Wenige Tage vor der außerordentlichen Hauptversammlung der Lufthansa Group im Juli 2020, bei der über das staatliche Rettungspaket der Fluggesellschaft abgestimmt wurde, gab der Aufsichtsratsvorsitzende Karl-Ludwig Kley ein mehrseitiges Interview im Handelsblatt. Es ist bemerkenswert, dass sich der Aufsichtsratsvorsitzende – und nicht der Vorstandsvorsitzende – dabei ausführlich über die Verhandlungen zum Rettungspaket, den geplanten Verkauf von Konzernteilen und die notwendige Neubesetzung des Aufsichtsratsgremiums äußerte. Die mediale Aufmerksamkeit, insbesondere in Sondersituationen, fokussiert sich nicht mehr allein auf den Vorstand, sondern hat sich auf den Aufsichtsrat erweitert, vor allem in der Frage der sachgerechten Kontrolle.
Wenige Tage vor der außerordentlichen Hauptversammlung der Lufthansa Group im Juli 2020, bei der über das staatliche Rettungspaket der Fluggesellschaft abgestimmt wurde, gab der Aufsichtsratsvorsitzende Karl-Ludwig Kley ein mehrseitiges Interview im Handelsblatt. Es ist bemerkenswert, dass sich der Aufsichtsratsvorsitzende (ARV) – und nicht der Vorstandsvorsitzende – dabei ausführlich über die Verhandlungen zum Rettungspaket, den geplanten Verkauf von Konzernteilen und die notwendige Neubesetzung des Aufsichtsratsgremiums äußert (Brors & Koenen, 2020). Die mediale Aufmerksamkeit, insbesondere in Sondersituationen, fokussiert sich nicht mehr allein auf den Vorstand, sondern hat sich auf den Aufsichtsrat erweitert, vor allem in der Frage der sachgerechten Kontrolle. Denn der Aufsichtsrat als Überwachungsorgan trägt „die Letztverantwortung für das Wohl des Unternehmens“ (Mahlert, 2014, S. 106).
Bereits im Frühjahr 2017 wurde folgende Anregung in den Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK) aufgenommen:
„Der Aufsichtsratsvorsitzende sollte in angemessenem Rahmen bereit sein, mit Investoren über aufsichtsratsspezifische Themen Gespräche zu führen“ (DCGK, Anregung A.3)1.
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Nach der Begründung der Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex (2017, S. 3) sei ein solcher Investorendialog international und auch in Deutschland bereits vielfach gelebte Praxis. Damit kommt Aufsichtsratsvorsitzenden im Rahmen der normativen Selbstverpflichtung (sog. soft law) der deutschen Wirtschaft nun eine erweiterte externe Sprecherrolle zu. Aus Sicht der Investoren, die den Aufsichtsrat als Vertreter ihrer Interessen wählen, werden Aufsichtsratsvorsitzende2 somit zum Ansprechpartner. Unklar bleibt jedoch, ob und wenn ja, wie diese Kommunikation von den Unternehmen konkret ausgestaltet wird.
Beide Beispiele zeigen, dass sich die Rolle von Aufsichtsratsvorsitzenden deutlich verändert. Einerseits scheinen verschiedene Anspruchsgruppen3, wie Investoren oder Medien, eine aktivere Kommunikation von Aufsichtsratsvorsitzenden (ARV-Kommunikation) zu erwarten. Andererseits stellt dies einen Umbruch für die Unternehmen dar, da sich interne Strukturen sowie die Prozesse des Kommunikationsmanagements verändern, wenn Aufsichtsratsvorsitzende als Kommunikatoren für das Unternehmen agieren.
Aufsichtsratsvorsitzende wurden bisher wissenschaftlich kaum als Kommunikatoren wahrgenommen. Im Rahmen der Auseinandersetzung mit Corporate Governance ist der Aufsichtsrat zwar seit langem ein viel beachteter Untersuchungsgegenstand in den Wirtschafts- und Rechtswissenschaften (Grundei & Zaumseil, 2012; Hommelhoff, Hopt, & v. Werder, 2009; Metten, 2010; Welge & Eulerich, 2014). Das dualistische System der Unternehmensführung ist durch die institutionelle Trennung der Unternehmensleitung (Vorstand) und -kontrolle (Aufsichtsrat) gekennzeichnet. Die zahlreichen Anstrengungen zur Professionalisierung der Aufsichtsratsarbeit sind im Zuge der akademischen und praxisorientierten Corporate-Governance-Diskussion in den Fokus gerückt und haben die Anforderungen an die Mandatsträger erhöht (Werder, 2009a, S. 4). Der Bedeutungsanstieg der Überwachungsgremien führt dazu, dass deren Aufgaben nicht mehr nur formal, sondern auch faktisch wahrgenommen werden – so trägt der Aufsichtsrat erhebliche Mitverantwortung für den Erfolg und Misserfolg eines Unternehmens (Thümmel, 2015, S. 126). Der Aufsichtsrat ist damit Repräsentant und Adressat guter Corporate Governance.
Die Diskussion rund um die Professionalisierung der Aufsichtsräte geht von einem veränderten Aufgabenprofil aus, bei dem sich die Entwicklung von einer eher passiven Aufsichtsratstätigkeit zu einer vermehrt aktiven Rolle vollzieht. Dabei wird die Funktion des Aufsichtsrats in Bezug auf die Herstellung von Transparenz und Vertrauen in die Unternehmensführung betont sowie die dafür notwendigen Strukturen im Gremium und Kompetenzen etabliert (Kuck, 2006). Jedoch bleiben Themen wie die Vergütung, Zusammensetzung und Informationsversorgung innerhalb des Gremiums im Zentrum der Debatte. Hinsichtlich der kommunikativen Aufgaben des Aufsichtsrats wird ausschließlich auf die gesetzlich festgelegten Publizitätspflichten verwiesen.
