Zusammenfassung
Wenn wirtschaftswissenschaftlich geprägte Autoren das Thema Rationalität bzw. rationale Entscheidungen aufgreifen, muss geklärt werden, vor welchem Hintergrund dies geschieht. Schließlich ist der Rationalitätsbegriff deutlich älter als die Wirtschaftswissenschaften, denn noch vor hundert Jahren war die Betriebswirtschaftslehre keine eigene Wissenschaftsdisziplin. Erst die Bemühungen von Schmalenbach (1911) führten in einem ersten Schritt dazu, dass die so genannte „Privatwirtschaftslehre“ als „Kunstlehre“ anerkannt wurde. Hiermit wurde der Grundstein für ein Forschen im Spannungsfeld von Theorie und Praxis gelegt. Zunächst war der Nukleus die Professionalisierung des Rechnungswesens und der Buchführung. Doch schon bald folgten Anreicherungen aus anderen Wissenschaftsbereichen: Naheliegend war zunächst das Bemühen der Volkswirte, mit ihren mikroökonomischen Modellen zum Verhalten von Haushalten und Unternehmen die junge Disziplin der Betriebswirte zu substantiieren. Das „Operations Research“ lieferte Erkenntnisse für die Logistik von Unternehmen. Aus der „modernen“ Informatik flossen konkrete Anwendungen für komplexe Finanzierungsmodelle ein. Und auch die Sozialwissenschaften öffneten sich sukzessive für Analogien und Modellkonstruktionen, die für eine angewandte Betriebswirtschaftslehre entscheidend waren. Seitdem gibt es betriebswirtschaftliche Lehrstühle, die sich ihrerseits mit anderen Wissenschaftstraditionen so intensiv auseinandersetzten, dass sie einen Mehrwert für die eigene Forschung generieren konnten bzw. können. Rückblickend kann man diese Entwicklung auch eine Multiparadigma-Forschung nennen, welche die moderne Betriebswirtschaftslehre in ihrem Spannungsfeld von Theorie und Praxis zu erfassen mag.