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01-05-2025 | Titelthema Temporarily free

„Die Zukunft wird elektrisch sein“

Author: Marc Ziegler

Published in: MTZ - Motortechnische Zeitschrift | Issue 5/2025

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Schon früh hatte sich ZF, als einer der größten Automobilzulieferer, der Elektromobilität verschrieben. Doch der Markt für batterieelektrische Fahrzeuge schwächelt. Dr. Otmar Scharrer, Senior Vice President R&D der E-Mobilitätssparte von ZF, spricht im Interview über die zukünftigen Pläne, neue Plattformen und Technologien im Bereich elektrischer Antriebe.
Dr.-Ing. Otmar Scharrer studierte Mechatronik an der Johannes- Kepler-Universität in Linz und promovierte im Jahr 2006 an der TU Berlin zum Thema Variable Ventiltriebe. Seine berufliche Laufbahn begann er 1996 bei Voest Alpine Stahl. Daraufhin war er von 2001 bis 2006 bei General Motors tätig. Hierauf folgten zwei Jahre bei Porsche Engineering, wo er den Bereich Simulation und Motorenversuch verantwortete, bevor er von 2009 bis 2014 in verschiedenen leitenden Funktionen bei Mahle Behr tätig war. Von 2014 bis 2016 war Scharrer dann Technischer Direktor bei AVL Remscheid, bevor er im Jahr 2016 als Leiter Zentrale Forschung und Vorausentwicklung zu Mahle wechselte. Seit 2020 ist Scharrer Senior Vice President für Forschung und Entwicklung E-Mobilität bei der ZF Group.
© ZF Friedrichshafen AG
MTZ _ Die Verkäufe von Elektrofahrzeugen stagnieren, Hersteller und Zulieferer geraten zunehmend unter Druck. Wie gehen sie mit den derzeitigen Vorzeichen um?
Scharrer _ Es gibt augenblicklich kein großes Wachstum, das stimmt, allerdings ist das sehr marktspezifisch. Für Europa stimmt die Aussage, für den asiatischen Markt aber nur teilweise. Der nordamerikanische Markt bewegt sich gerade in Richtung einer neuen Technologiewelle. Ich glaube, das ist eine sehr gute Zeit, sich um eine neue Plattformgeneration zu kümmern. Genau das tun wir. Wir haben aus den Projekten, die wir bisher gemacht haben, sehr viel gelernt und sind jetzt mit einer neuen Plattform für die nächste Welle der Elektromobilität vorbereitet. Denn so viel ist sicher: Die Zukunft wird elektrisch sein.
Bei der neuen Plattform sprechen Sie von einer rein elektrischen?
Ja, denn wir haben mit unserem Hybridgetriebe eine sehr gute Plattform für Verbrennungsmotoren, oder besser Plug-in-Hybride, die wir 2022 gelauncht haben. Die Marktresonanz ist erfreulicherweise sehr gut. Weil die Rückmeldungen so positiv sind, werden wir uns sicher überlegen, dieses Plug-in-Getriebe in den kommenden Jahren noch einmal zu überarbeiten. Die neue Plattform SELECT wird allerdings in der Tat eine rein elektrische sein.
Besonders PHEVs verzeichnen in einigen Weltmärkten, vor allem in China, hohe Zuwachsraten. Rückt die Technologie wieder in den Entwicklungsfokus?
Nicht in den Entwicklungsfokus, wohl aber in den Fokus unseres Vertriebs, weil gerade aus Asien die Nachfrage nach einem sehr guten Plug-in-Hybridantrieb sehr hoch ist. Zudem ist diese Art von Antrieb der komplexeste, den man entwickeln kann - die Kombination aus Verbrennungsmotor, Elektromotor und Getriebe und das Zusammenspiel dieser drei Systeme. Unser Produkt ist hier sehr gut, wir können die Marktanforderungen entsprechend bedienen und wenn nötig auch noch einmal nacharbeiten.
