1 Einleitung
Jedes Unternehmen verwendet Management Control Systeme, die maßgeblich zum Unternehmenserfolg beitragen. Management Control Systeme sollen sicherstellen, dass die definierte Strategie im Unternehmen umgesetzt wird und MitarbeiterInnen bestmöglich zur Erreichung der gesetzten Unternehmensziele beitragen (Merchant und Van der Stede
2017). Die Forschung zu Management Control Systemen beschäftigt sich damit, welche Management Control Mechanismen ManagerInnen zur Auswahl haben, wie Unternehmen und ManagerInnen diese Control Mechanismen verwenden und wie die einzelnen Mechanismen aufeinander abgestimmt werden.
Ziel dieses Beitrags ist es, die wichtigsten Grundformen von Management Control und entscheidende Literaturströme der breiteren betriebswirtschaftlichen Forschungscommunity näher zu bringen sowie aktuelle und zukünftige Trends für Management Control ForscherInnen aufzuzeigen. Management Control Systeme werden oft mit Steuerungssystemen bzw. Management Control Mechanismen mit Steuerungsmechanismen übersetzt. Im weiteren Beitrag verwenden wir diese Begriffe synonym. Im deutschsprachigen Raum erfolgt die Erforschung der Management Control Systeme zumeist an Instituten, spezialisiert auf Unternehmensführung, Controlling, oder (interne) Unternehmensrechnung, im internationalen Raum zumeist an Accounting Departments.
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Management Control Systeme umfassen sowohl formale Steuerungsmechanismen, die gewünschtes Verhalten belohnen (z. B. Bonusverträge) bzw. ungewünschtes Verhalten sanktionieren oder gar nicht zulassen (z. B. Zugangskontrollen), sowie subtilere, informelle Mechanismen, wie Unternehmenskultur und Mitarbeiterselektion. Die Gesamtheit der eingesetzten Management Control Mechanismen wird allgemein als Management Control System bezeichnet (Merchant and Van der Stede
2017). Durch die voranschreitende Spezialisierung in der betriebswirtschaftlichen Forschung sowie die oft isolierte bzw. fehlende Kommunikation von Forschungsergebnissen herrscht jedoch oft Unklarheit darüber, womit sich die Forschung in dem Bereich beschäftigt. Dadurch werden vielfach wichtige Anknüpfungspunkte und Ergänzungspotenziale zu verwandten Feldern der Betriebswirtschaft übersehen, was zu Ineffizienzen in der Forschung führen kann.
Zum Beispiel untersucht die Strategieforschung typischerweise die Festlegung der Unternehmensstrategie, beschäftigt sich jedoch weniger mit der genauso wichtigen Implementierung der Strategie. Die Management Control Forschung wiederum beschäftigt sich genau damit, nämlich in dem Sinne, wie Unternehmen diese Strategie implementieren. Außerdem zeigt die Management Control Forschung, dass Steuerungssysteme nicht erst bei der Strategieimplementierung relevant sind, sondern auch bei der Entwicklung der Strategie eine wesentliche Rolle spielen können (z. B. MitarbeiterInnenpartizipation im Zuge der „emerging strategies“). Die Management Control Forschung kann dabei wichtige Inputs für die Strategieforschung liefern. Ein weiteres Beispiel stellt die Forschung zu leistungsbezogenen Anreizverträgen dar, einem der Kernthemen der Management Control Forschung. Während diese in der Management- und Personalforschung häufig im Allgemeinen kritisiert und in ein negatives Licht gerückt werden, zeigt sich in der Management Control Forschung ein weit differenzierteres Bild: solche Anreizsysteme sind nicht generell schädlich oder förderlich, sondern die Auswirkungen von leistungsbezogenen Anreizen auf das Mitarbeiterverhalten sind von der Ausgestaltung und dem Einsatzgebiet abhängig. Weitere Bespiele für Themenbereiche, in denen es zu Überschneidungen mit anderen betriebswirtschaftlichen Feldern kommt, sind die Gewährung von Entscheidungs- und Gestaltungsrechten, Planungs- und Zielsetzung-Systeme, Kennzahlenauswahl, MitarbeiterInnenrekrutierung und -training, Beförderungsentscheidungen sowie die Gestaltung und Wirkung der Unternehmenskultur. Diese werden oft auch in verwandten Bereichen wie Management‑, Organisations‑, Personal‑, Führungs‑, Strategie‑, Finanz-, und der externen Rechnungswesen-Forschung untersucht. Im weiteren Beitrag wird gezeigt, was die Management Control Forschung zu diesen Themenbereichen erarbeitet hat und wie Unternehmen diese Steuerungssysteme nutzen und gestalten, um die Strategie im Unternehmen bestmöglich umzusetzen. Dabei benutzen und testen Management Control Studien zumeist ökonomische, psychologische, und soziologische Theorien, die auf den betriebswirtschaftlichen Kontext angewandt werden. Unser Ziel ist es, wesentliche aktuelle Strömungen und Ergebnisse der Management Control-Forschung überblicksartig darzustellen und so für ForscherInnen in anderen betriebswirtschaftlichen Forschungsgebieten nutzbar zu machen.
ForscherInnen aus den Bereichen Controlling und Management Control soll unser Beitrag helfen, intensiv und weniger intensiv erforschte Themenbereiche zu identifizieren. Das soll wiederum dazu beitragen, Forschungslücken zu relevanten Fragen zu identifizieren und in Zukunft zu schließen. Wichtig ist zu erwähnen, dass unser Beitrag einen Überblick über die Forschungsrichtung liefert und nicht als Versuch einer Gesamtzusammenfassung der Management Control Forschung verstanden werden soll. Exzellente Zusammenfassungen der Management Control Forschung der Jahre 1965–2012 findet sich in Luft und Shields (
2003) und Herschung et al. (
2018) bzw. in diversen Lehrbüchern (wie z. B. Brickley et al.
