Zusammenfassung
Um bei der Werteentwicklung einer Folge \((a_{n})_{n\in\mathbb{N}_{0}}\) festzustellen, ob ihre Werte ansteigen, gleich bleiben oder fallen, können wir zwei aufeinanderfolgende Folgenglieder miteinander vergleichen: Gilt beispielsweise für die Differenzenfolge \((d_{n})_{n\geq 1}\) mit \(d_{n}:=a_{n}-a_{n-1}\), dass \(d_{n}> 0\) für alle n ≥ 1 ist, so handelt es sich bei \((a_{n})_{n\in\mathbb{N}_{0}}\) um eine streng monoton wachsende Folge. Ist für alle n ≥ 1 jeder Wert der Differenzenfolge negativ, so ist \((a_{n})_{n\in\mathbb{N}_{0}}\) streng monoton fallend. Der Betrag \(|d_{n}|\) beschreibt dabei das Ausmaß des Wachstums oder Gefälles von \((a_{n})_{n\in\mathbb{N}_{0}}\) vom Folgenindex n − 1 zum Index n.
Wie können wir jedoch ein Wachstumsmaß für eine Funktion definieren? Eine Funktion besteht aus einer Wertefortschreibung einer Größe f(x) in Abhängigkeit einer kontinuierlichen Variablen x. Der Ansatz, zum Wachstum einfach zwei Funktionswerte f(x) und f(y) für x < y miteinander zu vergleichen, kann nicht für das Wachstumsverhalten der Funktion im Intervall \([x,y]\) herangezogen werden. Dies hat zwei Gründe. Zum einen wäre die bloße Differenz \(d(x)=f(y)-f(x)\) nicht aussagekräftig für das Ausmaß des Wachstums, ohne dass die Intervalllänge y − x, innerhalb der es zu diesem Wachstum gekommen ist, mit berücksichtigt würde. Zum anderen könnte innerhalb des Intervalls \([x,y]\) die Funktion durchaus nicht monoton sein, sodass mit dem auf die Intervalllänge bezogenen Wachstumsmaß \(\tfrac{f(y)-f(x)}{y-x}\) allenfalls eine durchschnittliche Wachstumsrate gegeben ist.
Ein Praxisbeispiel verdeutlicht dieses Problem sehr anschaulich. Wenn bei einer Geschwindigkeitsmessung durch die Polizei die Zeit gestoppt wird, die ein Fahrzeug für eine bestimmte Strecke benötigt hat, so gibt dies die durchschnittliche Geschwindigkeit des Fahrzeugs innerhalb des Messzeitraums wieder. Selbst wenn diese Durchschnittsgeschwindigkeit unterhalb der Geschwindigkeitsbegrenzung liegen sollte, kann es dennoch möglich sein, dass das Fahrzeug innerhalb der Messstrecke die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritten hat, zum Ausgleich aber dafür auch zeitweise unterhalb der Höchstgeschwindigkeit lag. Wir müssen bei dieser Fragestellung also unterscheiden zwischen durchschnittlicher Geschwindigkeit und Momentangeschwindigkeit. Wir werden feststellen, dass die Frage nach einer momentanen Änderungsrate zu einer Grenzwertfrage führt.