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Aufsichtsratsvorsitzenden, als gewählte Sprecher des Aufsichtsratsgremiums, kommt dabei eine besondere Rolle zu: Sie koordinieren und leiten die Tätigkeiten des Gremiums, repräsentieren aber auch den Aufsichtsrat intern gegenüber dem Vorstand sowie extern gegenüber den Anteilseignern bei der jährlichen Hauptversammlung (Peus, 1983, S. 16 ff.). Aus dieser Repräsentationsfunktion resultieren kommunikative Aufgaben sowie ein klar abgegrenztes kommunikatives Vertretungsmandat für das Unternehmen. Die Rolle als Kommunikatoren für die Unternehmen wurden bislang nicht wissenschaftlich betrachtet. Demzufolge gibt es bis dato
„keinen skalierbaren Handlungsrahmen oder ein Organisationsmodell, welches mögliche Regelungen, Vorgehensweisen und Handlungsoptionen [für Aufsichtsratsvorsitzende] in kommunikativer Hinsicht beschreibt“ (Scherer, 2014, S. 149).
Doch die Überwachungstätigkeit des Aufsichtsrats und damit Corporate-Governance-Themen von Unternehmen können nur extern wahrgenommen werden, wenn sie durch geeignete Kommunikationsmaßnahmen gegenüber allen Stakeholdern vermittelt werden. Daher ist eine kommunikationswissenschaftliche Betrachtung der Kommunikation von Aufsichtsratsvorsitzenden notwendig, um das Verständnis seiner kommunikativen Aufgaben herzuleiten und die Maßnahmen umfassend dazustellen zu können.
Das empirische Phänomen der ARV-Kommunikation befindet sich sowohl innerhalb der Unternehmen als auch in Bezug auf externe Anspruchsgruppen im Wandel. Erstens verändert sich innerhalb der Unternehmen die Kommunikation, da aufgrund der Professionalisierung der Aufsichtsratstätigkeit eine steigende Informationsversorgung und eine zunehmend beratende Rolle im Austausch mit dem Vorstand etabliert wird (Grundei & Zaumseil, 2012; Welge & Eulerich, 2014). Darüber hinaus gehende interne Kommunikationsmaßnahmen werden jedoch wissenschaftlich noch nicht betrachtet.
Die externe Kommunikation des Aufsichtsrats(vorsitzenden) ist bislang durch die Regelungen des Aktiengesetzes (AktG) geprägt. So gibt es verschiedene, vor allem schriftliche, Publizitätspflichten des Aufsichtsrats, z. B. den Aufsichtsratsbericht (§ 171 Abs. 2 AktG). Der Aufsichtsratsbericht wird zwar auf der Hauptversammlung vom Aufsichtsratsvorsitzenden erläutert, insgesamt sieht das Aktienrecht jedoch nur eine eingeschränkte Kommunikationsrolle des Akteurs vor. Die Publizitätspflichten werden im Rahmen der Regelkommunikation von Unternehmen umgesetzt. Dabei stellt sich die Frage, ob und inwieweit diese Kommunikationsmaßnahmen auch Teil des Kommunikationsmanagements des Unternehmens sind.
Schließlich ist der Wandel der ARV-Kommunikation auch dadurch bedingt, dass verschiedene Anspruchsgruppen ihre individuellen Kommunikationsbedürfnisse und den Wunsch nach dialogorientierten Kommunikationsbeziehungen an Unternehmen herantragen (Zerfaß, 2014). Eine freiwillige Kommunikation von Aufsichtsratsvorsitzenden könnte dabei einen Einfluss auf die Wahrnehmung und Reputation des Unternehmens haben (Eisenegger, 2005).
Die Kommunikation von Aufsichtsratsvorsitzenden befindet sich sowohl innerhalb des Unternehmens als auch in Bezug auf externe Anspruchsgruppen im Wandel, dennoch findet bisher weder in der Kommunikationswissenschaft noch in der wirtschafts- und rechtswissenschaftlichen Corporate-Governance-Forschung eine Auseinandersetzung mit der kommunikativen Dimension der Aufsichtsratstätigkeit statt. Vor allem aus Perspektive der Forschung zur Unternehmenskommunikation sowie zum Kommunikationsmanagement besteht damit eine Forschungslücke, schließlich sind Aufsichtsratsvorsitzende als Sprecher des Aufsichtsratsgremiums sichtbare und bedeutende Kommunikatoren für das Unternehmen. Daher stellt sich die Frage, wie sich die Strukturen im Unternehmen sowie die Prozesse des Kommunikationsmanagements verändern, wenn Aufsichtsratsvorsitzende verstärkt als Kommunikatoren für Unternehmen agieren.
Da der Aufsichtsrat als Überwachungsgremium nicht Teil der strategischen Unternehmensführung ist, sondern vielmehr die Rahmenbedingungen für das Unternehmenshandeln setzt, können bestehende Konzepte der Kommunikationsmanagement-Forschung jedoch nicht einfach auf die ARV-Kommunikation übertragen werden. Die Sprecherrolle von Aufsichtsratsvorsitzenden sowie das Management dieser Kommunikation stellen demnach eine Herausforderung für die Forschung zum Kommunikationsmanagement dar.
Zwei Perspektiven auf die Kommunikation von Aufsichtsratsvorsitzenden
Die Kommunikation von Aufsichtsratsvorsitzenden verändert sich sowohl innerhalb der Unternehmen als auch in Bezug auf externe Anspruchsgruppen. Daher soll das Forschungsthema aus zwei Perspektiven betrachtet werden:
Externe Perspektive, indem die Anforderungen an die Kommunikation von Aufsichtsratsvorsitzenden analysiert werden.
Interne Perspektive, indem die Strukturen der Kommunikation von Aufsichtsratsvorsitzenden innerhalb der Unternehmen konzeptualisiert, die Bandbreite der Kommunikationsmaßnahmen dargestellt und die Kommunikation innerhalb des Kommunikationsmanagements verortet werden.
Die interne und externe Perspektive auf die Kommunikation von Aufsichtsratsvorsitzenden konstituiert dabei sowohl den theoretisch-konzeptionellen als auch den empirisch-analytischen Teil der Arbeit.