2016; Merchant und Van der Stede
2017). Wir fokussieren unseren Beitrag auf die englischsprachige Literatur, die im Zuge der globalisierenden Wissenschaft die Vorreiterrolle im Bereich der Management Control Forschung eingenommen hat. Viele Studien, die früher dem deutschsprachigen Controlling oder der internen Unternehmensrechnung zugeschrieben wurden, werden heutzutage als Teil der Management Control Forschung publiziert. Dabei werden unterschiedlichste empirische Methoden angewandt. Insbesondere Archivdaten (öffentlich zugängliche Datenbanken bzw. unternehmensinterne Daten), Experimente (Labor und Feldexperiment), qualitative und quantitative Feldstudien sowie „cross-sectional“ Fragebogenerhebungen stellen den überwiegenden Teil der Forschung dar. Daneben gibt es das große Feld der analytischen Modelle, die oft als Ausgangspunkt für empirische Untersuchungen dienen. Da diese jedoch den Umfang unseres Beitrags sprengen würden, fokussieren wir uns auf die empirische Forschung.
Der Bedarf von Management Control rührt vom Einsatz von MitarbeiterInnen in Unternehmen. Durch diesen können Unternehmen von Teamproduktion, Arbeitsteilung und Spezialisierung profitieren (Alchian und Demsetz
1972; Brickley et al.
2016; Zimmerman
2017). Außerdem sind es oft die MitarbeiterInnen, die bessere Informationen als ihre Vorgesetzten haben, um ihre Tätigkeiten auszuführen bzw. wären die Kosten alle Entscheidungen zu zentralisieren zu hoch (Arrow
1974; Grossman und Hart
1986). Um die Aufgaben adäquat ausführen zu können, müssen Unternehmen den MitarbeiterInnen Entscheidungsrechte und Gestaltungsmöglichkeiten einräumen. Letztere werden jedoch nicht zwangsläufig im Sinne des Unternehmens genutzt (Jensen und Meckling
1976). Laut Merchant und Van der Stede (
2017) kann diese Tatsache drei Ursachen haben, die sogenannte Steuerungsprobleme begründen: (1) MitarbeiterInnen wissen nicht was das Unternehmen von ihnen erwartet bzw. inwiefern sie zum Unternehmenserfolg beitragen können, (2) MitarbeiterInnen verfolgen ihre eigenen Interessen, die nicht mit den Unternehmensinteressen übereinstimmen, und (3) MitarbeiterInnen verfügen nicht über die nötigen Ressourcen und Fähigkeiten, um die ihnen zugewiesenen Aufgaben zu bewältigen. Durch diese Probleme kann das Unternehmen nicht das maximal erreichbare Potenzial ausschöpfen. Um diese Probleme zu adressieren, stehen Unternehmen Management Control Mechanismen zur Verfügung. Sie sollen das Verhalten der MitarbeiterInnen steuern, und so sicherstellen, dass alle MitarbeiterInnen im Sinne des Unternehmens agieren. Daher steht in der Management Control Forschung das Verhalten der Menschen im Unternehmen im Mittelpunkt.
Die empirische Forschung zu Management Control hat sich entlang dreier Strömungen entwickelt, die sich teilweise überlappen. Erstens gibt es eine große Anzahl von Studien, die sich mit den einzelnen Steuerungsmechanismen und deren Wirkungsweise beschäftigt. Dabei steht oft die Definition eines Mechanismus, welche Aspekte der Mechanismus beinhaltet und welche nicht, und wie unterschiedliche Charakteristika der Mechanismen deren Einsatz und Wirkung beeinflussen, im Mittelpunkt. Die Steuerungsmechanismen lassen sich anhand des zu steuernden Objekts grob in vier Kategorien einteilen (Merchant und Van der Stede
2017). Results Controls (Ergebnisorientierte Steuerungsmechanismen) zielen auf den Output bzw. die Ergebnisse der Handlungen der MitarbeiterInnen ab. Bonus- und Anreizsysteme fallen typischerweise in diese Kategorie. Wie die Ergebnisse dabei zustande kommen, liegt im Ermessensbereich der MitarbeiterInnen und wird nicht kontrolliert. Der Großteil der Management Control Forschung beschäftigt sich mit diesem Steuerungsmechanismus und nimmt daher auch in unserer Diskussion einen großen Platz ein. Bei Action Controls (Verhaltensorientierte Steuerungsmechanismen) werden die jeweiligen Handlungen der MitarbeiterInnen gesteuert. Zum Beispiel werden MitarbeiterInnen die Zeiten vorgegeben, wann sie sich um welche Aufgaben kümmern müssen, bzw. welche Prozesse durchlaufen werden müssen. Daher sollten die Unternehmen ein gutes Verständnis von den gewünschten Handlungen selbst haben. Zu diesem Steuerungsmechanismus ist bisher wenig bekannt. Cultural Controls (Kulturorientierte Steuerungsmechanismen) beruhen auf einem geteilten Wertebild, sozialen Normen und sozialer Kontrolle innerhalb einer Gruppe. Ein Beispiel für Cultural Controls kann ein starker „Tone from the Top“ sein, aber auch der Einsatz von Gruppenbelohnungen. Dadurch sollen MitarbeiterInnen gegenseitig auf ihre Handlungen achten und bei Abweichungen eingreifen. Personnel Controls (Personenorientierte Steuerung) zielen auf die Eigenmotivation und Befähigung der Mitarbeiter ab. Unternehmen können zum Beispiel schon bei der MitarbeiterInnenauswahl darauf achten, dass nur geeignete KandidatInnen im Sinne von erforderten Fähigkeiten, aber auch zum Unternehmen passenden Wertevorstellungen angestellt werden. Die letzteren beiden Kontrollmechanismen gewinnen zunehmend an Bedeutung in der Forschung der letzten Jahre, vor allem durch die Verlagerung der Wirtschaft in Richtung Wissensgesellschaft und einer höheren Bedeutung des Humankapitals. In Unternehmen wird zumeist eine Kombination aus mehreren Steuerungsmechanismen verwendet, da kein einzelner Steuerungsmechanismus alle im Unternehmen auftretenden Steuerungsprobleme zufriedenstellend lösen kann (Merchant und Van der Stede
2017).