Der Hybridantrieb basiert auf dem Längsgetriebe, nicht dem Quergetriebe?
Wir sprechen von der vierten Generation des ZF-8HP-Längsgetriebes. Auch das Quergetriebe wird nachgefragt, allerdings haben wir das nicht elektrifiziert. Wir konzentrieren uns auf das Längsgetriebe, weil es hier nicht viele Anbieter gibt. Zudem ist es vor allem im Premiummarkt vertreten. Hier kommt es auf Themen wie NVH, Wirkungsgrad, Schaltkomfort und elektrische Leistung an. Da können wir klar punkten und die Kundenanforderungen vollumfänglich bedienen. Vermutlich benötigen wir absehbar etwas mehr elektrische Leistung.
Immer mehr Hersteller scheinen von permanenterregten Maschinen zu fremderregten zu wechseln. Haben sich die Effizienzvorteile der PSM erübrigt?
Wir bemerken ein großes Interesse, aber den Trend noch nicht so deutlich. Ich glaube, das hängt damit zusammen, dass man für die fremderregte Maschine einen anderen Inverter mit einer vierten Phase benötigt - man kann also nicht einfach so wechseln. Allerdings sind die Vorteile klar. Der eine ist die deutlich sicherere Lieferkette, weil man unabhängig von den Magnetlieferungen, mehrheitlich aus China, ist. Der andere ist die deutlich bessere Nachhaltigkeit dieser Motoren. Bisher war ein Nachteil, dass die Motoren größer waren als die PSM. Mit der induktiven Übertragung und durch die Integration der induktiven Übertragereinheit in die Rotorwelle sind die Motoren nun gleich groß, ohne Nachteile. Was aber wirklich wichtig ist: Bei Autobahngeschwindigkeit, also zwischen 130 und 140 km/h, hat die fremderregte Maschine einen etwas besseren Wirkungsgrad. Wenn man schnell auf der Autobahn unterwegs ist und dadurch natürlich viel Energie benötigt, machen 2 % dann viel aus. Das ist im besonderen Maße ein deutsches Thema, allerdings hat Tschechien das Tempolimit gerade auf 150 km/h erhöht, und auch Österreich überlegt, es auf 140 km/h anzuheben. Bei diesen Geschwindigkeiten ist der Wirkungsgrad des Antriebssystems entscheidend, vor allem wenn man im Winter noch heizen muss und dann wirklich jede Kilowattstunde einsparen möchte.
Sehen Sie aktuell eine Tendenz hin zu Hochdrehzahlmaschinen?
Ich definiere Hochdrehzahlmaschinen als solche, die jenseits von 25.000/min drehen. Hier sehe ich zwar einige - insbesondere asiatische - Hersteller, die sich damit befassen, aber keinen eindeutigen Trend. Allerdings sinkt bei diesem Konzept der Wirkungsgrad relativ stark und die Dauerhaltbarkeit und Rotordynamik sind bei Drehzahlen über 25.000/min herausfordernd, denn insbesondere die Lager werden hochbelastet.
Gibt es auch Vorteile?
Hochdrehzahlmaschinen sind wesentlich kleiner und deutlich leichter als konventionell ausgelegte Maschinen. Die benötigte Leistung wird primär über die Drehzahl und nicht über das Drehmoment erreicht, wodurch weniger Aktivmaterial und Magnetmasse benötigt wird. Es gibt sicher auch Anwendungen, wo das Sinn ergibt - etwa bei höchsten Anforderungen an den zur Verfügung stehenden Bauraum besonderer Cutting-Edge-Anwendungen. Aber für eine breitere Elektrifizierung oder für weiterreichende Entwicklungen in der Elektromobilität wird das aus meiner Sicht nicht reichen.
Sind Mehrganggetriebe dann obligatorisch?
