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16-11-2021 | Diversitätsmanagement | Schwerpunkt | Article

Geraten Familienunternehmen ins Hintertreffen?

Author: Annette Speck

4:30 min reading time

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Zu wenig Frauen, zu wenig Digitalexpertise, zu wenig Internationalität an der Spitze: Mehrere Studien bescheinigen deutschen Familienunternehmen eine Reihe von Schwachstellen. Das kann sie im Wettbewerb zurückwerfen.

Neun von zehn Betrieben in Deutschland sind Familienunternehmen. 96 davon finden sich laut des “World’s Top 750 Family Business Ranking”, das PwC gemeinsam mit der Online-Plattform Family Capital erstellt hat, unter den 750 umsatzstärksten Familienunternehmen der Welt, drei sogar unter den Top Ten: die Volkswagen AG, die Schwarz Gruppe und die BMW AG. Deutschland liegt damit auf Platz zwei hinter den USA (166 Family Businesses) und ist als Hochburg familiengeführter Firmen in Europa die Nummer eins.

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Familienunternehmen aus Asien setzen neue Standards

Doch der Vorsprung etwa gegenüber Familienunternehmen aus dem asiatisch-pazifischen Raum schmilzt, was nicht nur an der Erhöhung des Mindestumsatzes um 20 Prozent seit 2019 liegt. 2,68 Milliarden US-Dollar sind mittlerweile nötig, um in das Ranking aufgenommen zu werden. Dies führte dazu, dass 17 deutsche Unternehmen rausfielen, während 15 aus der Asien-Pazifik-Region nachrückten.

Uwe Rittmann, Mitglied der Geschäftsführung bei PwC Deutschland und Leiter des Bereichs Familienunternehmen und Mittelstand sieht allerdings noch weitere Gründe. “Bei den Megatrends Digitalisierung und Nachhaltigkeit haben deutsche Familienunternehmen Defizite. Gerade die Wettbewerber aus dem asiatisch-pazifischen Raum könnten Deutschland bald seinen Rang streitig machen, denn die Unternehmen drängen mit hoher Dynamik in den Markt und setzen Standards im Bereich Nachhaltigkeit“, stellt er fest.

Deutsche Familienkonzerne kommen gut durch Corona-Krise

Rittmann bezieht sich mit dieser Äußerung auf den “Family Business Survey 2021” von PwC, für den 2.800 Familienunternehmen aus 87 Ländern befragt wurden (rund 170 aus Deutschland). Die Untersuchung bescheinigt den deutschen Familienunternehmen zwar eine gute Bewältigung der Corona-Pandemie überwiegend aus eigener Kraft, aber eben auch Nachholbedarf in zukunftsweisenden Bereichen.

So heißt es etwa in punkto Nachhaltigkeit, dass sich Familienbetriebe durch ihren verantwortungsvollen Umgang mit ihren Mitarbeitenden, der Natur sowie ihr Engagement in ihrer Region auszeichnen. Doch das seien primär punktuelle Initiativen. Den Unternehmen fehle eine umfassende Strategie zur Nachhaltigkeit. Die Hälfte der Familienunternehmen unterschätze die Chancen, die mit nachhaltigem Wirtschaften einhergehen, so die Autoren.

Bei Digitalkompetenzen hapert es weiterhin

Eine weitere Baustelle ist die digitale Transformation. Gegenüber der letzten Erhebung seien kaum Fortschritte erzielt worden. Beispielsweise gab in der Umfrage nur ein Drittel der deutschen Befragten an, ausgeprägte digitale Kompetenzen zu besitzen. Und nur zehn Prozent halten sich für so gut aufgestellt, dass die Digitalisierung nicht mehr ganz oben auf der Agenda steht. Insofern wundert es nicht, dass für 74 Prozent der hiesigen Familienunternehmen die Verbesserung digitaler Fähigkeiten weiterhin höchste Priorität hat (globaler Durchschnitt: 52 Prozent).

