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23-09-2013 | Energie | Interview | Article

Energetische Gebäudesanierung mit Varianten

Author: Günter Knackfuß

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Die vom Institut für Wärme und Oeltechnik (IWO) vorgestellte Studie "Energetische Gebäudesanierung in Deutschland" kommt zu dem Schluss, dass zu viel Staat die Kosten für die Gebäudesanierung erhöht. Wissenschaftler vom Fraunhofer-Institut für Bauphysik (IBP) und dem Forschungscenter Betriebliche Immobilienwirtschaft an der TU Darmstadt (FBI) kommen mit ihren Analysen zu überraschenden Ergebnissen: So wird bei bloßer Fortführung des aktuellen Sanierungstrends nach den Leitlinien der Bundesregierung das 80-Prozent-Einsparungsziel an Primärenergie bis 2050 verfehlt. Im Interview zu den Studienergebnissen Prof. Dr.-Ing. Christian Küchen, Geschäftsführer des IWO.

Springer für Professionals: Welche Hintergründe und Ziele charakterisieren ihre Studie?

Prof. Dr.-Ing. Christian Küchen: Nach dem Willen der Bundesregierung soll der Primärenergiebedarf im Gebäudebereich bis 2050 in der Größenordnung von 80 Prozent reduziert werden. Die Frage, wie der dazu geeignete Sanierungsfahrplan ausgestaltet sein müsste und welche Kosten zu erwarten sind, ist bislang nicht beantwortet. Die Studie liefert Antworten.

Um die Ziele Primärenergiereduktion und Erhöhung des Anteils erneuerbarer Energien im Gebäudebereich zu erreichen, setzen Bund und Länder heute auf technologiegebundene Regulierung – je nach politischen Mehrheitsverhältnissen in unterschiedlicher Intensität. Vorgaben und Zwang schwächen allerdings die Akzeptanz und verteuern in der Regel Sanierungsmaßnahmen. Das führt letztlich zu geringeren Energieeinsparerfolgen, wie das Beispiel Baden-Württemberg zeigt.

Wie beurteilen sie die zwei Sanierungsfahrpläne, um das Einsparziel zu erreichen?

Die Studie zeigt, dass ein, technologieoffener Sanierungsfahrplan besser geeignet ist, um die Einsparziele der Bundesregierung zu erreichen. Der technologiegebundene Fahrplan, der beispielsweise den Einsatz von erneuerbaren Energien vorschreibt, würde bis 2050 Mehrkosten in Höhe von rund 400 Milliarden Euro verursachen. Insgesamt also 2,1 Billionen Euro.

Welche Möglichkeiten wurden erkannt, um die finanzielle Belastung von Wohneigentümern und Mietern zu verringern?

Die angestrebte energetische Sanierung hat überhaupt nur eine Chance verwirklicht zu werden, wenn die Kosten für den Einzelnen und die Gesellschaft tragbar sind. Dabei helfen Augenmaß bei der Gesetzgebung und wirksame Förderanreize, auch wenn dies das grundsätzliche Problem der hohen Kosten nicht löst. Es regelt nur deren Verteilung. Bei den Anreizen sehe ich eine steuerliche Förderung auch von Einzelmaßnahmen als geboten an. Es sind zudem flexible Lösungen zur Ausschöpfung der Einsparpotenziale und zum Einsatz erneuerbarer Energieträger gefragt.

Gibt es Beispielrechnungen für die konkreten Sanierungskosten?

Bezogen auf Gebäudetypen ergeben sich laut Studie folgende Kosten:
Die technologiegebundene Sanierung eines durchschnittlichen Einfamilienhauses kostet rund 140.000 Euro. Für ein durchschnittliches Mehrfamilienhaus müssen Hausbesitzer rund 303.000 Euro aufwenden. Darin enthalten sind auch sogenannte Sowieso-Maßnahmen. Denn für den Hausbesitzer macht es keinen Unterschied, ob er die anfallenden Kosten der Instandhaltung oder der Effizienzsteigerung zuordnet. Unterm Strich muss er die gesamte Rechnung bezahlen. Mit einem technologieoffenen Sanierungsfahrplan lassen sich die Kosten je nach Gebäudetyp zwischen 16 und 33 Prozent reduzieren. Selbst in dieser günstigeren Variante werden viele Eigenheimbesitzer die nötigen finanziellen Mittel für die Haussanierung nicht aufbringen können.

Welche Handlungsempfehlungen haben die Studienersteller formuliert?

Die Studienersteller IBP und FIB haben fünf Aspekte benannt: Ein technologieoffener Sanierungsfahrplan mit konkreten Zielvorgaben allerdings ohne Festlegung einer bestimmten Umsetzungsart ist der bessere Weg zum Ziel. Der zu erwartende Anstieg der Wohnkosten muss mit einem höheren Sozialbudget zur Übernahme dieser Kosten einhergehen. Des Weiteren sollten die Sanierungsmaßnahmen immer individuelle und situationsbedingte Gegebenheiten berücksichtigen und Freiräume zur Anpassung lassen. So lassen sich Kosten minimieren. Sanierungsfahrpläne müssen aber zugleich Massentauglichkeit haben. Und letzter Punkt: allgemein gültige, technologieoffene Sanierungsfahrpläne schaffen Zielhorizonte und Planungssicherheit.

Ich möchte ergänzen: Das Leitmotiv für das "Großprojekt Gebäudesanierung" muss lauten: Viel Energie möglichst kostengünstig einzusparen. Es ist deshalb auch wichtig, die Mittel für Forschung und Entwicklung stärker auf dieses Ziel auszurichten, statt die Kapazitäten für die häufig sehr teuren 'letzten Prozente' der Energieeinsparung und Emissionsminderung zu verwenden.

Ihr Institut favorisiert für die Wärmeversorgung der Zukunft das Hybridsystem. Wie ist dieses gestaltet und welche Vorteile sind damit verbunden?

In vielen ölbeheizten Gebäuden werden nach meiner Überzeugung künftig Hybridheizungen die Wärmeversorgung übernehmen. Das zentrale Element solcher multivalenten Heizungen ist ein großzügig dimensionierter Pufferspeicher. Er bevorratet die Wärme von erneuerbaren Energieträger wie Sonne und Holz, bis sie gebraucht wird. Können die Erneuerbaren den Wärmebedarf nicht abdecken, greift das System auf den konventionelle Energieträger Heizöl zurück. Hybrid-Heizsysteme ermöglichen langfristig überschaubare Energiekosten bei hoher Versorgungssicherheit, weil die Wärmeerzeugung auf mehrere Säulen verteilt wird. Sie verbinden die Effizienz aktueller Heiztechnik wie der Brennwerttechnik mit den Vorteilen regenerativer Energienutzung. Gegenüber kompletten Haussanierungen stellen Hybridkonzepte eine bezahlbare, sehr wirksame Energieeinsparmaßnahme dar. Insofern passen solche Systeme sehr gut zu der energiepolitischen Vorgabe, die Energieeffizienz und den Anteil erneuerbarer Energie im Gebäudebereich zu erhöhen.

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