Bei der externen Perspektive ist das Verhältnis von Unternehmen und seiner Umwelt von besonderem Interesse. Denn es stellt sich die Frage, welchen Einfluss die Unternehmensumwelt hat, wie Austauschprozesse beschrieben werden können und wie die Koordination dieser Umweltbeziehungen erfolgt (Jarren & Röttger, 2009, S. 33). Daher sollen aus externer Perspektive die Anforderungen von relevanten Anspruchsgruppen an die Kommunikation von Aufsichtsratsvorsitzenden analysiert werden. Anforderungen können zu (unerkannten) Handlungsbedingungen für die Aufsichtsratsvorsitzenden und Kommunikationsverantwortlichen im Unternehmen werden.
Der Fokus der externen Betrachtung liegt auf denjenigen Akteuren, die sich in ihrem Handeln auf die Kommunikation von Aufsichtsratsvorsitzenden beziehen. Unternehmen bewegen sich in unterschiedlichen Öffentlichkeitsarenen, die durch verschiedene Akteure, Themen und Sinnrationalität gekennzeichnet sind (Gerhards & Neidhardt, 1991; Hilgartner & Bosk, 1988). Für das Forschungsthema werden die Kapitalmarktöffentlichkeit und die gesellschaftspolitische Öffentlichkeit sowie die darin agierenden Akteure eingeführt. Als zentrale externe Anspruchsgruppen an die ARV-Kommunikation werden dabei Investoren, Analysten, Stimmrechtsberater und Journalisten etabliert, deren Erwartungen analysiert werden sollen.
Die Veränderung der Erwartungen von externen Anspruchsgruppen kann an zwei Beispielen illustriert werden: Erstens kündigte Larry Fink, CEO von BlackRock, im Jahr 2018 in seinem jährlichen offenen Brief an die Vorstandsvorsitzenden (englisch = Chief Executive Officer (CEO)) großer Unternehmen weltweit ein neues Governance-Modell an. Dieses sieht eine aktive Rolle von Investoren zur Sicherung einer langfristigen erfolgreichen Unternehmensentwicklung vor:
„The time has come for a new model of shareholder engagement – one that strengthens and deepens communication between shareholders and companies that they own“ (Fink, 2018, S. 2).
Der weltweit größte Vermögensverwalter will sich demnach nicht mehr auf die Abstimmung auf jährlichen Aktionärsversammlungen beschränken, sondern verstärkt als aktivistischer Aktionär auftreten. Diese Veränderung in der Rolle und dem Auftreten von Investoren stellt eine Herausforderung für die Führung von Unternehmen dar. Daraus folgt zudem, dass Investoren immer häufiger auch mit dem Aufsichtsrat als gewählten Vertreter ihrer Interessen sprechen wollen – daher verändern sich die Erwartungen an die Kommunikation von Aufsichtsratsvorsitzenden.
Zweitens zeigt sich auch in den Wirtschafts- und Finanzmedien eine intensive Rezeption der Arbeit des Aufsichtsrats. So verteidigt der Aufsichtsratsvorsitzende der Continental AG, Wolfgang Reitzle, die Schließung eines Reifenwerks in Aachen und räumt ein, dass das Unternehmen die Schließungspläne nicht gut kommuniziert habe. Dabei kommentiert er auch, dass es falsch sei, die Krise mit Fehlern des Vorstands in Verbindung zu bringen (Steingart, 2020). Bisher ist jedoch wissenschaftlich nicht untersucht, inwiefern Äußerungen von Aufsichtsratsvorsitzenden in der Medienberichterstattung rezipiert werden. Mithilfe der Analyse der externen Perspektive auf die Kommunikation von Aufsichtsratsvorsitzenden sollen die Anforderungen dieser Stakeholder expliziert werden.
Das Herzstück der vorliegenden Arbeit ist dann die Analyse der internen Perspektive der Unternehmen. Dafür wird die Unternehmensöffentlichkeit mit seinen relevanten Akteuren und formalen Strukturen des dualistischen Systems der Unternehmensführung eingeführt. In Bezug auf die ARV-Kommunikation stellt sich dann die Frage nach dem Modi und Prozessen der unternehmensinternen Kooperation, Koordination und Steuerung (Jarren & Röttger, 2009, S. 32) zwischen den Aufsichtsratsvorsitzenden und Kommunikationsverantwortlichen.
Für die Arbeit wird die Strukturationstheorie nach Giddens (1997) als theoretisches Fundament gewählt. Sie bietet einen begrifflichen Rahmen auf deren Basis unternehmensinterne und -externe Akteure mit ihren Handlungen beschrieben werden können. Mit dem Verständnis von Strukturen als Regeln, die im Zusammenspiel mit Ressourcen das Handeln sozialer Akteure steuern, ermöglichen oder einschränken (Giddens, 1997, S. 45), kann die Kommunikation von Aufsichtsratsvorsitzenden als soziale Praxis konzeptualisiert werden. Strukturen sind in der Regel recht stabil, können aber geändert werden, insbesondere, wenn Akteure beginnen anders zu handeln und damit Strukturen modifizieren. Basierend auf der strukturationstheoretischen Perspektive werden die theoretischen Erkenntnisse aus der Corporate-Governance-Forschung und Kommunikationswissenschaft zu einem Analyserahmen zusammengeführt, auf dessen Grundlage die Strukturen der ARV-Kommunikation innerhalb der Unternehmen konzeptualisiert werden.
Darüber hinaus soll durch die theoretische Herleitung sowie die empirische Analyse der internen und externen Kommunikationsmaßnahmen von Aufsichtsratsvorsitzenden gezeigt werden, mit welchen Anspruchsgruppen, wie oft und in welcher Form eine Kommunikation von Aufsichtsratsvorsitzenden stattfindet. Die Kenntnis über die Strukturen und die Maßnahmen der ARV-Kommunikation bildet die Basis dafür, die Einbindung der Kommunikation im Kommunikationsmanagement diskutieren zu können.
Um die Kommunikation von Aufsichtsratsvorsitzenden im Kommunikationsmanagement verorten zu können, müssen zunächst einige Grundannahmen der bisherigen Forschung zum Kommunikationsmanagement hinterfragt werden. Aufgrund seiner formal-strukturellen Position lässt sich etwa das Verständnis, dass die Ziele für Kommunikation aus der Unternehmensstrategie abgeleitet werden (Gregory, 2018; Zerfaß & Viertmann, 2017) nicht auf die ARV-Kommunikation übertragen. Daher werden die Ziele für die ARV-Kommunikation theoretisch aus der Überwachungsfunktion abgeleitet und empirisch überprüft. Dazu kommt, dass es klare Verantwortlichkeiten für die ARV-Kommunikation braucht, um Interessenkonflikte für die Kommunikationsfunktionen in der Zusammenarbeit mit Vorstand und Aufsichtsrat zu vermeiden.