Nein, ein Mehrganggetriebe würde man bei hohen Drehmomentanforderungen in Kombination mit einer hohen Drehzahlspreizung benötigen. Es wird aber eine hohe Übersetzung benötigt, um das Anfahrmoment der kleineren E-Maschine stellen zu können.
Woher stammen dann die Ineffizienzen, die Sie ansprachen?
Mechanische Ineffizienzen kommen aus der benötigten hohen Übersetzung. Die Reibung steigt mit der Drehzahl an, und das wirkt sich dann spür- und messbar auf den Wirkungsgrad eines solchen Antriebs aus. Auch die im Vergleich zum konventionellen Antrieb mögliche hohe elektrische Frequenz kann merklich zu den Gesamtverlusten beitragen.
Wie lässt sich der Entwicklung zu immer größeren Traktionsbatterien zugunsten der Nachhaltigkeit von Elektroautos sinnvoll begegnen? Ist maximale Reichweite noch immer das führende Verkaufsargument?
Das ist eine sehr gute Frage. Ich denke, man muss vor allem Aufklärung bei den Kunden betreiben. Ein wichtiger Punkt dabei ist, dass es nicht das Ziel sein kann, möglichst schnell und weit mit einer Batterieladung zu fahren, sondern möglichst schnell die Batterieladung ersetzen zu können. In Asien wird deshalb das Battery Swapping vorangetrieben. Ich habe das selbst schon ausprobiert, das dauert fünf Minuten, und die Batterie ist getauscht. Die Batterien können in den Stationen langsam geladen werden, was maximal schonend ist. Zudem sind die Akkus dann wirklich randvoll. Grundsätzlich sind aber die Schnellladefähigkeit der Fahrzeuge und die Erwartungshaltung der Kunden relevant. Die Reichweitenangst ist größtenteils psychologisch motiviert. Aus Nachhaltigkeitsgründen und auch um eine Verbreiterung der Elektromobilität voranzutreiben, wäre es sehr wünschenswert, kleinere Batterien zu nutzen. Ich persönlich glaube, dass eine Batterie mit 50 bis 60 kWh durchaus ausreichend wäre - auch für große Fahrzeuge, wenn man sie entsprechend schnell laden kann. Mit 5C oder 6C reden wir von wenigen Minuten, die der Ladestopp dauert, und dann ist das auf jeden Fall ein Verkaufsargument. Man fährt deutlich weniger Gewicht herum und bindet deutlich weniger Rohstoffe im Fahrzeug. Damit wird das Auto in der Herstellung wesentlich günstiger, denn die Batterie ist immer noch das teuerste Einzelteil. Bisher ist maximale Reichweite noch immer ein Verkaufsargument, das man abschwächen muss, denn sonst landen wir bei nur noch größeren Batterien. Das kann nicht das Ziel einer nachhaltigen Mobilitätswende sein.
„Durch die Integration der induktiven Übertragereinheit in die Rotorwelle sind die Motoren nun gleich groß, ohne Nachteile“, sagt Scharrer
© ZF Friedrichshafen AG
Genauso scheinen die Antriebsmaschinen aktueller Fahrzeuge stark überdimensioniert. Wie bewerten Sie das? Welches Leistungsniveau erachten Sie im Alltag als sinnvoll?