In Anbetracht der Erkenntnis, dass einzelne Steuerungsmechanismen nicht in jedem Unternehmenskontext die gleiche Wirkung zeigen, hat der Kontingenzansatz (Contingency Theory) so viel Aufmerksamkeit wie kein anderer Bereich in der Management Control Forschung bekommen. Dabei wurden unterschiedliche Kontingenzfaktoren untersucht, zum Beispiel, wie sich die Unsicherheit im Unternehmens- oder Aufgabenumfeld, die Strategie des Unternehmens, die EigentümerInnenstruktur oder die Kultur auf den Einsatz und die Effektivität der Steuerungsmechanismen auswirken (z. B. Chenhall
2003; Bedford
2020). Dabei zeigt sich einheitlich, dass die Steuerungsmechanismen nicht universell eingesetzt werden können, sondern zur jeweiligen Situation des Unternehmens und des Umfelds passen müssen.
Neben dem Kontingenzansatz hat sich in den letzten Jahren ein Literaturstrom entwickelt, der auf die Interdependenzen zwischen den einzelnen Steuerungsmechanismen abzielt. Da einzelne Mechanismen zumeist nur Teile der Steuerungsprobleme lösen können, verwenden Unternehmen im Normalfall eine Mischung unterschiedlicher Mechanismen. Dabei steht die Frage im Zentrum, ob die jeweiligen Steuerungsmechanismen unabhängig voneinander additiv zur Lösung verschiedener Steuerungsprobleme beitragen oder sich bei der Lösung eines Steuerungsproblems gegenseitig aufheben oder verstärken. Oft werden einzelne Mechanismen eingesetzt, um die negativen Konsequenzen eines anderen Mechanismus zu vermindern. Zur Veranschaulichung: während Bonusverträge zumeist höhere Leistungen auf der Dimension, die belohnt wird, zur Folge haben, stehen sie auch in der Kritik einseitige Handlungen zu verursachen und somit andere wichtige, aber nicht explizit belohnte, Aspekte der Arbeit zu vernachlässigen (Holmstrom und Milgrom
1991). Studien zeigen jedoch, dass die Ausgestaltung der Leistungsbeurteilung (z. B. subjektive Komponenten) oder die Unternehmenskultur diesem einseitigen Fokus entgegenwirken und sich somit die Vorteile von leistungsbasierter Entlohnung besser entfalten können (Brüggen und Moers
2007; Grabner
2014).
In unserem weiteren Beitrag beschreiben wir jeden dieser Literaturströme im Detail, fassen die wichtigsten Erkenntnisse der jeweiligen Strömungen zusammen und beschreiben aktuelle und zukünftige Trends in der Management Control Forschung. Der Aufbau dieses Beitrags gliedert sich wie folgt: In Abschn. 2 diskutieren wir Forschungsergebnisse zu einzelnen Steuerungsmechanismen, basierend auf der Klassifikation von Merchant und Van der Stede (
2017). Abschn. 3 beschäftigt sich mit dem Kontingenzansatz der Management Control Forschung, Abschn. 4 mit Interdependenzen einzelner Mechanismen. In Abschn. 5 besprechen wir einige Trends, denen sich die Management Control Forschung in Zukunft widmen wird und in Abschn. 6 folgt unser abschließendes Fazit.
3 Der Kontingenzansatz des Management Control System Designs
In den letzten fünf Jahrzehnten und bis heute ist die sogenannte Kontingenztheorie einer der vorherrschenden Ansätze zur Untersuchung des Designs von Management Control Systemen, und beschäftigt sich insbesondere mit der Frage, wie der Unternehmenskontext die Gestaltung und den Einsatz von Steuerungsmechanismen beeinflusst (z. B. Chapman
1997; Chenhall
2003,
2007; Chenhall und Chapman
2006; Dent
1990; Fisher
1995,
1998; Gerdin und Greve
2004; Luft und Shields
2003). Der Kontingenzansatz basiert auf der Prämisse, dass es keine universal geeigneten Steuerungsmechanismen gibt, die in allen Unternehmen unter allen Umständen gleich effektiv wirken. Vielmehr gilt, dass die Ausprägungen eines geeigneten Steuerungssystems vom spezifischen Kontext des Unternehmens abhängig sind (Donaldson
2001; Otley
1980). Im Zentrum steht also die Frage, wie Management Control Systeme am besten konzipiert und implementiert werden, um in den Unternehmenskontext zu „passen“. Interessanterweise hat kaum eine andere Forschungsrichtung in der Management Control Forschung so viele Kontroversen hervorgerufen. Diese kritische Debatte führte zu erheblichen konzeptuellen und methodischen Verbesserungen, z. B. in Bezug auf die Anwendung statistischer Techniken, die Messung von Variablen und die gleichzeitige Berücksichtigung mehrerer Steuerungsmechanismen (z. B. Bisbe et al.
2007; Burkert et al.
2014; Chapman,
1997; Chenhall
2003; Gerdin und Greve,
2004,
2008; Grabner und Moers
2013a; Hartmann und Moers
1999; Masschelein und Moers und
2020).