Ziele der Dissertation
Basierend auf den zwei Perspektiven auf den Untersuchungsgegenstand der ARV-Kommunikation verfolgt die Dissertation die folgenden vier Ziele:
(1) Das Phänomen der Kommunikation von Aufsichtsratsvorsitzenden soll aus Perspektive der Kommunikationswissenschaft, insbesondere der Kommunikationsmanagement-Forschung, sowie Corporate-Governance-Forschung konzeptionell erschlossen werden, um ein Verständnis von Rahmenbedingungen, Anforderungen und Aufgaben zu erhalten.
(2) Auf dieser Basis wird die Kommunikation von Aufsichtsratsvorsitzenden im Rahmen der Kommunikationsmanagement-Forschung konzeptionell verortet. Aufgrund der spezifischen formal-strukturellen Position von Aufsichtsratsvorsitzenden, die in (1) erarbeitet wurde, stoßen die bestehenden Konzepte der Kommunikationsmanagement-Forschung jedoch an Grenzen.
Daher wird (3) auf Basis der strukturationstheoretischen Perspektive ein Analyserahmen entwickelt, der die unternehmensinternen Strukturen der Kommunikation von Aufsichtsratsvorsitzenden abbildet. Zudem werden theoretisch die Kommunikationsmaßnahmen sowie Ziele der Kommunikation aus der Funktion des Aufsichtsrats hergeleitet.
Schließlich wird (4) die Kommunikation von Aufsichtsratsvorsitzenden in drei methodischen Schritten empirisch untersucht: Die ersten beiden Schritte beziehen sich dabei auf die Anforderungen der externen Anspruchsgruppen an die ARV-Kommunikation. Im dritten Schritt werden die unternehmensinternen Strukturen, die Bandbreite der internen und externen Kommunikationsmaßnahmen und das Management der Kommunikation von Aufsichtsratsvorsitzenden adressiert.
Die Arbeit nimmt eine analytisch-nomologische Position ein. So sollen bestimmte Situationen oder Handlungen auf der Grundlage von typischen Konstellationen so objektiv wie möglich beschrieben und erklärt werden (Zerfaß, 2010, S. 25). Mit dieser Vorgehensweise sollen neue theoretische Erkenntnisse gewonnen werden, die dann auf praktische Fragestellungen angewandt werden. Die vorliegende Forschung steht damit in der Tradition von Arbeiten, die zugleich kommunikationswissenschaftliche Grundlagenforschung und Erkenntnisse für die Kommunikationspraxis als möglich erachten (Stehle, 2015, S. 38; Zerfaß, 2010, S. 23). In Anlehnung an Zerfaß (2010, S. 23) soll diese Arbeit dazu beitragen, dass Wissenschaft auch den Zweck verfolgen soll, „praktische Probleme zu erfassen und zu lösen“. Mit Blick auf die beschriebene Forschungslücke liegt daher ein Schwerpunkt zunächst auf der theoretischen und konzeptionellen Grundlegung der ARV-Kommunikation. Die theoretische Argumentation wird im empirischen Teil der Arbeit immer wieder aufgegriffen und vertieft damit die Erkenntnisse.
Forschungsfragen
Aus den Zielen dieser Dissertation lassen sich die Forschungsfragen für den empirischen Teil der Arbeit ableiten. Die Forschungsfragen werden im Verlauf des theoretisch-konzeptionellen Teils hergeleitet und mit Unterfragen ergänzt. An dieser Stelle werden sie im Überblick gezeigt.
Basierend auf dem strukturationstheoretischen Fundament und der externen und internen Perspektive auf das Thema ergeben sich zwei sich ergänzende und in wechselseitig Bezug stehende Vorgehensweisen: die institutionelle Analyse und die strategische Analyse (Giddens, 1997, S. 342). Ausgehend von der doppelten Hermeneutik, verstanden als gegenseitige Durchdringung des sozialwissenschaftlichen und lebensweltlichen Bezugsrahmens (Giddens, 1997, S. 338), kann so ein Zugang zum Untersuchungsgegenstand, also der sozialen Praxis der Kommunikation von Aufsichtsratsvorsitzenden, geschaffen werden.
Bei der institutionellen Analyse werden die Strukturmomente aufgeschlüsselt, auf die die handelnden Akteure weitgehend unbewusst zurückgreifen. Damit sollen theoretisch gehaltvolle Erkenntnisse generiert werden können (Walgenbach, 2006, S. 416 f.). In dieser Arbeit werden dafür zwei methodische Schritte für die Analyse der Anforderungen aus der externen Perspektive durchgeführt: Als Erstes wird mithilfe einer Inhaltsanalyse analysiert, wie die öffentliche Kommunikation von Aufsichtsratsvorsitzenden von den zentralen Vermittlern innerhalb der Kapitalmarktöffentlichkeit (Analysten, Journalisten) und der gesellschaftspolitischen Öffentlichkeit (Journalisten) rezipiert wurde.
Forschungsfrage 1: Wie wurde in den Jahren 2016 und 2017 in deutschen Tages- und Wirtschaftsmedien und Analystenreports über Aufsichtsratsvorsitzende berichtet?
Durch die Betrachtung über einen Zeitraum von zwei Jahren, in den auch die regulatorische Änderung zum Investorendialog im DCGK fällt, soll überprüft werden, ob es zu einer Veränderung der Berichterstattung gekommen ist. Somit können die Diskurse und insbesondere die Bedeutung von Corporate-Governance-Themen in den beiden relevanten Öffentlichkeitsarenen aufgezeigt werden. Diese Themen liegen im Aufgabenbereich des Aufsichtsratsgremiums, sodass daraus die Relevanz der ARV-Kommunikation abgeleitet werden kann.
