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16-08-2024 | Digitale Währungen | Gastbeitrag | Article

Giralgeldtoken will Finanzprozesse der Industrie erleichtern

Author: Marc Pussar

4:30 min reading time

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Der Giralgeldtoken der Geschäftsbanken soll für die Industrie eine Alternative zum digitalen Euro sein und dabei den Charakter einer Einlage haben. Das könnte eine Win-Win Situation für Industrie und die Banken sein - wenn die rechtlichen Voraussetzungen stimmen.

Der Giralgeldtoken ist die Antwort der Geschäftsbanken auf den digitalen Euro. Laut einer BVR-Studie drohen mit der Einführung des digitalen Euro ein Abfluss von knapp der Hälfte aller im Umlauf befindlichen Kundeneinlagen im Euroraum. Das entspricht etwa 7.500 Milliarden Euro. Diese Gelder würden dann für die Refinanzierung fehlen. 

Beim digitalen Euro (Central Bank Digital Currency, kurz CBDC) handelt es sich um Zentralbankgeld. Damit garantiert die Europäische Zentralbank seinen Wert. Euro auf Bankguthaben, sogenanntes Buchgeld, sind dagegen Forderungen, die ausschließlich gegen die guthabenführende Bank bestehen. Das Ausfallrisiko ist damit beim Buchgeld höher als bei Zentralbankgeld. In Deutschland sollte dieser Risikounterschied aber eher theoretischer Natur sein.

Digitalem Euro fehlt die industrielle Ausrichtung

Der digitale Euro ist als Retail-Produkt gestaltet, auch wenn aktuell ergänzend an einem digitalen Wholesale Euro gearbeitet wird. Als solches ist er nicht an den Bedürfnissen der Industrie ausgerichtet. 

Hier setzt der Giralgeldtoken (Commercial Bank Money Token, kurz CBMT) an, der es Unternehmen ermöglichen soll, den Giralgeldtoken nach ihren individuellen Bedürfnissen als Zahlungslösung zu nutzen. Als Anwendungsfall bietet sich insbesondere das Supply Chain Management an, um Zahlungsströme sicher, transparent und vor allem umfassend planbar zu gestalten.

Die Eigenschaften des Giralgeldtoken

Der Giralgeldtoken existieren bisher nur als Konzept und im Rahmen von Pilotprojekten. Dabei sind seine wichtigen Eigenschaften aber bereits absehbar. Hierzu gehören

DLT-Kompatibilität: Im Gegensatz zum digitalen Euro in seiner bisherigen Ausgestaltung, könnte der CBMT das Bezahlen auf einer Distributed Ledger Technologie (DLT) ermöglichen, was ihm ein Alleinstellungsmerkmal verleihen würde. 

Wertstabilität: Ähnlich wie der digitale Euro und Stablecoins zielt der Giralgeldtoken darauf ab, ein Zahlungsmittel zu sein, das stabil ist und keinen starken Kursschwankungen unterliegt.

Exklusivität als Bankprodukt: Der Giralgeldtoken könnte sich als einzigartiges Bankprodukt positionieren, das sich von Stablecoins abgrenzt, die auch von Nicht-Banken angeboten werden können.

Geldschöpfung und Refinanzierung: Der Einsatz durch Geschäftsbanken könnte dazu beitragen, dass Einlagen zur Refinanzierung der Geldschöpfung erhalten bleiben, ein Vorteil, der sich von der Nutzung digitaler Euros, E-Geld oder MiCAR-Kryptowerten unterscheidet und damit einen erheblichen Vorteil für die Institute darstellen würde. 

Einlagensicherung: Wenn der CBMT in den Geltungsbereich der Einlagensicherung fallen würde, wäre der Schutz der Kundeneinlagen, etwas gegenüber Stablecoins, deutlich erhöht.

Buchgeld, auch Giralgeld genannt, ist das Geld, das auf Bankkonten, dass heißt, in den Büchern der Bank, existiert und durch Überweisungen, Lastschriften oder Kartenzahlungen verwendet wird. Giralgeldtoken hingegen stellen eine digitale Abbildung dieses Buchgeldes dar, die auf einer Blockchain oder einem anderen Distributed-Ledger-System, also außerhalb der Bücher der Bank, gespeichert wird. 

Giralgeld bildet Buchgeld digital ab

Vereinfacht dargestellt funktioniert der Prozess wie folgt: Der Kunde der Bank A weist die Bank an, Buchgeld von seinem Girokonto in Giralgeldtoken zu konvertieren. Die Bank A "minted" dazu einen Token, der dann die Forderung des Kunden gegenüber der Bank A dokumentiert. Dadurch entsteht der Giralgeldtoken. Diesen transferiert die Bank A in das Wallet des Kunden. Dies entspricht der Gutschrift auf einem Konto. 

Bei einem Transfer des CBMT an einen Kunden der Bank B empfängt dieser Kunde zunächst einen Giralgeldtoken der Bank A. Die Bank B tauscht für ihren Kunden den der Bank A in eingenes Giralgeld. Die Banken A und B tauschen ihre CBMT wechselseitig zurück. Verbleiben Token auf der Seite einer Bank, werden diese zur anderen Bank transferiert und der Betrag wird wie bei einer klassischen Buchgeldtransaktion durch den Transfer des Differenzbetrags auf den Bundesbankkonten der beiden Banken ausgeglichen.

Die Zahlung erfolgt damit - anders als bei E-Geld, Stablecoins oder dem digitalen Euro - nicht durch die Weitergabe desselben Tokens, sondern durch die Abbildung einer Buchgeldtransaktion außerhalb der Bank mit Hilfe eines Giralgeldtoken.

Giralgeld ist in der Entwicklungsphase 

Der von der Deutschen Kreditwirtschaft (DK) konzipierte Giralgeld befindet sich derzeit in der Entwicklungs- und Planungsphase. Die DK hat im Juni 2022 ein Diskussionspapier veröffentlicht, das den Giralgeldtoken vorstellt und dessen potenziellen Nutzen sowie die technischen und regulatorischen Anforderungen erläutert. Ein konkreter Einführungstermin für den CBMT wurde bisher nicht bekannt gegeben. 

Es gibt jedoch mehrere wichtige Schritte und Phasen, die vor der endgültigen Einführung durchlaufen werden müssen, einschließlich der Entwicklung technischer Lösungen, Pilotprojekten und umfassenden regulatorischen Prüfungen.

CBMT muss rechtliche Hürden überwinden

Die atypische Kombination von bankinternen und -externen Eigenschaften macht den Giralgeldtoken rechtlich interessant und gleichzeitig herausfordernd. Die richtige Einordnung ist dabei entscheidend, um die gewünschten Eigenschaften sicherzustellen. Dabei kann auch die Gesetzgebung helfen, indem einige Regelungen klare Einordnungen zum Giralgeldtoken treffen, insbesondere im Hinblick auf die Einlagensicherung, zivilrechtliche Regelungen für Zahlungsdienstleister und Vorgaben zur Geldwäscheprävention. 

Schließlich wird es entscheidend für den Erfolg des CBMT sein, dass seine konkrete Umsetzung die Bedürfnisse der Industrie trifft und damit eine Alternative zum digitalen Euro und zu Stablecoins darstellt.

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