Die wichtigsten Kontingenzfaktoren lassen sich grob in vier Kategorien einteilen:
Umwelt, Technologie, Strategie sowie eine übergreifenden Kategorie
Sonstige, die anders nicht kategorisierbare, jedoch wichtige Einflussfaktoren zusammenfasst (z. B. Chenhall
2003). Als zentrales Attribut, das vielen Kontingenzfaktoren über alle Kategorien hinweg zugrunde liegt, wird oft Unsicherheit genannt (Bedford
2020). Die Unsicherheit geht dabei allerdings aus verschiedenen Quellen hervor (z. B. Umwelt, Technologie, Unternehmenslebenszyklus), und hat somit auch unterschiedliche Implikationen für das Design von Management Control Systemen.
Kontingenzfaktoren in der Kategorie Umwelt beziehen sich vor allem auf die Charakteristika des Marktumfeldes und umfassen zum Beispiel die Wettbewerbsintensität, Unvorhersehbarkeit des Marktes sowie Marktdynamik (Braumann et al.
2020; Chen et al.
2015; Grabner et al.
2018; Höppe und Moers
2011; Vrettos
2013). In der Kategorie Technologie werden vor allem Merkmale der zu verrichtenden Arbeitsprozesse auf MitarbeiterInnen- und Bereichsebene zusammengefasst. Beispiele dafür sind Abhängigkeiten zwischen individuellen Aufgaben oder Unternehmensbereichen, die Beobachtbarkeit von Inputs, die Messbarkeit von Outputs, die Komplexität und Vielseitigkeit von Aufgaben sowie die Anforderung an MitarbeiterInnenkreativität bei der Outputgenerierung (z. B. Abernethy und Brownell
1997; Bushman et al.
1995; Grabner und Speckbacher
2016). In der Kategorie Strategie geht es um die Art der Wertschöpfung bzw. die Schaffung von Wettbewerbsvorteilen, zum Beispiel, ob Organisationen eine Kostenführer- oder Differenzierungsstrategie verfolgen oder welche Art von Innovationsstrategie verfolgt wird (z. B. Chenhall und Langfield-Smith
1998; Chenhall et al.
2011; Ittner et al.
1997). In der Kategorie Sonstige fallen nicht anders kategorisierbare Faktoren, wie die EigentümerInnen- und Führungsstruktur (z. B. Speckbacher und Wentges
2012), Unternehmensgröße und Alter (z. B. Davila
2005) sowie Landeskultur (z. B. Chow et al.
1999; Malmi et al.
2020).
Im Folgenden zeigen wir exemplarisch und ohne den Anspruch auf Vollständigkeit, was die Kontingenzforschung in Bezug auf vier weit verbreitete Steuerungsmechanismen und deren Komponenten untersucht hat.
3.1 Beispiel 1: Auswahl der Kennzahlen
Zu den am häufigsten untersuchten Themen in der Management Control Forschung gehört die Auswahl der Kennzahlen, anhand derer die Leistung von Unternehmen bzw. ihren MitarbeiterInnen festgestellt wird. Insbesondere stellt sich die Frage, unter welchen Umständen Unternehmen von den traditionellen Finanzkennzahlen abweichen und mehr auf nicht-finanzielle Kennzahlen setzen. Die Forschung zeigt, dass nicht-finanzielle Kennzahlen tendenziell in komplexeren Unternehmenskontexten vorwiegend eingesetzt werden – in solchen mit stärkeren Abhängigkeiten der Unternehmensbereiche, komplexeren Technologien (z. B. automatisierte und JIT-basierte Produktionsumgebungen), nicht-routinemäßigen Aufgaben sowie Differenzierungsstrategien, bei denen Flexibilität, Qualität und Nachhaltigkeit im Vordergrund stehen (Fullerton und McWatters
2002; Ittner und Larcker
1997; Perego und Hartmann
2009; Spekle und Verbeeten
2014; van Veen-Dirks
2010).
3.2 Beispiel 2: Partizipative Zielsetzung
Anstatt die Ziele den MitarbeiterInnen in Form von „Top Down“ vorzugeben, werden die MitarbeiterInnen bei der Bestimmung ihrer Ziele oft miteinbezogen. Wie bereits in Abschn. 2 beschrieben, ist dies jedoch ein zweischneidiges Schwert: Auf der einen Seite sind es oft die MitarbeiterInnen auf den unteren Ebenen, die über bessere Informationen verfügen als ihre Vorgesetzten, was zu realistischeren Zielen führen kann. Gleichzeitig aber schafft diese Informationsasymmetrie Möglichkeiten für MitarbeiterInnen, unwahre oder unvollständige Informationen in die Zielsetzungsgespräche einzubringen, um ihren eigenen Nutzen zu maximieren (zu leicht erreichbare Ziele bzw. Bindung von unnötigen Ressourcen). Daher müssen Unternehmen den Nutzen der Informationsgewinnung mit den potenziellen Kosten des opportunistischen Verhaltens der MitarbeiterInnen abwägen. Forschungsergebnisse zeigen, dass der Nutzen eines partizipativen Zielsetzungsprozesses in Bereichen mit der höchsten Informationsasymmetrie am größten ist (Shields und Shields
1998). Studien zeigen, dass vor allem Unternehmen, die hoher Marktunsicherheit (z. B. Ezzamel
1990; O’Connor et al.
2011) sowie komplexen Technologien (z. B. Brownell und Merchant
1990; Macintosh und Daft
1987) ausgesetzt sind, öfter dazu tendieren, ihre MitarbeiterInnen in den Zielsetzungsprozess miteinzubeziehen.
