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2022 | OriginalPaper | Chapter

1. Einführung

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Zusammenfassung

Die Idee für dieses Buch entstand aufgrund eines beunruhigenden Gefühls, das auch in unseren erratischen Zeiten begründet ist: Die herkömmlichen Wirtschafts- und Organisationsmodelle erklären immer weniger und prognostizieren erst recht nicht mehr viel. Ein Grund für diese Unzulänglichkeit ist, dass es keinen umfassenden, theoriegeleiteten Konnex zwischen den Veränderungen in der Organisation menschlicher Arbeit und Interessen und der ökonomischen sowie politischen Entwicklung gibt. Und das, obwohl viele Beschreibungen der Wirtschaftssysteme seit Adam Smith aus dem Blickwinkel der Arbeitsorganisation heraus entstanden sind. Ein herausragendes Merkmal neuer digitale Zusammenarbeitsmodelle, welche hier vorgestellt werden,  ist nun das Entstehen von Peer-to-Peer-Beziehungen. Diese Organisationsform, die durch die Prinzipien der freiwilligen Zusammenarbeit von „Produzenten“ getragen wird, ist nicht zuletzt deswegen so produktiv und innovativ, weil sie die authentische Motivation ihrer Mitglieder verkörpert. Entstehen können diese Modelle, weil ein erfolgreicher Kapitalismus einen Überschuss an Skills erzeugt – und durch die Automatisierung noch weiter erzeugen wird. Und weil dieser Surplus von Hierarchien nicht abgerufen bzw. benötigt wird, steht er für andere Aktivitäten zur Verfügung.  Widerstand, verstanden als Möglichkeit des Individuums, seine persönlichen Ziele und Ambitionen innerhalb (und außerhalb) von traditionellen Hierarchien etwa auf diesen neuen Modellen durchzusetzen, ist somit eine innovative organisatorische Lösung und nicht nur eine Strategie gegen eine vorherrschende Ordnung.

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Footnotes
1
In den Standardwerken der Weltbank über die Pioneers in Development (Meier 1987; Meier/Seers 1985) kommt das Organisationsthema etwa kaum vor.
 
2
Dies mag auch damit zu tun haben, dass sich der Westen bislang kaum vorstellen konnte, dass Individuen außerhalb einer Demokratie kreativ sein können: „[C]itizens in democracies believe that the reason for this success [of the West] is that creativity depends on freedom, and because they have the most freedom, they have the most creativity. […] Seemingly, the idea of freedom in a democracy emerges from the assumption that chosen people are individually responsible for themselves to their creator. To manifest this responsibility, they must make free choices. To make free choices, they, therefore, must be free to make such choices […].“ (Gran 1996: 255)
 
3
Auch neuere Publikationen gehen an diesem Thema mitunter vorbei. Der Nobelpreisträger Phelbs (2013: 310) beklagt in diesem Kontext etwa den Mangel an Innovationen durch „idea men“ in der Gesellschaft. Er kritisiert hier aber weniger etwaige restriktive Organisationsformen der Unternehmung, sondern eher die Werte der Gesellschaft und den Einfluss des Staats, die seiner Meinung nach einer Innovationsdynamik im Wege stehen.
 
4
„It is clear now that human societies before the advent of farming were not confined to small, egalitarian bands. On the contrary, the world of hunter-gatherers as it existed before the coming of agriculture was one of bold social experiments, resembling a carnival parade of political forms, far more than it does the drab abstractions of evolutionary theory. Agriculture, in turn, did not mean the inception of private property, nor did it mark an irreversible step towards inequality. In fact, many of the first farming communities were relatively free of ranks and hierarchies. And far from setting class differences in stone, a surprising number of the world’s earliest cities were organized on robustly egalitarian lines, with no need for authoritarian rulers, ambitious warrior-politicians, or even bossy administrators.“ (Graeber/Wengrow 2021: 4)
 