Die Erkenntnisse aus der Inhaltsanalyse sollen mithilfe eines zweiten methodischen Schritts vertieft und weiter differenziert werden. Durch Experteninterviews mit unterschiedlichen externen Stakeholdern, die aus den theoretischen Ausführungen sowie der Medienanalyse identifiziert werden konnten, sollen die Erwartungen an die Kommunikation von Aufsichtsratsvorsitzenden detailliert erfasst und analysiert werden. Es handelt sich dabei um die Erwartungen, die von außen an die Unternehmen und die Aufsichtsratsvorsitzenden gestellt werden. Dies geschieht in dem Bewusstsein, dass Erwartungen nicht nur exogen, sondern auch von innen kommen können.
Forschungsfrage 2: Welche Erwartungen haben Stakeholder an die Kommunikation von Aufsichtsratsvorsitzenden?
Durch die Kombination der beiden Analysen soll gezeigt werden, wie die Rezeption der öffentlichen Äußerungen von Aufsichtsratsvorsitzenden und die Erwartungen der Stakeholder zu Anforderungen für die ARV-Kommunikation werden. Diese Anforderungen können als (unerkannte) Handlungsbedingungen einen Einfluss auf die Kommunikation von Aufsichtsratsvorsitzenden nehmen.
Die strategische Analyse stellt dagegen die interne Perspektive der Akteure im Unternehmen in den Mittelpunkt, wobei die Handlungen der Akteure verstehend rekonstruiert werden. Das Wissen über die Strukturen stellt eine Bedingung für das jeweilige Handeln dar, kann es jedoch ebenso einschränken. Kießling (1988a, S. 184) spricht in diesem Zusammenhang von „strukturell beschränkten handlungspraktischen Wissen“.
Für die strategische Analyse werden Experteninterviews mit Aufsichtsratsvorsitzenden geführt, die durch Gespräche mit Investor-Relations- und Public-Relations-Verantwortlichen der Unternehmen ergänzt werden. Mithilfe des entwickelten strukturationstheoretischen Analyserahmens können dann die Strukturen der ARV-Kommunikation im Unternehmen konzipiert werden. Zudem wird durch die Analyse der internen und externen Kommunikationsmaßnahmen gezeigt, mit welchen Anspruchsgruppen, wie oft und in welcher Form die ARV-Kommunikation stattfindet.
Forschungsfrage 3: Was sind Strukturen und Maßnahmen der Kommunikation von Aufsichtsratsvorsitzenden?
Die Kenntnis über die Strukturen und die Maßnahmen der ARV-Kommunikation bildet die Basis dafür, im nächsten Schritt die Einbindung der Kommunikation im Kommunikationsmanagement diskutieren zu können. Die bisherige Kommunikationsmanagement-Forschung basiert auf einigen Grundannahmen, wie etwa die Ableitung der Kommunikationsstrategie und -ziele aus der Unternehmensstrategie, die aufgrund der formal-strukturellen Position des Aufsichtsrats nicht auf die ARV-Kommunikation übertragbar sind. Daher wird sowohl theoretisch als auch empirisch analysiert, wie sich die Kommunikation von Aufsichtsratsvorsitzenden im Kommunikationsmanagement verorten lässt.
Forschungsfrage 4: Wie lässt sich die Kommunikation von Aufsichtsratsvorsitzenden im Kommunikationsmanagement verorten?
Auf Basis dieser Forschungsfragen soll das Phänomen der Kommunikation von Aufsichtsratsvorsitzenden erstmalig umfassend beschrieben und analysiert werden.
Der Aufsichtsrat ist ein Phänomen des dualistischen Systems der Unternehmensführung, das seinen Ursprung in Deutschland hat und dort das bis heute praktizierte Leitungsmodell darstellt. Die Untersuchung stellt damit die gesetzlich vorgeschriebenen Aufsichtsratsgremien von deutschen Aktiengesellschaften (Lutter, Krieger, & Verse, 2014, S. 5) in den Mittelpunkt. Die vorliegende Arbeit fokussiert auf die Unternehmen, die im Prime Standard der Frankfurter Wertpapierbörse gelistet sind. Der Prime Standard stellt europaweit das Segment mit den höchsten Transparenzanforderungen dar (Deutsche Börse AG, 2020a) und ist Voraussetzung für die Aufnahme in einen der Auswahlindizes der Deutschen Börse (DAX, MDAX, SDAX, TecDAX).
Bei den empirischen Schritten in dieser Arbeit werden die Unternehmen aus dem DAX, den 30 größten börsennotierten deutschen Unternehmen, und MDAX4, den folgenden 50 größten börsennotierten Unternehmen gemessen an Marktkapitalisierung und Börsenumsatz, analysiert. Aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu den beiden wichtigsten Indizes in Deutschland kann davon ausgegangen werden, dass verschiedene Eigenschaften als plausibel für alle betrachteten Fälle angenommen werden können. Dazu gehören ein öffentliches Interesse an den Unternehmen aufgrund ihrer Größe und Zugehörigkeit zu den Indizes sowie institutionalisierte Abteilungen für Unternehmenskommunikation und Investor Relations, die ein Kommunikationsmanagement für die Steuerung ihrer Kommunikation einsetzen. Diese Eigenschaften sind mit Blick auf das Forschungsinteresse relevant, da dadurch eine grundsätzliche Vergleichbarkeit der Fälle gewährleistet werden kann. Zusammenfassend beziehen sich die Aussagen in dieser Arbeit also stets auf Aufsichtsratsvorsitzende von DAX- und MDAX-Unternehmen in Deutschland.
Gang der Untersuchung
Die Arbeit ist unterteilt in einen theoretisch-konzeptionellen und empirisch-analytischen Teil. Abbildung 1.1 stellt den Gang der Untersuchung der Kommunikation von Aufsichtsratsvorsitzenden im Überblick dar. Die Inhalte der einzelnen Kapitel werden nun kurz vorgestellt.
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Der theoretisch-konzeptionelle Teil beginnt mit einer grundlegenden theoretischen Verortung der Arbeit anhand der Strukturationstheorie von Giddens (1997). Dabei wird der begriffliche Rahmen eingeführt, um die Handlungen von unternehmensinternen und -externen Akteuren und die Strukturen der ARV-Kommunikation zu beschreiben. Auf dieser Basis können im weiteren Verlauf der Arbeit dann strukturationstheoretische Einsichten abgeleitet werden (Kapitel 2).