3.3 Beispiel 3: Subjektive Leistungsbewertung
Ob Unternehmen Subjektivität in der Leistungsbeurteilung der MitarbeiterInnen zulassen, hängt, wie in Abschn. 2 aufgezeigt, vom Nutzen (z. B. bessere Informationen, weniger Störfaktoren) und den potenziellen Kosten (z. B. verzerrte Leistungsbeurteilung) für das Unternehmen ab. Die Kontingenzforschung zeigt, dass der Kosten-Nutzen-Vergleich, vom Unternehmenskontext abhängt. Der Nutzen von subjektiven Bewertungen scheint dann am höchsten, wenn, bedingt durch hohe Unsicherheit (basierend auf der Beschaffenheit der Arbeitsprozesse oder des Marktumfeldes), die Leistung über objektive (Finanz-)Kennzahlen nur ungenau gemessen werden kann. Anders gesagt, Marktumfeld und Arbeitsprozesse, die durch Ungewissheit, Komplexität und Ambiguität gekennzeichnet sind, erfordern einen stärkeren Gebrauch von Subjektivität, um unvorhersehbare und unkontrollierbare Ereignisse, die während des Evaluationszeitraums passieren, in der Leistungsbeurteilung zu berücksichtigen. Demensprechend zeigen die Ergebnisse empirischer Studien, dass eine stärkere Einbeziehung von Subjektivität in die Leistungsbeurteilung bzw. Anreizgestaltung mit einem unsichereren und wettbewerbsintensiveren Marktumfeld (Gibbs et al.
2004; Höppe und Moers
2011), komplexen und interdependenten Arbeitsprozessen im allgemeinen (Gibbs et al.
2004; Ouchi und Maguire
1975) und kreativer Arbeit im besonderen (z. B. Grabner und Speckbacher
2016) sowie auf Innovation basierenden Prospektor-, und Differenzierungsstrategien (Bushman et al.
1996; Govindarajan und Gupta
1985; Gupta
1987; Peck
1994) assoziiert ist.
3.4 Beispiel 4: Action und Personnel/Cultural controls
Grundvoraussetzungen zur Nutzung von Action Controls ist ein klares Verständnis darüber, welche Handlungen nötig sind, und dass die Einhaltung derselben auch gut überwacht werden kann (Merchant und Van der Stede
2017). Daher scheinen vor allem jene Unternehmen zunehmend auf Action Controls zu setzen, deren Arbeitsprozesse eine direkte Überwachung aufgrund mangelnder Komplexität möglich machen (routinemäßige und einfache Aufgaben) bzw. die Standardisierung von Prozessen den gewünschten Mehrwert bringt (Bedford
2020). Umgekehrt ist der Nutzen von Personnel und Cultural Controls in Unternehmen mit komplexem und dynamischem Umfeld und solchen, deren Arbeitsprozesse nicht-routinemäßig und interdependent sind, am größten. In diesen Situationen besteht ein größerer Bedarf an MitarbeiterInnen, die in der Lage sind, sich an ein sich veränderndes Umfeld anzupassen und Probleme unter Bedingungen der Unsicherheit und Ambiguität zu lösen (Abernethy et al.
2015; Peck
1994; Snell und Dean
1992). Dementsprechend zeigen Studien in der Kontingenzforschung, dass besonders jene Unternehmen in ihre Recruiting-Prozesse investieren, die einen Schwerpunkt auf organisationales Lernen (Abernethy et al.
2015) und die Entwicklung des Humankapitals (Widener
2004) legen bzw. in denen MitarbeiterInnenkreativität besonders wichtig für die Wertschöpfung ist (Grabner und Speckbacher
2016).
4 Management Control Systems: Das Zusammenspiel mehrerer Steuerungsmechanismen
Traditionell hat die Management Control Literatur einen reduktionistischen Ansatz verfolgt, wo einzelne Steuerungsmechanismen, wie zum Beispiel Budgets, Leistungsbeurteilungen oder Anreize „in Isolation“ untersucht wurden. Auch die Kontingenzliteratur verfolgte lang diesen reduktionistischen Ansatz, wo der Einsatz und die Effektivität einzelner Steuerungsmechanismen abhängig von Kontextfaktoren, jedoch unabhängig von anderen Steuerungsmechanismen, untersucht wurden. Diese Unabhängigkeitsannahme wurde jedoch heftig kritisiert (Chenhall
2003; Grabner und Moers
2013a). Angesichts der Komplexität von Unternehmen scheint es naheliegend, dass einzelne Steuerungsmechanismen nicht unabhängig voneinander wirken, sondern sogenannte Interdependenzen bestehen. Interdependenz bedeutet, dass der Nutzen eines Steuerungsmechanismus von der Anwendung eines anderen Steuerungsmechanismus abhängt und umgekehrt (Milgrom und Roberts
1995). Eine Vernachlässigung dieser Interdependenzen hat sowohl aus theoretischer als auch empirischer Sicht Konsequenzen. Als Antwort darauf hat sich der Systemansatz der Kontingenztheorie entwickelt und die Management Control Forschung hat begonnen, Kombinationen von Steuerungsmechanismen zu untersuchen, die ein Management Control System bilden (Grabner und Moers
2013a).