5
In strikten Hierarchien funktioniert Innovation durch die Organisationsmitglieder jedoch immer nur teilweise oder oft auch gar nicht. In jedem Fall aber ist sie immer mit entsprechenden Kraftanstrengungen und Risiken verbunden. Dies hat mit den widersprüchlichen Anreizen der Organisationsmitglieder zu tun, die einerseits ihr Arbeitsumfeld immer weiter verbessern können, aber oft nicht Nutznießer dieser Verbesserung sind. Im Gegenteil. Wie Hofmann in seiner Schilderung von Arbeitskämpfen im Arbeitsalltag in der noch klassenbewussteren Sprache seiner Zeit formuliert: „Andererseits führt der stets sich wiederholende Sieg des Kapitalismus aber dazu, daß das langfristige Klasseninteresse der Lohnarbeiter immer wieder klar und das kollektive Gedächtnis mit den nachteiligen Konsequenzen von individuellen Ausflügen in den Status des freien Erfinders angefüllt wird“ (Hoffmann 1981: 47). Warum gibt es dann aber tatsächlich Innovationen? Hier findet Elsenhans (2012: 26) eine triviale, aber einleuchtende Antwort: „Erfindungen sind nicht knapp, weil der Mensch gerne spielt. […] Unter allen mir bekannten kulturellen Strukturen gibt es eine beachtliche Anzahl von Menschen, die schöpferische Arbeit monotoner Arbeit vorziehen […].“ Damit entsteht Innovation also trotz durch Hierarchie auferlegter Routine und nicht wegen ihr.
 
6
Willis (1977) begleitete eine Gruppe englischer Jugendlicher, die lads der Arbeiterklasse, durch ihre Berufsausbildung und ihren Arbeitseinstieg. Die Jugendlichen lehnten sich zwar gegen die Schule auf, die ihnen eine klassenlose Gesellschaft suggerierte, und die im krassen Gegensatz zu deren Lebensumständen und Erfahrungen stand. Die lads entwickelten dann aber keine Widerstandsstrategie gegenüber der Schule oder dem System als solches, sondern lediglich Strategien, um ihre tatsächliche Situation zu bejahen, wie etwa Sexismus und Rassismus. Ihr Widerstand wurde zur eigenen Beschränkung, ihre Situation änderte sich nicht und trug damit in letzter Instanz zur Reproduktion überkommener institutioneller Formen bei. Nur durch die Übernahme der Werte der Arbeiterklasse konnte das System schließlich weiterfunktionieren. Als die lads ihren Irrtum erkannten, war ihr Schicksal schon besiegelt, ein anderer Lebensweg war nicht mehr möglich: Der Arbeiterjunge hatte das Gefühl, dass es bereits zu spät war, als er den Irrtum seines frühen Selbstvertrauens entdeckte. Es sah so aus, als ob die widerständige ‚kulturelle Überhöhung‘ gerade lang genug angehalten hatte, um ihn durch das Fabriktor zu tragen, das sich dann hinter ihm verschloss. Die reproduktive ‚Wahrheit‘ ist dann die, dass die Institutionen mit Jugendlichen, die ein Interesse an ihren Berufen hätten, gar nicht umgehen könnten: „The ‚Transition‘ from school to work, for instance, of working class kids who had really absorbed the rubic of self-development, satisfaction and interest in work, would be a terrifying battle. Armies of kids equipped with their ‚self-conceptsʻ would be fighting to enter the few meaningful jobs available, and masses of employers would be struggling to get them into meaningless work.“ (A. a. O.: 177)
 
7
Asimov war vom kommunistischem Plandenken nicht unbeeinflusst und sich durchaus bewusst, dass dieses Paradoxon für wissenschaftliche Modelle Relevanz hat. Vergleiche etwa die angeführten Beispiele im Anhang der deutschen Ausgabe der Foundation Trilogie (2001: 829 ff.), die die Rolle der Mathematik und ihre Aussagefähigkeit beim Verständnis der Gesellschaftsstrukturen und ihrer Dynamik (Rassenunruhen, Wirtschaftszyklen, Halbwertzeit von Ideen, Lebensdauer von Staaten) sowie geografischen Beziehungen (Zentralplatztheorie) beschreiben.
 
8
Obschon die griechischen Philosophen keine Theorie der Demokratie entwickelt haben, waren zumindest die Sophisten der Meinung, dass alle Menschen die Fähigkeit zu politischem Urteil besitzen, obwohl hierbei nicht notwendigerweise alle die gleiche Erfahrenheit aufweisen (Finley 1980: 32 f.). Es wird hier erkenntlich, dass das Individuum das Verhalten seines Gegenübers antizipieren kann, weil es aus vergangenen Erfahrungen Hypothesen für die gegenwärtige Situation ableiten kann. Diese Technik war dann auch Vorbild für das Maschinelle Lernen. Hier lernt der Algorithmus auf Basis historischer Daten.
 
9
Es bleibt ein noch zu diskutierendes Paradoxon, dass die auf Plattformen gesammelten Daten, in weiterer Folge eine umfassende volkswirtschaftliche Planung ermöglichen können (Saros 2014). Diese Daten müssen dem einzelnen Akteur aber in der Regel nicht zur Verfügung stehen.
 
Metadata
Title
Einführung
Author
Ayad Al-Ani
Copyright Year
2022
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-37947-6_1