Da die Forschungslücke an der Schnittstelle zwischen Corporate-Governance-Forschung und Kommunikationswissenschaft liegt, sollen diese Forschungstraditionen erschlossen werden, um ein Verständnis von Rahmenbedingungen, Anforderungen und Aufgaben von Aufsichtsratsvorsitzenden zu erhalten. In Kapitel 3 werden daher die Grundlagen aus dem Forschungsfeld zur Corporate Governance gelegt. Dabei werden zunächst die theoretischen Grundlagen von Corporate Governance eingeführt, insbesondere die Principal-Agent-Theorie sowie die Stewardship-Theorie (Abschnitt 3.1). Nach einer Diskussion der unterschiedlichen Governance-Systeme wird der Fokus auf das dualistische System der Unternehmensführung gelegt, da der Aufsichtsrat darin das zentrale Überwachungsorgan darstellt. In Abschnitt 3.2 werden dann die Grundlagen zu den Aufgaben und Funktionen, der inneren Organisation und der Zusammensetzung des Aufsichtsrats vorgestellt. Im Anschluss wird die besondere Rolle von Aufsichtsratsvorsitzenden beleuchtet (Abschnitt 3.3). In Abschnitt 3.4 werden die umfangreichen Erkenntnisse aus der wirtschaftswissenschaftlichen und juristischen Corporate-Governance-Forschung für die weitere Analyse rekapituliert.
In Kapitel 4 werden dann die kommunikationswissenschaftlichen Grundlagen für die ARV-Kommunikation aufgezeigt. Da sich die öffentliche Kommunikation von Aufsichtsratsvorsitzenden im Wandel befindet, werden zunächst der Begriff sowie verschiedene Modelle von Öffentlichkeit diskutiert, wobei das Arenenmodell von Gerhards & Neidhardt (1991) am geeignetsten für die weitere Analyse betrachtet wird (Abschnitt 4.1). Im Anschluss werden die für die Kommunikation von Aufsichtsratsvorsitzenden relevante gesellschaftspolitische Öffentlichkeit (Abschnitt 4.1.1) sowie die Kapitalmarktöffentlichkeit (Abschnitt 4.1.2) analytisch hergeleitet sowie relevante Akteure und Themen darin beschrieben. Auf dieser Basis können im weiteren Verlauf die relevanten Anspruchsgruppen abgeleitet werden, um aus externer Perspektive die Anforderungen an die ARV-Kommunikation zu untersuchen. Im Anschluss wird die interne Perspektive eingenommen und die Unternehmensöffentlichkeit mit ihren Akteuren und Themen etabliert (Abschnitt 4.1.3). In Abschnitt 4.1.4 werden die zentralen Erkenntnisse zu den Öffentlichkeitsarenen rekapituliert, um sie für die ARV-Kommunikation nutzbar zu machen.
Die Arbeit beschäftigt sich mit der Kommunikation von Aufsichtsratsvorsitzenden als Teil der Kommunikation von Unternehmen. Ziel ist es, die ARV-Kommunikation aus unternehmensinterner Perspektive im Rahmen des Kommunikationsmanagements zu verorten. Daher wird zunächst die bisherige Forschung zu Kommunikationsmanagement (Gregory, 2018; Hallahan, 2013; Zerfaß, 2014; Zerfaß & Volk, 2020) deskriptiv dargestellt (Abschnitt 4.2). In diesem Zusammenhang wird auf die für die ARV-Kommunikation relevanten Handlungsfelder der Unternehmenskommunikation eingegangen, indem die jeweiligen Ziele, Anspruchsgruppen, Themen und Instrumente eingeführt werden. Die interne Kommunikation (Abschnitt 4.2.1) wird dabei mit einbezogen, um für die empirische Analyse interne Kommunikationsanforderungen und Maßnahmen identifizieren zu können, die über die Betrachtung der internen Informationsversorgung und Beratung mit dem Vorstand aus Corporate-Governance-Perspektive hinaus gehen. In Bezug auf die externe Kommunikation werden spiegelbildlich zu den Öffentlichkeitsarenen die darauf bezogenen Handlungsfelder Public Relations (Abschnitt 4.2.2) und Investor Relations (Abschnitt 4.2.3) dargestellt. Dies bildet die Grundlage für spätere Überlegungen, welche Rolle diese Kommunikationsfunktionen bei der Kommunikation von Aufsichtsratsvorsitzenden spielen. In Abschnitt 4.2.4 werden die Erkenntnisse zum Kommunikationsmanagement und den Handlungsfeldern rekapituliert, um im weiteren Verlauf der Arbeit die ARV-Kommunikation im Kommunikationsmanagement verorten zu können.
Da die Aufgaben von Aufsichtsratsvorsitzenden ein kommunikatives Vertretungsmandat beinhaltet, sollen Aufsichtsratsvorsitzende zudem konzeptionell als Kommunikatoren für Unternehmen verortet werden (Abschnitt 4.3). Daher wird ein Blick auf die bisherige Kommunikatorforschung (Abschnitt 4.3.1) geworfen, die sich vor allem mit Journalisten und Kommunikationsverantwortlichen beschäftigt hat. Anschließend wird gezeigt, dass sich die Kommunikatorforschung innerhalb der Forschung zu Unternehmenskommunikation auch mit weiteren Sprechern für Unternehmen beschäftigt, insbesondere mit den Mitgliedern der Unternehmensführung. Dabei ist die CEO-Kommunikation bereits zu einem etablierten Forschungsfeld geworden. Kommunikation wird als Kernaufgabe von Führungspositionen und als Teilbereich der Unternehmenskommunikation gesehen. Die Kommunikation von CEO als auch des Finanzvorstands (englisch = Chief Financial Officer (CFO)) wird im Rahmen des Kommunikationsmanagements betrachtet (Hoffmann, Binder-Tietz, & Van Poele, 2020; Sandhu & Zielmann, 2010) (Abschnitt 4.3.2). Basierend auf der institutionellen Trennung im dualistischen System der Unternehmensführung werden dann auch Aufsichtsratsvorsitzende als Kommunikatoren für Unternehmen verortet (Abschnitt 4.3.3).