Wichtig in diesem Zusammenhang ist das Verständnis darüber, was ein Management Control
System ausmacht. In der Literatur hat sich die von Grabner und Moers (
2013a) vorgeschlagene und an die ökonomische Komplementaritätstheorie (Milgrom und Roberts
1995) angelehnte Definition durchgesetzt: Steuerungsmechanismen bilden ein Management Control System, wenn diese simultan von einem Entscheidungsträger (oder einem Team von koordinierten Entscheidungsträgern) zur Behandlung eines spezifischen Steuerungsproblems eingesetzt werden, d. h., wenn deren Implementierung und Wirksamkeit voneinander abhängig ist und somit Interdependenzen bestehen. Interdependenz kann in zwei Formen auftreten: Komplementarität und Substitution. Steuerungsmechanismen sind Komplemente, wenn der Nutzen eines Steuerungsmechanismus durch den Einsatz eines anderen Steuerungsmechanismus jeweils zunimmt, und Substitute, wenn der Nutzen durch den Einsatz des jeweiligen anderen Mechanismus verringert wird. Wichtig ist, dass sich Interdependenz immer auf ein spezifisches Steuerungsproblem bezieht. Zwei Steuerungsmechanismen können Komplemente in Bezug auf ein Steuerungsproblem sein, aber unabhängig voneinander auf ein anderes Steuerungsproblem wirken. Im Folgenden zeigen wir exemplarisch an zwei fundamentalen Steuerungsproblemen, wie diese durch das Zusammenspiel mehrerer Steuerungsmechanismen adressiert werden können.
4.1 Beispiel 1: Delegation von Entscheidungsrechten
Noch lange bevor die Management Control Literatur sich explizit der Interdependenz von Steuerungsmechanismen gewidmet hatte, wurde das Zusammenspiel der Delegation von Entscheidungsrechten und der Nutzung von Results Controls als Lösungsansatz für das Prinzipal-Agenten-Problem bekannt (Jensen und Meckling
1976; Holmstrom
1979). Um von den Informationsvorteilen ihrer MitarbeiterInnen Nutzen tragen zu können, delegieren ManagerInnen Entscheidungsrechte. Allerdings werden MitarbeiterInnen diese Entscheidungsrechte nur dann im Sinne des Unternehmens einsetzen, wenn daraus auch ein persönlicher Nutzen entsteht. Hier kommen Results Controls ins Spiel, die die individuellen Ziele und Anreize der MitarbeiterInnen auf die Unternehmensziele ausrichten. Das bedeutet, der Nutzen von Entscheidungsdelegation steigt, wenn auch entsprechende Results Controls eingesetzt werden und umgekehrt (Jensen und Meckling
1976; Holmstrom
1979).
Einige empirische Studien befassen sich mit dieser Komplementarität. So zeigt Moers (
2006), dass die Delegationsentscheidung auch von der Qualität der verfügbaren Kennzahlen abhängt, die die Grundlage für die Stärke der Anreizwirkung bilden. Ortega (
2009) zeigt, dass bereichs- und unternehmensweite Anreize eingesetzt werden, um Entscheidungen zu dezentralisieren und das spezifische Wissen der MitarbeiterInnen zu nutzen, während der Einsatz von Akkordlohn von Überlegungen zur Leistungsmessung bestimmt wird und typischerweise nicht mit mehr Entscheidungsspielraum verbunden ist. Indjejikian und Matĕjka (
2012) zeigen, dass sich Unternehmen bei der Bestimmung der Boni für ManagerInnen weniger auf finanzielle Kennzahlen (und mehr auf nicht-finanzielle Leistungsindikatoren oder subjektive Bewertungen) verlassen, wenn jene ManagerInnen einen größeren Einfluss auf die Gestaltung der internen Rechnungslegungssysteme haben. All diese Studien zeigen, dass die Delegationsentscheidung nicht unabhängig vom Design der Results Controls getroffen werden, sondern Interdependenzen zwischen der Delegationsentscheidung und der Ausgestaltung der Results Controls bestehen.
4.2 Beispiel 2: Management von Kreativität
Ein weiteres Steuerungsproblem, das vor allem in den letzten Jahren an Aufmerksamkeit gewonnen hat, ist die Steuerung von Kreativarbeit (Grabner und Speckbacher
2018; Speckbacher
2017). Im Gegensatz zur herkömmlichen Leistungserstellung, bei der typischerweise die Maximierung von Effizienz und Effektivität im Fokus ist, steht beim Management der Kreativarbeit oft die Förderung der Ideengenerierung und die Umsetzung der Ideen im Mittelpunkt. Dabei zeichnet sich die Kreativarbeit durch einen hohen Grad an Komplexität und Ungewissheit aus. Für ManagerInnen ist es schwierig, während des Kreativprozesses zu erkennen, ob die Richtung stimmt oder ob steuernd eingegriffen werden sollte. Der Erfolg hängt daher wesentlich davon ab, ob sich die MitarbeiterInnen für eine Aufgabe begeistern können bzw. sie im Sinne des Unternehmens agieren wollen und können. Dies führt zu einem besonderen Bedarf an Koordination und Steuerung (Grabner und Speckbacher
2016;
2018), der meist nur mit einer Kombination von Steuerungsmechanismen adäquat adressiert werden kann.
Im Kreativkontext beschäftigen sich die meisten Studien zum Zusammenspiel von Steuerungsmechanismen mit der Frage, wie sich einzelne Aspekte der Results Controls gegenseitig beeinflussen, und unter welchen Umständen Results Controls auch für Kreativarbeit geeignet sind. So zeigt Grabner (
2014), dass Kreativunternehmen nur dann dazu tendieren, leistungsbezogene Anreize zu setzen, wenn neben der Kreativleistung in Leistungsbeurteilungen auch übergeordnete Dimensionen, wie Teamgeist und Loyalität zum Unternehmen und die Identifikation mit den vorgegebenen Zielen explizit einfließen. Brüggen et al. (
2018) zeigen in einer Situation, in der MitarbeiterInnen für Routine- und Kreativaufgaben zuständig sind, dass die Kreativleistung am höchsten ist, wenn MitarbeiterInnen sowohl auf der Input-Seite als auch auf der Output-Seite Zielvorgaben bekommen. Klein und Speckbacher (
2020) werfen die Frage auf, ob kreative Teams anhand von kundenorientierten Accounting-Kennzahlen evaluiert werden sollten und zeigen, dass dies vom Führungsstil des/der jeweiligen Teamleiters/Teamleiterin abhängt. Diese Studien kommen einheitlich zu der Conclusio, dass es zur Steuerung von Kreativarbeit einer Kombination von Steuerungsmechanismen bedarf.
