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14-06-2021 | Digitale Währungen | Interview | Article

"Ein digitaler Euro muss als optimale Lösung fungieren"

Author: Angelika Breinich-Schilly

5:30 min reading time

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Interviewee:
Bernd Richter

ist Digitalexperte beim Finanztechnologiespezialisten FIS.

Im Zuge der Pandemie ist ein europäisches, digitales Zentralbankgeld wieder in den Fokus wirtschaftspolitischer Diskussionen gerückt. Was der E-Euro können muss, wo andere Länder stehen und wie das Verhältnis zu Kryptowährungen aussieht, erläutert Bernd Richter.

Aktuell prüft die Europäische Zentralbank noch die Möglichkeit eines digitalen Euros und wie dieser aussehen könnte. Können wir aus Ihrer Sicht mit einem schnellen Ergebnis rechnen? Wie könnte das aussehen?

Viele Länder, etwa die USA und UK, haben aktuell ähnliche Prozesse gestartet, nachdem China bereits die Einführung des digitalen Yuan für 2022 angekündigt hat. Mit einem schnellen Ergebnis ist hierzulande kaum zu rechnen. Denken Sie an vergangene Prozesse wie zur Entwicklung und Einführung von PSD, SEPA und PSD2. Ein zukünftiger, digitaler Euro muss als eine optimale Lösung für den gesamten Euroraum fungieren, von allen Ländern getragen werden und die jeweils lokal unterschiedlichen Wirtschaften im Euroraum in ihren speziellen Gegebenheiten unterstützen. Ein solcher dialogorientierter Prozess für eine Blaupause des E-Euros schließt nationale Zentralbanken, lokale Regulatoren, Banken und deren Vertretungen und die Realwirtschaft mit ein. Ziel muss sein, ökonomisch und technisch optimale Rahmenbedingungen zu definieren; das Ganze über 27 Länder hinweg und dann wieder zusammengeführt in eine für die Länder umsetzbare EU-Direktive.

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Welche Erwartungen knüpfen Banken, Wirtschaft und Politik an eine zentrale, europäische Kryptowährung und was muss sie leisten, um diese Kriterien zu erfüllen? Haben Sie ein praktisches Beispiel?

Spricht man mit Wirtschaftsunternehmen und deren Treasurer, stehen diese dem Thema eines zentralbankgestützten E-Euro oder Central Bank Digital Currency, kurz CBDC, meist positiv und aufgeschlossen gegenüber. Man erhofft sich mehr Unabhängigkeit von Banken und mehr Flexibilität bei der Liquditätssteuerung und im Zahlungsverkehr, da E-Euros in unterschiedlichen Formen gehalten werden könnte – etwa in firmeneigenen Wallets statt auf Bankkonten. Aber auch der Finanzbranche bieten sich Möglichkeiten für neue Produkte und Dienstleistungen. Trotzdem ist ein möglicher Kannibalisierungseffekt im Bereich Cash und Zahlungsverkehr denkbar. Die Politik wird gefordert sein, die Wirtschaft und die Gesellschaft auf den digitalen Euro und dessen Nutzen entsprechend vorzubereiten und damit notwendige Akzeptanz zu schaffen. 

Wie sollte die Politik vorgehen?

Oft wurden solche Themen in der Vergangenheit der Privatwirtschaft überlassen. Der E-Euro ist ein zusätzliches, digitales Zahlungsmittel, welches eine Lücke füllt: Bargeld in digitaler Form, um Zahlungen ohne Dritte direkt zwischen zwei Parteien durchzuführen. Das gab es noch nie und muss erklärt werden. Es ist ferner denkbar, dass CBDC auch Fähigkeiten heutiger Kryptowährungen adaptieren, wie etwa Smart Contracts. Damit wird der E-Euro und entsprechende Zahlungen an programmierbaren Bedingungen geknüpft.

Welche regulatorischen Veränderungen im europäischen Finanzsystem sind aus Ihrer Sicht für einen digitalen Euro notwendig? 

Elektronisches Geld ist nichts neues für Europa. Eine Definition gibt es bereits seit der E-Geld-Richtlinie, auch E-Money Direktive Eins, kurz EMD1, genannt. Ihr folgte mit EMD2 eine Überarbeitung im Jahr 2009 sowie weiteren Anpassungen durch die PSD2. Hier waren Institute in der Lage E-Geld, zum Beispiel auf Karten aufzuladen und Kunden beispielsweise in geschlossenen Bezahlsystemen zur Verfügung zu stellen, um etwa in einem Fußballstadium zu zahlen. 

Können Sie das an einem Beispiel konkretisieren?