Mithilfe der Grundlagen der Corporate-Governance-Forschung und Kommunikationswissenschaft, insbesondere der Kommunikationsmanagement-Forschung, wird dann die Kommunikation von Aufsichtsratsvorsitzenden aus theoretischer Perspektive dargestellt. Zunächst werden die Maßnahmen und Themen der ARV-Kommunikation anhand der drei relevanten Öffentlichkeitsarenen erläutert. Bei der Kommunikation in der Unternehmensöffentlichkeit wird auf die Informationsversorgung des Aufsichtsratsgremiums, aber auch auf den Dialog von Aufsichtsratsvorsitzenden mit dem Vorstand sowie Führungskräften eingegangen (Abschnitt 5.1.1). In Bezug auf die Kommunikation mit der Kapitalmarktöffentlichkeit werden die Publizitätspflichten des Aufsichtsratsgremiums dargestellt und der im Deutschen Corporate Governance Kodex aufgenommene Investorendialog, die zentrale Neuerung in diesem Themenfeld, thematisiert (Abschnitt 5.1.2). Abschließend wird die freiwillige Kommunikation von Aufsichtsratsvorsitzenden mit Medien und mögliche Themen dieses Dialogs dargestellt (Abschnitt 5.1.3). In Abschnitt 5.1.4 werden die Erkenntnisse zu den Kommunikationsmaßnahmen von Aufsichtsratsvorsitzenden zusammengefasst, um sie anschließend empirisch überprüfen zu können.
Da einige Grundannahmen der bisherigen Kommunikationsmanagement-Forschung nicht auf die ARV-Kommunikation übertragen werden können, werden anschließend die Ziele der ARV-Kommunikation diskutiert und aus der Überwachungstätigkeit theoretisch hergeleitet (Abschnitt 5.2). Im Anschluss wird in Abschnitt 5.3 die in dieser Arbeit zugrunde liegende Definition zur Kommunikation des Aufsichtsrates sowie von Aufsichtsratsvorsitzenden eingeführt. Schließlich werden die strukturationstheoretischen Vorüberlegungen mit den verschiedenen Ansatzpunkten aus den kommunikations-, wirtschaftswissenschaftlichen und juristischen Grundlagen rekapituliert. Der dabei entwickelte Analyserahmen (Abschnitt 5.4) dient als Ausgangspunkt, um im empirischen Teil die Interdependenzen von Handlungen und Strukturen analysieren zu können. Abschließend werden in Abschnitt 5.5 die Forschungsfragen für die empirische Analyse aus den theoretischen Ausführungen rekapituliert.
Im nächsten Schritt wird das Forschungsdesign der empirischen Studie (Kapitel 6) vorgestellt. Dafür werden in Abschnitt 6.1 zunächst die in dieser Arbeit genutzten Methoden allgemein eingeführt. Mithilfe der Inhaltsanalyse werden sowohl Daten für die institutionelle Analyse erhoben als auch die Experteninterviews aus institutioneller und strategischer Analyse ausgewertet (Abschnitt 6.1.1). Daneben stellen qualitative Experteninterviews die zentrale Erhebungsmethode aus institutioneller und strategischer Analyse dar (Abschnitt 6.1.2).
Die institutionelle Analyse umfasst zwei methodische Schritte, um die Anforderungen an die Kommunikation von Aufsichtsratsvorsitzenden in Deutschland aus externer Perspektive aufzeigen zu können (Abschnitt 6.2). Dabei handelt es sich erstens um eine Inhaltsanalyse der Medienberichterstattung sowie von Analystenreports (Abschnitt 6.2.1). Ergänzend dazu werden qualitative Experteninterviews mit den Intermediären der beiden Kommunikationsarenen durchgeführt (Abschnitt 6.2.2), um deren Erwartungen an die Kommunikation von Aufsichtsratsvorsitzenden beschreiben zu können.
In der strategischen Analyse werden schließlich die Akteure selbst, also Aufsichtsratsvorsitzende ebenso wie Investor Relations- und Kommunikationsverantwortliche, in qualitativen Experteninterviews zu ihren Handlungen befragt (Abschnitt 6.3). Weiterhin wird auch auf die Gütekriterien qualitativer Forschung (Abschnitt 6.4) Bezug genommen.
Dann beginnt der empirisch-analytische Teil, in dem die Erkenntnisse zu Kommunikation von Aufsichtsratsvorsitzenden präsentiert werden. Als Erstes werden die Ergebnisse aus externer Perspektive zu den Anforderungen an die ARV-Kommunikation vorgestellt. In Abschnitt 7.1 wird gezeigt, wie in deutschen Tages- und Wirtschaftsmedien und Analystenreports über Aufsichtsratsvorsitzende von DAX- und MDAX-Unternehmen in den Jahren 2016 bis 2017 berichtet wurde. Auf Basis einer Inhaltsanalyse hinsichtlich der Art der Äußerungen von Aufsichtsratsvorsitzenden sowie der Anlässe und Themen der Berichterstattung sollen die Diskurse in der gesellschaftspolitischen Öffentlichkeit und Kapitalmarktöffentlichkeit aufgezeigt werden (Abschnitt 7.1.1). Damit soll die Bedeutung von Corporate-Governance-Themen für die Vermittler in den beiden Öffentlichkeitsarenen dargestellt werden, denn diese Themen liegen im Aufgabenbereich des Aufsichtsratsgremiums. Als Zwischenergebnis dieses ersten Analyseschritts werden fünf ereignisbezogene Typen der Kommunikation von Aufsichtsratsvorsitzenden präsentiert (Abschnitt 7.1.2).
Mit den im Rahmen der Medienanalyse identifizierten Akteuren der Anspruchsgruppen wurden qualitative Experteninterviews durchgeführt, dessen Ergebnisse in Abschnitt 7.2 präsentiert werden. In diesem methodischen Schritt sollen die Erkenntnisse aus der Inhaltsanalyse vertieft werden. Dabei galt es die Erwartungen an die Kommunikation von Aufsichtsratsvorsitzenden zu erfassen. Denn diese Erwartungen können zu (unerkannten) Handlungsbedingungen für die ARV-Kommunikation werden und damit einen Einfluss auf die Strukturen haben. Um die Erwartungen der verschiedenen Stakeholder darstellen zu können, sollen sie zunächst differenziert vorgestellt werden (Abschnitt 7.2.1). Anschließend werden die Gründe für die Veränderung der Erwartungshaltung diskutiert (Abschnitt 7.2.2).