5 Neue Trends in der Management Control Forschung
In unserem Beitrag haben wir bisher immer wieder auf Aspekte und Bereiche hingewiesen, die unserer Ansicht nach noch wenig Aufmerksamkeit in der Management Control Forschung erhalten haben bzw. in Zukunft weiter an Bedeutung gewinnen werden. Abschließend wollen wir noch auf zwei weitere große Veränderungen hinweisen, die die Management Control Forschung in Zukunft nachhaltig verändern und prägen werden. Das sind (1) die immer weiter voranschreitende Veränderung der Unternehmenswelt hin zu einer Wissensgesellschaft sowie (2) der Einsatz von künstlicher Intelligenz und Big Data.
5.1 Veränderung hin zu einer Wissensgesellschaft
Im heutigen Unternehmensumfeld stellen zentrale Trends, wie die digitale Transformation, die zunehmende Bedeutung immaterieller Vermögenswerte und neue Geschäftsmodelle die Relevanz traditioneller Steuerungsmechanismen auf die Probe (Melnyk et al.
2014). Eine wichtige Konsequenz dieser Trends ist das Wachstum des Dienstleistungs- und Servicesektors. Statistiken zeigen, dass zwischen 2008 und 2018 ca. 65 % der Wertschöpfung innerhalb der Europäischen Union im Dienstleistungs- und Servicesektor stattgefunden haben
3. Ähnliche Zahlen finden sich in vielen weiteren Ländern – mit steigender Tendenz. Betrachtet man die Management Control Forschung zeigt sich jedoch, dass ein großer Teil der aktuellen Forschung in und für Industrieunternehmen stattgefunden hat. Unternehmen im Dienstleistungs- und Servicesektor stehen jedoch häufig vor anderen Herausforderungen als Industrieunternehmen. Vor allem in wissensintensiven Bereichen wie Kommunikations- und IT-Services, Consulting, Banking, Auditing, Tourismus, Kreativindustrien sowie Forschung und Entwicklung gibt es oft keine festgelegten Handlungsalternativen, wie MitarbeiterInnen gute Leistung erzielen können. Gleichzeitig sind diese Bereiche auch von großer Dynamik geprägt, die den Nutzen etablierter Kennzahlen reduziert bzw. es erschwert, gut messbare Kennzahlen für die MitarbeiterInnensteuerung zu identifizieren. Daher sind diese Betriebe oft auf andere Steuerungsmechanismen, insbesondere Personnel und Cultural Controls angewiesen (Abernethy und Brownell
1997; Merchant und Van der Stede
2017; Ouchi
1980). Verglichen mit anderen Steuerungsmechanismen ist die Forschung bezüglich dieser Mechanismen jedoch noch nicht stark ausgeprägt und lässt noch viel Platz für zukünftige Studien. Hier ist nicht alleine die isolierte Wirkung der einzelnen Mechanismen interessant, sondern auch das Zusammenwirkung von Personnel und Cultural Controls mit anderen Steuerungsmechanismen in Dienstleistungs- und Servicebetrieben (z. B. Campbell
2008; Grabner und Moers
2013b; Klein und Speckbacher
2020). Außerdem kann sich die Forschung damit auseinandersetzen, wie sich bestehende Formen der Results Controls anpassen lassen, um in diesen Branchen eingesetzt werden zu können (z. B. Grabner
2014).
Durch den steigenden Grad der Digitalisierung ändern sich auch die relevanten Geschäftsmodelle. Hier ist ein starker Trend vom typischen (und in der Forschung hauptsächlich untersuchten) Pipeline Business hin zum Platform Business zu erkennen, das sich in vielen Aspekten maßgeblich vom traditionellen Geschäftsmodell unterscheidet (Van Alstyne et al.
2016; Seiter und Autenrieth
2019). Während diese Geschäftsmodelle ihr enormes Potenzial zur Wertschöpfung bereits unter Beweis gestellt haben (2019 waren sieben der zehn wertvollsten Unternehmen weltweit Platform Businesses), werden sie bisher nur von einer begrenzten Anzahl von Unternehmen
erfolgreich umgesetzt. Wie solche Plattformen effizient gesteuert werden können, zum Beispiel in Bezug auf das rasante Wachstum, das zu einem Durchbruch erforderlich ist, wird die Management Control Forschung der Zukunft mit Sicherheit beschäftigen.
5.2 Einsatz von künstlicher Intelligenz und Big Data
Während künstliche Intelligenz und Big Data in aller Munde sind (Bhimani und Willcocks
2014; Finlay
2014; Davenport und Ronanki
2018), hält sich die Management Control Literatur mit diesen Themen bisher noch zurück. Das ist insofern überraschend, als bei Management Control – und insbesondere bei Results Controls – die Generierung, Sammlung, und Aufbereitung von Information zur verbesserten Entscheidungsfindung und Entscheidungssteuerung im Zentrum steht (Zimmerman
2017). Daher bieten künstliche Intelligenz und Big Data viele neue Möglichkeiten, gleichzeitig aber auch Herausforderungen für die Unternehmenssteuerung.