In Deutschland gab es unter anderem die sogenannte Geldkarte, die viele Jahre als zusätzliche auf dem Chip der Girokarte genutzt werden konnte. Es dürfte also nicht überraschen, wenn eine entsprechende EU-Direktive über einen geordneten Dialog und Prozess formuliert wird, die in einem definierten Zeitraum in nationales Recht von den einzelnen Euroländern umzusetzen ist. Da hinter dem E-Euro vermutlich in der ein oder anderen Form direkt die EZB stehen wird, kann die Frage der Abgrenzung zum bisherigen E-Money für etablierte Anbieter durchaus spannend werden.

In den USA und vor allem in China ist man in Sachen digitalem Zantralbankgeld schon etwas weiter. Die dortigen Entwicklungen lösten jedoch auch Kritik aus. Es drohe ein schleichender Abschied vom Bargeld und eine Machverschiebung, die freiheitliche Gesellschaften beschneide, hieß es jüngst in einem Kommentar der "Neuen Züricher Zeitung". Hegen die Europäer im Hinblick auf den digitalen Euro ähnliche Ressentiments? Was ängstigt die Menschen hier am meisten?

Schweden hat die Abschaffung des Bargeldes in 2013 in dessen Verfassung etabliert, aber nach einigen Jahren festgestellt, dass es trotzdem weiterhin notwendig ist, um in den Regionen, fernab von einer Telefonnetzabdeckung, Zahlungen zwischen Personen durchführen zu können. Der E-Euro wird Bargeld nicht ersetzen wollen, sondern ein zusätzliches Instrument sein, das den zukünftigen Alltag der Wirtschaft und der Gesellschaft und deren fortschreitende Digitalisierung sinnvoll ergänzt. Wer will schon Geldscheine in seiner Matratze horten, um Negativzinsen von Banken zu entgehen, anstatt dies einfacher und sicherer durch E-Euros in einer Wallet-App zu tun?

Wie kann die EZB, wenn sie sich für die Einführung einer Central Bank Digital Currency entscheidet, solche Sorgen und Missverständnisse aus dem Weg räumen? 

Sie muss klar formulieren, dass es sich um eine sinnvolle Ergänzung zum Bargeld, nicht dessen Substitution, handelt. Von Beginn an müssen Vorteile herausgestellt werden. E-Währungen sind sicherer als Bargeld, Negativzinsen sind ausgeschlossen, es wird nicht länger ein notwendig sein, Bargeld zu horten. Ich glaube, dass auch Garantien zur Anonymitätswahrung bei Zahlungen zwischen Personen und bei kleineren Beträgen mit Unternehmen erfolgen sollten. 

Nun werden ja Bitcoin, Ethereum & Co in einigen Ländern bereits eifrig genutzt. Vor allem die junge, technikaffine Bevölkerung Afrikas sieht im virtuellen Geld viele Vorteile. Bei uns interessieren sich vorwiegend spekulative Anleger dafür. Nach einem Höhenflug im Frühjahr hat der Bitcoin-Kurs allerdings mittlerweile deutlich nachgegeben. Wäre ein digitaler Euro für diese Kryptowährungen überhaupt eine echte Konkurrenz? 

E-Währungen und Kryptowährungen verfolgen unterschiedliche Ziele. Nutzen und Anwendungen und sind nicht gegeneinander aufrechenbar. Der E-Euro ist der digitale Bruder des Euro-Geldscheins und damit durch das BIP der Eurowirtschaft eine stabile Währung gestützt. Kryptowährungen kennen keine Landesgrenze und überbrücken diese per Definition, haben keinen intrinsischen Wert außer der aktuellen Nachfrage und dem Wert an Kryptobörsen. Das gibt ihnen aber auch bis auf weiteres viele Freiheiten im Hinblick auf Geldfluss, Kontrolle und Steuern. Der digitale Yuan zeigt bereits, dass es neben der Koexistenz auch Möglichkeiten der Zusammenarbeit und Ergänzung existieren, wie etewa die Integration des E-Yuans in Ethereum und Facebooks Diem. 

Wo bleibt für Bitcoin, Ethereum & Co. eine Nische, wenn es künftig mit digitalem Zentralbankgeld tatsächlich im Wettbewerb steht? 

Nach wie vor bieten die klassischen Kryptos natürlich Vorteile und Anwendungsbereiche wie etwa im internationalen Zahlungsverkehr. Jüngst sorgte die Ankündigung El Salvadors für Aufsehen, den Bitcoin als reguläres Zahlungsmittel zuzulassen. In vielen Schwellenländern mit großer Diaspora ist der Use Case offensichtlich. Auch die Anonymität bei Zahlung bleibt sicher ein Faktor. 

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