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23-02-2021 | Diversitätsmanagement | Interview | Article

"MINT-Konzerne brauchen weibliche Vorbilder"

Author: Andrea Amerland

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Interviewee:
Kathleen Dunton

ist Managing Partner bei der internationalen Personalberatung Boyden in Frankfurt.

Die vom Bundeskabinett verabschiedete Frauenquote für Vorstände börsennotierter und paritätisch mitbestimmter Unternehmen stellt insbesondere MINT-Konzerne vor Herausforderungen. Wie sie geeignete Kandidatinnen finden, erklärt Personalberaterin Kathleen Dunton. 

Springer Professional: Aktuellen Analysen zufolge bringt die Frauenquote rund 25 börsennotierte Unternehmen in Bedrängnis, ihre Vorstände mit Frauen zu bestücken. Kann dieser Personalbedarf überhaupt gedeckt werden?

Kathleen Dunton: Das hängt von der Position ab. Die meisten Unternehmen suchen derzeit Frauen für Arbeitsbereiche, die mit Menschen zu tun haben und in denen Soft Skills im Vordergrund stehen. Das trifft auf die HR-, Presse- oder Marketing-Abteilung zu. Entsprechend streben Frauen in diesen Bereichen Karrieren an, da sie dort überhaupt möglich sind. Die Führungspositionen in diesen Bereichen sind zwar häufiger mit Männern besetzt, allerdings mit einer deutlich besseren Frauenquote als in vielen anderen Ressorts. Diese Berufe machen in der externen Kommunikation, aber auch beim Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf vieles richtig, um für Frauen attraktiv zu sein. Das macht es Headhuntern einfacher, Kandidatinnen zu finden und für diese Positionen zu begeistern.

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Wie schätzen Sie die Situation speziell für Techunternehmen ein? MINT-Frauen sind ja eher rar …

In Tech-Unternehmen ist die Situation eine andere. Die Anzahl der Studienanfängerinnen in allen MINT-Fachrichtungen ist seit 2008 zwar um 75 Prozent gestiegen und heute arbeiten auch mehr Frauen in der Technologiebranche. Aber weibliche Erfolgsgeschichten auf absolutem Top-Level – wie etwa die von Sabine Neuß, die als Vorstandsmitglied der Jungheinrich AG das Ressort Technik leitet – sind in klassischen Techunternehmen eine Seltenheit. Die Suche nach geeigneten Führungsfrauen dauert daher länger und ist schwieriger als in den Medien- und Kommunikationsberufen.

Da viele Unternehmen sich den Vorwurf gefallen lassen müssen, vorhandenes Potenzial weiblicher Führungskräfte nicht zu nutzen, zudem die MINT-Branche über einen teils dramatischen Fachkräftemangel klagt, haben diese Konzerne ein ureigenes Interesse, den Gender Gap zu schließen. Dafür müssen Eintrittsbarrieren für Frauen identifiziert und beseitigt werden. Denn Frauen wird es in einer männlich konnotierten Arbeitsumwelt häufig schwer gemacht, die Karriereleiter zu erklimmen. Dabei brauchen Konzerne weibliche Vorbilder, um weitere Frauen für MINT-Berufe zu gewinnen.

Welchen Einfluss hat die Frauenquote auf Executive Search und die Eignungsdiagnostik?

Viele Kunden streben wegen der Frauenquote an, mehr Frauen in Führungspositionen zu besetzen. Früher wurde dies eher als Nice-to-have angesehen. Ein guter Personalberater hat bereits heute die entsprechenden Top-Kandidatinnen auf dem Schirm – der Pool wird sich nicht von heute auf morgen vergrößern. Es wird langfristig zu mehr Managerinnen auf den oberen Leveln kommen und damit auf den unteren Ebenen zu einer größeren Durchlässigkeit. Das Ergebnis ist eine bessere Auswahlmöglichkeit für gute Positionen. Aber kurz- und mittelfristig wird die Frauenquote am Vorgehen von seriösen Headhuntern wenig ändern. 

Wie können Unternehmen die geeigneten Kandidatinnen für sich gewinnen?

Grundvoraussetzung ist, dass Unternehmensentscheider bereit sind, so lange nach einer geeigneten Frau zu suchen, bis sie gefunden ist. Das klingt banal, aber die Praxis zeigt, dass das Recruiting von weiblichen Führungskräften oft schon zu Beginn des Prozesses scheitert. Ist diese Bereitschaft gegeben, müssen unternehmensintern die Rahmenbedingungen geschaffen werden, um als Arbeitgeber attraktiv zu sein, etwa Homeoffice-Lösungen, flexiblere Arbeitszeiten und individuellen Betreuungsangebote. Gerade flexible Arbeitszeitmodelle bieten sich an, um Frauen den Einstieg oder die Rückkehr in eine Führungsposition zu ermöglichen.

Welche Rat haben Sie für das Employer Branding?

Unternehmen sollten weibliche Erfolgsstorys stärker nach außen kommunizieren, denn diese haben eine Signalwirkung. Sie sind entscheidend für die Motivation der Mitarbeiterinnen sowie deren langfristige Bindung an das Unternehmen, aber auch für Image und Employer Branding. Mit weiblichen Vorbildern haben Unternehmen die Möglichkeit, eine eigene weibliche Erfolgsgeschichte zu starten. Gelingt es ihnen, dass sich Frauen im Unternehmen wohlfühlen und sie Arbeitsbedingungen vorfinden, die ihrer Karriere zuträglich sind, dann tun sie dies auch kund – und die HR-Abteilung kann dieses positive Feedback medial und kommunikationsstrategisch für künftige Bewerbungsgespräche nutzen.

Welche Maßnahmen sind noch wichtig, um Frauen in Unternehmen zu fördern und die Führungsetagen diverser zu machen?

Das A und O sind Mentoring-Programme. Mit diesem Empowerment-Konzept können Firmen weibliche Karrieren fördern. Frauen machen vor allem dann Karriere, wenn ein konstruktives und förderndes Miteinander Teil der Unternehmenskultur ist. Dieses positive Arbeitsklima erreichen Unternehmen am besten, wenn sie Managerinnen Sparringspartnerinnen bieten. Beim Mentoring geht es darum, Frauen gezielt zu fördern und für Führungspositionen zu begeistern, beziehungsweise sie auf diesem Weg zu protegieren.

Erhöht sich der Frauenanteil in Führungspositionen, steigen Studien zufolge auch die Beförderungschancen weiblicher Arbeitnehmer auf unteren Hierarchieebenen. Top-Managerinnen kurbeln die Aufstiegschancen top-down für anderer Frauen im Unternehmen nicht nur durch aktive Beförderungsentscheidungen an, sondern auch durch ihre Vorbild- und Mentorenfunktion. Je mehr Führungspositionen mit Frauen besetzt sind, desto höher sind die Chance für weitere weibliche Fachkräfte, Karriere zu machen.

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