Zum Beispiel können durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz viele Handlungen in Unternehmen automatisiert werden, die bisher von MitarbeiterInnen durchgeführt wurden (Davenport und Ronanki
2018). Ein wichtiger Trend hier ist Robotic Process Automation (RPA), ein Ansatz zur Prozessoptimierung durch den Einsatz von Softwarerobotern, die manuelle Tätigkeiten erlernen sowie deren Ausübung kontinuierlich verbessern. Durch den kontinuierlichen technologischen Fortschritt können mittlerweile sogar relativ komplexe Aufgaben mittels RPA-basierter Systeme gelöst werden. Das kann Fehlverhalten der MitarbeiterInnen reduzieren und Kapazitäten freimachen, sich auf die wesentlichen Aufgaben, die den „Faktor Mensch“ benötigen, zu fokussieren. Gleichzeitig müssen MitarbeiterInnen jedoch auf den Einsatz dieser Technologien vorbereitet werden bzw. den Umgang damit erlernen. Das Steuerungssystem nimmt dabei eine zentrale Rolle ein, zum Beispiel bei MitarbeiterInnenselektion, Ausgestaltung der Trainingsprogramme, und Job (Re-)design.
Ein weiteres Beispiel stellt der Einsatz von künstlicher Intelligenz und Big Data im Zuge der Auswahl der Kennzahlen sowie der Planung und Zielsetzung dar. Viele Unternehmen verwenden nicht-finanzielle Kennzahlen, wie Kundenzufriedenheit, zur Unternehmenssteuerung. Anstatt auf Befragungen angewiesen zu sein, bieten sich mithilfe von künstlicher Intelligenz jedoch neue Wege, Kennzahlen wie Kundenzufriedenheit und andere nicht-finanzielle Kennzahlen zeitnah zu generieren und zu nutzen (beispielsweise durch die gezielte Analyse granularer KundInnendaten). Neben der Generierung von besseren Daten zum Zwecke der Leistungsüberwachung können diese auch verwendet werden, um MitarbeiterInnen zeitnah Feedback auf ihre eigene Leistung zu geben. Neue Trends sind beispielsweise Performance Management Systeme, die in Echtzeit funktionieren, sozialen Austausch ermöglichen, und neue Elemente, wie Gamification, einbringen. Anekdoten aus der Praxis zeigen, dass innovative App-basierte Tools verwendet werden, um die eigene Performanceentwicklung in Echtzeit verfolgen zu können oder Feedback durch Vorgesetzte und Peers interaktiv zu gestalten. Während bei der jüngeren, techno-affinen Generation eine große Akzeptanz solcher Tools erwartet werden kann, gilt es noch zu erforschen, welche Auswirkungen diese Art von Feedback auf verschiedene Aspekte der MitarbeiterInnenperformance haben kann.
Auch bei der Planung und Koordination innerhalb der Unternehmen bieten künstliche Intelligenz und Big Data neue Möglichkeiten. Unternehmen haben eine immer größer werdende Menge an Daten aus sowohl unternehmensinternen (z. B. historische Verkaufszahlen) als auch aus externen Quellen (z. B. Wetterdaten oder die Ölpreisentwicklung) zur Verfügung, um die Planwerte für neue Ziele und Budgets festzulegen. Mithilfe der neuen Technologien (Schlagwort Predictive Analytics) lassen sich diese besser in die bestehende Planung einfügen und somit genauere Planungsergebnisse erzielen. Doch auch hier gilt, dass der Einsatz der Technologien neuer Fähigkeiten der MitarbeiterInnen bedarf und sich neue Möglichkeiten für Fehlverhalten ergeben. Auch werden diese Entwicklungen von vielen MitarbeiterInnen als Bedrohung ihres Arbeitsplatzes wahrgenommen, was die allgemeine Tendenz zum Widerstand gegen Veränderungen noch verstärkt. Zudem zeigen einzelne Erfahrungsberichte, dass die Implementierung solcher Methoden oft daran scheitert, dass sich Top-ManagerInnen ungern auf Planungsergebnisse verlassen, die auf (für sie) schwer nachzuvollziehenden Algorithmen basieren. Als Management Control ForscherInnen liegt es an uns, zu untersuchen, wie Unternehmen von diesen neuen Möglichkeiten bestmöglich Gebrauch machen und die negativen Effekte möglichst geringhalten können.
6 Fazit
In diesem Beitrag haben wir unsere Sichtweise der bestehenden Management Control-Literatur für die breite betriebswirtschaftliche Forschungscommunity zusammengefasst. Dabei haben wir gezeigt, wie sich die Management Control-Literatur von der isolierten Betrachtung einzelner Steuerungsmechanismen über den Kontingenzansatz zur Analyse von Interdependenzen einzelner Steuerungsmechanismen entwickelt hat. Die Grenzen zwischen diesen Literaturströmungen sind zumeist fließend, und unser Beitrag zeigt, dass die Strömungen nicht unabhängig voneinander voranschreiten können, sondern auf die jeweils anderen Einsichten angewiesen sind. Die Einteilung in diese drei Strömungen hat sich als nützliche Kategorisierung zur Besprechung der bestehenden Management Control-Forschung erwiesen. Auch in Zukunft erwarten wir essenzielle Forschungsbeiträge in allen drei Strömungen.
Im Zuge der Zusammenfassung der bestehenden Literatur haben wir bereits auf bestehende Trends und Forschungslücken hingewiesen. Außerdem haben wir zwei große allgemeine Entwicklungen identifiziert, die die Management Control Forschung in Zukunft stark prägen werden. Die Herausforderungen und zukünftigen Forschungsmöglichkeiten, die wir im Zuge dieses Artikels beschrieben haben, betreffen oft nicht nur die Management Control Forschung alleine, sondern die breitere betriebswirtschaftliche Forschung. Wir hoffen, mit unserem Beitrag zu einem besseren interdisziplinären Verständnis beitragen zu können. Denn nur durch ein verstärkt interdisziplinäres Verständnis können wir als betriebswirtschaftliche Forschungscommunity sicherstellen, Antworten auf die zentralen Fragestellungen der Unternehmen zu liefern und somit einen Beitrag für die betriebliche Praxis zu leisten.