Die geringe Digitalexpertise in deutschen Familienunternehmen beklagt auch die Studie “Aufsichtsgremien deutscher Familienunternehmen“ von Russell Reynolds. Derzufolge sind lediglich drei Prozent der Aufsichtsratsmitglieder in Familienunternehmen Digitalisierungsexperten. Darüber hinaus wird in der Studie auf die vergleichsweise geringe Diversität in den Aufsichtsgremien deutscher Familienfirmen hingewiesen: Vier von zehn Familienkonzernen haben keine einzige Frau in ihrem Aufsichtsgremium und lediglich 18 Prozent der Aufsichtsratsmitglieder sind weiblich. Auch Internationalität ist in deutschen Familienunternehmen die Ausnahme. Nur zehn Prozent der Mitglieder der Aufsichtsgremien stammen aus dem Ausland, so die Studie. Sie basiert auf biografischen Daten zu Vorstandsmitgliedern und Aufsichtsräten sowie Websites, Geschäftsberichten und anderen extern verfügbaren Quellen, die bis zum Dezember 2020 erhoben wurden.

Familienunternehmen halten ihre Werte hoch

Als Grund für die oft bestenfalls “behutsam“ zu nennenden Veränderungen in Familienunternehmen, führt Thomas Tomkos, Leiter der deutschen Board & CEO Praxisgruppe bei Russell Reynolds Associates, an, dass der gesetzliche und gesellschaftliche Druck bei ihnen geringer sei als bei börsennotierten Konzernen. Tradition und Beständigkeit spielten eine größere Rolle. Zudem seien viele Familienunternehmen höchst erfolgreich und häufig sogar Weltmarktführer.

Nichtsdestotrotz sind vielfältig besetzte Aufsichtsgremien und Digitalisierungsexpertise auch für Familienunternehmen von zunehmender wirtschaftlicher Bedeutung und zur langfristigen Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit unabdingbar.“ Dr. Thomas Tomkos, Leiter der deutschen Board & CEO Praxisgruppe bei Russell Reynolds Associates

Familienfirmen haben Angst vor Kontrollverlust

Die besonderen Schwierigkeiten der Struktur und Besetzung von Gremien in Familienunternehmen beschreibt Gabor Neumann anhand eines Lehrbeispiels mit all den typischen Verflechtungen, Streitigkeiten, übergeordneter Familienstiftung und dem Festhalten an Traditionen. Vor diesem Hintergrund sei die Besetzung der Gremien in Familienunternehmen ein entscheidender Erfolgsfaktor, um als Mittler von Unternehmens- und Familieninteressen zu funktionieren, erklärt er. (Seite 111)

In der Praxis haben dabei mitunter auch Familienmitglieder, die offiziell gar nicht am Unternehmen beteiligt sind, großen Einfluss auf dessen Geschicke, “sei es durch Führungspositionen oder weil sie verwandtschaftliche Beziehungen zu Gesellschaftern haben oder durch faktische Machtverhältnisse wie spezielles Wissen durch jahrelange Tätigkeit im Unternehmen“, erklären Birgit Felden et al. in dem Buchkapitel “Funktionen und Positionen in Familienunternehmen“ auf Seite 165. Darüber hinaus stellen sie fest, dass der Einsatz eines Aufsichts- oder Beirats in Familienunternehmen mehrheitlich ein unterschätztes Instrument sei, was wohl an der Angst vor Kontrollverlust liege. Dabei steige laut verschiedener Forschungsarbeiten die Professionalisierung von Familienunternehmen durch die Einrichtung eines auch mit familienexternen Mitgliedern besetzen Kontrollgremiums deutlich, so die Springer-Autoren. (Seite 195)

Damit liegen Felden et al. voll auf der Linie der aktuellen Studien, die Familienunternehmen mehr Diversität empfehlen.

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