In Abschnitt 7.3 werden die Kernergebnisse der beiden methodischen Schritte der institutionellen Analyse dargestellt und die Anforderungen an die Kommunikation von Aufsichtsratsvorsitzenden in einem Zwischenfazit zusammengefasst.
Anschließend werden die Ergebnisse der strategischen Analyse der Handlungen aus interner Perspektive präsentiert (Kapitel 8). Zunächst wird auf die Erkenntnisse zu den Strukturen und Maßnahmen der ARV-Kommunikation eingegangen (Abschnitt 8.1). Sie werden differenziert anhand der Unternehmensöffentlichkeit (Abschnitt 8.1.1) sowie der externen ARV-Kommunikation (Abschnitt 8.1.2). In Bezug auf die externe Kommunikation wird auf die Publizitätspflichten des Aufsichtsrats eingegangen (Abschnitt 8.1.2.1), dann folgen die Ergebnisse zum Dialog von Aufsichtsratsvorsitzenden mit Akteuren der Kapitalmarktöffentlichkeit (Abschnitt 8.1.2.2), wobei hier zwischen dem Investorendialog nach dem DCGK und Stimmrechtsberatern als relevanten Intermediären differenziert wird. Im Anschluss werden die Strukturen und freiwilligen Kommunikationsmaßnahmen mit Akteuren der gesellschaftspolitischen Arena vorgestellt (Abschnitt 8.1.2.3). Dabei werden Interviews und Hintergrundgespräche mit Medien sowie Äußerungen von Aufsichtsratsvorsitzenden in Medien ohne Bezug zum Unternehmen thematisiert. Darüber hinaus wurden in den Experteninterviews aber auch die Nutzung von persönlichen Social-Media-Kanälen durch Aufsichtsratsvorsitzende sowie in einem Fall der Dialog mit Kunden diskutiert. Schließlich wurden in den Interviews auch persönliche Gespräche als Kommunikationsmaßnahme der ARV-Kommunikation mit Politikern identifiziert (Abschnitt 8.1.2.4). Daher wird die parlamentarische Öffentlichkeit als weitere relevante Öffentlichkeitsarena für die ARV-Kommunikation eingeführt.
In einem Zwischenfazit werden dann die Erkenntnisse zu den Strukturen sowie die Bandbreite der Kommunikationsmaßnahmen der Kommunikation von Aufsichtsratsvorsitzenden rekapituliert (Abschnitt 8.1.3). Dabei wird anhand der Ergebnisse gezeigt, mit welchen Anspruchsgruppen, wie oft und in welcher Form die ARV-Kommunikation stattfindet.
Auf dieser Basis kann im Anschluss gezeigt und diskutiert werden, inwiefern die Kommunikation von Aufsichtsratsvorsitzenden im Kommunikationsmanagement verortet werden kann (Abschnitt 8.2). Dafür soll zunächst geklärt werden, wer für das Kommunikationsmanagement der ARV-Kommunikation verantwortlich ist. Daher wird in Abschnitt 8.2.1 als Erstes die Rolle der Investor-Relations- und Public-Relations-Abteilung bei der ARV-Kommunikation anhand der empirischen Erkenntnisse aufgezeigt und kritisch diskutiert. Die theoretisch abgeleiteten Ziele für die ARV-Kommunikation werden in Abschnitt 8.2.2 mithilfe der empirischen Erkenntnisse überprüft sowie weitere Ziele anhand der Anspruchsgruppen der ARV-Kommunikation aufgezeigt. Schließlich wird anhand der empirischen Erkenntnisse für die fünf Phasen des Kommunikationsmanagements gezeigt, dass es bisher kaum ein systematisches Kommunikationsmanagement für die ARV-Kommunikation gibt (Abschnitt 8.2.3). In Ergänzung dazu werden daher anhand der theoretischen Ausführungen aus normativer Sicht die Aspekte vorgestellt, die notwendig für ein umfassendes Kommunikationsmanagement wären.
Abschließend wird in einem Zwischenfazit für das Management der ARV-Kommunikation die Einführung einer Kommunikationsordnung für den Aufsichtsrat vorgeschlagen und diskutiert (Abschnitt 8.2.4). Sie würde dabei eine optimale Ausgangsbasis für die Planung der Kommunikation von Aufsichtsratsvorsitzenden darstellen.
Kapitel 9 beinhaltet das Resümee zum Forschungsthema: Dafür werden noch einmal die Kernaussagen der Studie anhand der Forschungsfragen zusammengefasst (Abschnitt 9.1). Da die Kommunikation von Aufsichtsratsvorsitzenden in der wissenschaftlichen Forschung bisher wenig Beachtung gefunden hat, wird dann die Relevanz für die Corporate-Governance- sowie die kommunikationswissenschaftliche Forschung rekapituliert (Abschnitt 9.2). Die Handlungen von Aufsichtsratsvorsitzenden befinden sich weiter im Wandel, daher werden in Abschnitt 9.3 die Erkenntnisse für die Praxis verdichtet dargestellt. Schließlich werden mithilfe einer kritischen Reflexion die Grenzen sowie Ansatzpunkte für weitere Forschung aufgezeigt (Abschnitt 9.4).
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In dieser Arbeit wird aus Gründen der besseren Lesbarkeit auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Formulierungen verzichtet und stattdessen geschlechtsneutrale Formulierungen bzw. ein generisches Maskulinum verwendet. Jegliche Formen sind als geschlechtsneutral zu verstehen.
Im September 2018 trat eine Regeländerung der Deutschen Börse für die Indizes MDAX, SDAX und TecDAX in Kraft, nach der die Anzahl der Werte im MDAX von 50 auf 60 und im SDAX von 50 auf 70 Unternehmen stieg. Zu diesem Zeitpunkt waren die Inhaltsanalyse und Experteninterviews bereits abgeschlossen.