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17-12-2024 | Elektrofahrzeuge | Fahrbericht + Test | News

Zwischen Sport und Komfort: Nio ET5

Author: Patrick Schäfer

5:30 min reading time

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Wer sich für eine batterie-elektrische Mittelklasse-Limousine interessiert, stößt unweigerlich auch auf den Nio ET5. Wir haben den Premium-Konkurrenten aus China getestet.

Der Nio ET5 ist 4.790 mm lang, mit eingeklappten Spiegeln 1.960 mm breit und 1.499 mm hoch. Die Elektro-Limousine des chinesischen Start-ups bietet eine sportliche Silhouette und kurze Überhänge vorne und hinten. Das glatte Design ist futuristisch und elegant, der cw-Wert liegt bei 0.24. An der tiefen und breiten Front sitzen die schmalen Tagfahrleuchten oben, die Hauptscheinwerfer sind unterhalb integriert. Auffällig sind der Lidar und die Kameras auf dem Dach, auch an den Seiten sind Kameras platziert. Die Premium-Version steht auf 20"-Gladiator-Leichtmetallfelgen, dahinter leuchten orangefarbene Bremssättel. Am Fließheck ist der ET5 mit einem Leuchtenband ausgestattet.

Der Zugang zum Fahrzeug kann Keyless über den Schlüssel, die Ladekarte oder die App erfolgen. Der Radstand von 2.888 mm verspricht viel Platz im Innenraum. Die Türgriffe fahren elektrisch aus, zudem unterstützt ein E-Motor das Öffnen der Türen und bietet eine Soft-Close-Funktion. Das Cockpit ist offen und kühl gezeichnet. Zunächst fällt die etwas zu hohe Sitzposition auf, die vermutlich dem Akku geschuldet ist. Das Sportlenkrad ist zweifarbig gehalten und nicht zu dick, die Tasten sind allerdings nur teilweise beleuchtet. Die 14-fach elektrisch verstellbaren Sitze vorne sind sehr bequem und bieten trotz etwas rutschigem Kunstleder einen guten Seitenhalt. Sitzheizung und -belüftung sowie Massage sind im Comfort-Package inbegriffen. Für den Beifahrersitz gilt dasselbe. Überraschenderweise gibt es kein Handschuhfach, dafür aber große Ablagen in den Türen, unter der Mittelkonsole sowie ein abschließbares Staufach. Der Fond bietet viel Raum in alle Richtungen sowie Sitzheizung.

Das reduzierte Ambiente kommt fast ohne Knöpfe und Schalter aus, ist aber weniger luxuriös als erwartet. Die gummiartige Türenverkleidung etwa ist nachts zwar mit der Ambientebeleuchtung sehr schick beleuchtet, wirkt aber tagsüber nicht besonders hochwertig. Zudem ist der Deckel der Mittelkonsole etwas klapprig, er knarzt, wenn man den Ellenbogen auflehnt. Die Karosserie reagiert auf schlechte Straßen mit Knistergeräuschen. Trotzdem ist es im Elektroauto sehr ruhig, abgesehen von den Windgeräuschen, die von den rahmenlosen Türen her rühren. Insgesamt fühlt man sich im kühl wirkenden Innenraum des ET5 aber wenig integriert. 

Zum Starten muss nur die Wippe zur Gangwahl auf der Mittelkonsole bewegt werden. Das große Panoramadach lässt viel Licht in den Innenraum, bietet aber kein Rollo. Der Kofferraum unter der elektrischen Heckklappe ist aufgrund der kleinen Öffnung nicht besonders gut zu beladen, mit 386 l auch nicht besonders groß. Zudem liegen da alle Kabel, denn es gibt keinen Kofferraum vorne. Klappt man die Rückbank um, können bis zu 1.142 l untergebracht werden. Die maximale Nutzlast liegt bei 530 kg.

Elektronik + Connectivity

Im Cockpit des ET5 informieren ein übersichtliches 10,2" großes Fahrerdisplay sowie ein 12,8" großer Touchscreen, der hochkant auf der Mittelkonsole steht. Er reagiert sensibel, die Punkte sind aber recht kleinteilig, teilweise sind die Menüs auch etwas verwirrend. Wie bei allen Touchscreens gilt auch hier: Während der Fahrt ist die Bedienung sehr schwer und teilweise unmöglich. Es sind immer mindestens zwei, drei Klicks, die benötigt werden, und von der Fahraufgabe ablenken. Eine Adresseingabe für die Navigation sollte vor Fahrtantritt erfolgen. Dabei unbedingt auch auf die Anmeldung im Fahrzeug achten. Denn ohne das gespeicherte, individuelle Nutzerprofil passen Sitz- Lenkrad- und Spiegeleinstellungen nicht mehr. Und diese lassen sich nur im Stand und nur mit den Lenkradtasten in Verbindung mit dem Display einstellen. Eine Korrektur ist während der Fahrt nicht möglich.

Abhilfe zumindest für die meisten Eingaben bietet die Sprachassistenz: Nomi Mate (600 Euro) ist sehr höflich und begrüßt die Insassen schon beim Einstieg ins Fahrzeug mit Informationen etwa zum Wetter. Sie versteht fast alles und das von jedem Sitzplatz aus. Mit ihrer Hilfe lässt sich beispielsweise auch das zentrale Display ausschalten, das entsprechende Feld konnte in den Menüs nicht gefunden werden. Positiv zu erwähnen: Das Display bleibt bis zur nächsten Eingabe auch ausgeschaltet. Mit der App lassen sich die Fenster und Türen öffnen, das Licht einschalten, vor allem aber die Vor-Klimatisierung für Interieur und Batterie steuern. Eine Wärmepumpe ist im ET5 serienmäßig. 

