wertschätzung für langjährige Beitragszahlungen, Altersteilzeit, Schonung, Solidarität gegenüber Schwächeren, Vorgezogener Rentenbeginn sowie Frauen/Kindererziehung. Zusammengenommen konnte ich diese Frames in 37 von 68 Redebeiträgen finden. Sie sind allerdings nur in 13,4 Prozent des gesamten Untersuchungsmaterials vorhanden und nahmen so damals nur einen vergleichsweise kleinen Anteil an der gesamten Redezeit ein.
 
49
Eine konkrete Untersuchung der in Kapitel 6.3 (siehe Online-Anhang) aufgelisteten Zeitungsartikel hinsichtlich der Frage, wie häufig und breit die gefundenen Topoi in diesen Artikel verwendet wurden, war mit Absicht nicht Teil dieser Dissertation und soll daher hier auch keine Rolle spielen. Allerdings wäre eine solche Inhaltsanalyse eine gute Möglichkeit, an die hier vorgestellte Untersuchung anzuknüpfen und sie zu erweitern.
 
50
Das Argument der Alternativlosigkeit war ohnehin bei näherer Betrachtung nie haltbar. So gab es auch damals bereits die Möglichkeit einer Grundrente; eine Idee die es seit Jahrzehnten gibt, die 2019/2020 erneut umfassend diskutiert wurde und schließlich am 2. Juli 2020 verabschiedet wurde (siehe auch Mascher/Wagner 1997; SPD 2019; Deutscher Bundestag 2020). Auch alternative Konzepte wie von Schmähl (2011b) zeigen andere Lösungswege auf. Eine weitere auch damals schon bestehende Möglichkeit wäre die Ausweitung des GRV-Versichertenkreises auf Selbstständige und/oder Beamte gewesen (vgl. Buslei/Geyer et al. 2016; Clemens 2011: 103 ff.; Kohlmeier 2009).
 
51
Hier muss auch noch einmal darauf verwiesen werden, dass die Gewerkschaften zuletzt im Rahmen der Arbeiten der Rürup-Kommission einen Schritt auf die Politik und Arbeitgeber*innen zugegangen waren und unter gewissen Zugeständnissen (nach 44 Beitragsjahren egal bei welchem Alter abschlagfrei und ab Erreichen des 62. Lebensjahres mit entsprechenden Abschlägen in Rente gehen zu dürfen) sogar der Rente mit 67 zugestimmt hätten (Rürup-Kommission 2003: 136).
 
52
Gleiches gilt für die weiter oben besprochene Fokussierung auf die Finanzierungsaspekte des RV-AGAG. Auch hier hätten die Reder*innen nach Kingdon ([2003] 2014: 149) wissen müssen, dass dem überwiegenden Teil der Menschen die Finanzierungssituation der GRV im Jahre 2007 offenbar weitestgehend bewusst war.
 
53
Interessanterweise adressierte die SPD insgesamt die Älteren sogar ein wenig häufiger als die CDU/CSU (SPD in 29 bzw. 76,3 Prozent ihrer Redebeiträge, CDU/CSU in 22 bzw. 73,3 Prozent ihrer Redebeiträge). Jüngere Erwerbstätige wurden zwar von der SPD ebenfalls leicht häufiger angesprochen (zehn vs. neun Redebeiträge). Da die CDU/CSU in der PERK des RV-AGAG aber insgesamt acht Redebeiträge weniger als die SPD hatte, wurden Jüngere prozentual gesehen – bezogen auf die Gesamtanzahl der Redebeiträge der jeweiligen Parteien – sogar von der CDU/CSU häufiger angesprochen; und das obwohl die CDU/CSU bedeutend seltener von jüngeren Bürger*innen gewählt worden war als die SPD (vgl. Bundeswahlleiter 2006: 75 f.; Kapitel 6.8 (siehe Online-Anhang)).
 
54
Zur Lösung dieser Frage müssten am ehesten die beteiligten Redner*innen selbst befragt werden.
 
Metadata
Title
Die Sprache des Rentenversicherung-Altersgrenzenanpassungsgesetzes
Author
Marcus Zachäus
Copyright Year
2021
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-32840-5_4