Hier muss man zwischen maximaler Kurzzeit- und Dauerleistung unterscheiden. Im Moment liegt da mitunter der Faktor 2 dazwischen. Es gibt Methoden, die Dauerleistung in die Nähe der Maximalleistung zu bringen. Aber anders als bei Verbrennungsmotoren muss ein Antrieb mit 300 kW Leistung nicht viel größer oder teurer sein als einer mit 200 kW. Entscheidend ist eher, wie lange er diese Spitzenleistung erbringen muss. Meistens sind das im realen Fahrbetrieb nur wenige Sekunden. Auch bringt ein performanter E-Antrieb aufgrund des flachen Effizienzkennfelds nicht den Verbrauchsnachteil bei moderater Fahrweise mit sich, den ein Verbrennungsmotor gleicher Auslegung hätte. Es lässt sich also Fahrspaß ohne Reue implementieren, ein bislang unterschätztes Verkaufsargument der E-Mobilität. Wieviel Leistung sinnvoll ist, hängt natürlich von den persönlichen Präferenzen ab, aber man kann einen Trend zur Mehrleistung erkennen. Für unsere aktuelle Plattform sind wir in der Entwicklung davon ausgegangen, dass die Leistung eines Standardantriebs zwischen 150 und 200 kW beträgt. Für unsere neue Plattform gehen wir von 200 bis 300 kW aus, einfach aufgrund der Kundenrückmeldungen. Für ein Stadtfahrzeug werden sicherlich 80 bis 100 kW völlig ausreichen, sobald man aber eine Langstreckentauglichkeit verlangt, gibt es auch im Kompaktsegment Fahrzeuge mit über 200 kW installierter Leistung auf einer Achse.
Sind Axialflussmaschinen nur für Nischenanwendungen relevant oder auch für die Großserie?
Wir haben uns auch damit beschäftigt, entwickeln aber keine Axialflussmaschine und sehen auch keine gesteigerte Entwicklungstendenz in diese Richtung. Es gibt Anwendungen, wo der Vorteil der Axialflussmaschine - die hohe Drehmomentdichte - den Nachteil der aufwendigeren Fertigung überwiegt, zum Beispiel bei radnahen Antrieben. In unserer neuen Plattform ist jedoch keine Axialflussmaschine vorgesehen, da wir viel Wert daraufgelegt haben, diese kostenoptimiert und skalierbar zu halten. Da sind Radialflussmaschinen das Mittel der Wahl.
Welche Motortechnologien sind für Sie perspektivisch interessant?
Für die kommende Generation nutzen wir die Asynchronmaschine und die Synchronmaschine, letztere fremd- und permanenterregt. Wir nennen das unser Motor-Base-Kit und nutzen die Maschinen in unterschiedlichen Ausführungen für die Primär- und Sekundärachsen. Die Wahl der elektrischen Maschine hängt dabei stark davon ab, ob sie den Hauptantrieb darstellt oder sie etwa für eine Allradanwendung dient. Wir versuchen immer einen idealen Schnittpunkt zwischen Kosten und Anforderungen zu finden.
Wie sind denn die Preisniveaus der verschiedenen Antriebstechnologien?
Die Asynchronmaschine ist die preisgünstigste, da sie keine Magnete hat und der Rotor recht einfach aufgebaut ist. Der Stator unterscheidet sich nicht großartig. Die permanenterregte Maschine unterscheidet sich durch den wesentlich komplexeren Rotor, die Magnete als Kostenfaktor sowie das Fertigungsverfahren - man muss die Magnete ja auch entsprechend einbauen. Damit ist die PSM in der Produktion und vom Engineering her aufwendiger. Die fremderregte Maschine ist von den Kosten her in etwa vergleichbar. Bei der Asynchronmaschine wird derzeit aber auch viel Entwicklungsarbeit geleistet, um das Rotordesign noch einmal zu entfeinern und so Gewichts- und Kostenvorteile zu holen. Generell ist der Kostenaspekt ein sehr wichtiger. Jeder, der heute eine neue Plattform entwickelt, ist gut beraten, wenn er sie sehr stringent in Richtung Kosten auslegt.
Herr Dr. Scharrer, vielen Dank für dieses interessante Interview.

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Metadata
Title
„Die Zukunft wird elektrisch sein“
Author
Marc Ziegler
Publication date
01-05-2025
Publisher
Springer Fachmedien Wiesbaden
Published in
MTZ - Motortechnische Zeitschrift / Issue 5/2025
Print ISSN: 0024-8525
Electronic ISSN: 2192-8843
DOI
https://doi.org/10.1007/s35146-025-2078-8