Fahrerassistenzsysteme

Im Bereich ADAS gibt es wenig zu meckern, das gilt auch für die zurückhaltend designten Warn- und Hinweistöne. Die über 20 Sicherheitssysteme funktionierten überwiegend flüssig und können individuell eingestellt werden. Der adaptive Tempomat mit Spurhalteassistent funktioniert auf der Autobahn sehr gut und fährt im Stau automatisch an. In der Stadt wirkt er allerdings teilweise überfordert, da er oft ohne ersichtlichen Grund stark abbremste. Der Abbiegeassistent blendet ein Kamerabild im Display ein. Die Fernlichtautomatik blendet zu spät ab und wurde aus diesem Grund deaktiviert. Die Warnung bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung kommt sehr früh, lässt sich aber mit Nomis Hilfe schnell abschalten – das muss allerdings bei jeder Fahrt neu erfolgen. Beim Parken des sehr unübersichtlichen und breiten ET5 hilft die 360°-Grad-Umsicht. Trotz Fließheck bietet der Nio hinten nur einen Sehschlitz.

Motor + Antrieb

Die getestete Premium-Version des ET5 bietet Allradantrieb und zwei Motoren: Der Induktions-Elektromotor vorne leistet 150 kW (204 PS), der permanenterregte Synchronmotor an der Hinterachse 210 kW (286 PS). Die Systemleistung liegt je nach gewähltem Fahrmodus bei bis zu 360 kW (490 PS). Dafür gibt es eine Extra-Taste auf der Mittelkonsole, um zwischen Eco, Comfort, Sport oder Sport+ wählen zu können. Das maximale Drehmoment liegt bei bis zu 700 Nm. Die leichtgängige Lenkung ist direkt genug und strafft sich in den Sport-Modi. Das Elektroauto lässt sich trotz hohem Gewicht von fast 2,2 t sicher in schnelle Kurven zirkeln. Der Allradantrieb und eine 50:50-Gewichtsverteilung helfen hierbei. Das Fahrwerk mit Fünflenker-Achse vorne und hinten ist sportlich-straff ausgelegt und auf schlechten Straßen zu stark gedämpft. Aufgrund der bereits erwähnten Sitzposition verleitet der Nio ET5 aber trotz der rasanten Beschleunigung von unter 4 s von 0–100 km/h nicht unbedingt zum Ausreizen der Fahrdynamik. Dabei bietet er auch gute Bremsen, die allerdings im "One-Pedal-Modus" fast nicht mehr benötigt werden. Die Rekuperation lässt sich über das Display oder über den gewählten Fahrmodus einstellen, die erreichten Werte werden im Fahrerdisplay angezeigt.

Die 400-V-Architektur ist im Testwagen mit der Long-Range-Batterie ausgestattet. Die 100 kWh-NCM-Batterie mit nutzbarer Batteriekapazität von 90 kWh besteht aus 96 Zellen. Der Lithium-Ionen-Akku ist an einer Power Swapping Station (PSS) von Nio in Minutenschnelle ausgetauscht. In Deutschland betreibt Nio inzwischen 18 dieser Batteriewechselstationen. Nio scheint zudem die maximale Ladeleistung wie beim Kombimodell des ET5 auf bis zu 185 kWh verbessert zu haben, im Test erreichten wir bei 0° C teilweise knapp über 150 kWh. Ladestopps zwischendurch bleiben also auch so relativ kurz. Aber: Auch hier ist die Bedienung über das zentrale Display etwas umständlich, um die elektrisch betätigte Ladeklappe zu öffnen. Manchmal schließt sie bereits, bevor man den Stecker der Ladesäule angebracht hat. Zudem erkennt das Fahrzeug den Ladevorgang manchmal zu spät und versucht, die Klappe mit eingestöpseltem Ladekabel zu schließen. Die WLTP-Reichweite liegt laut Datenblatt zwischen 540 und 590 km. Im Test wurden bei vollem Akku etwas über 500 km angezeigt.

Fazit Nio ET5

Der Nio ET5 bewegt sich zwischen Komfort und Sport. Die Limousine bietet ein ansprechendes Design, eine sehr gute Ausstattung und gute Fahreigenschaften. Auch die Ladeleistung geht in Ordnung. Abstriche müssen vor allem bei der Bedienung gemacht werden. Zudem ist der Nio ET5 kein Schnäppchen, ohne Batterie kostet er 47.500 Euro. Der Kauf schlägt mit 12.000 für den 75-kWh-Akku und 21.000 Euro für den großen Akku zu Buche. Wer Batterie-as-a-Service nutzen will, um an die PSS fahren zu können, muss logischerweise die Batterie mieten. Das kostet 169 bzw. 289 Euro im Monat. Zum Vergleich: Andere Mittelklasse-Limousinen mit batterie-elektrischem Antrieb sind der Tesla Model 3, der ab knapp 59.000 Euro angeboten wird, der BYD Seal Excellence AWD für etwa 51.000 Euro oder der BMW i4, der in der stärksten Ausbaustufe allerdings über 70.000 Euro kostet.

Pro und Contra Nio ET5 Premium

Pro

+ Gute Ausstattung, souveränes Fahren

+ Long Range mit großer Reichweite

+ BaaS und Batteriewechsel möglich

Contra

- Preis 

- Bedienung oft umständlich

- Verarbeitung

- zu hohe Sitzposition

 

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