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05-01-2022 | Energie | Schwerpunkt | Article

Was das Jahr 2022 energiepolitisch bringt

Author: Frank Urbansky

5:30 min reading time

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2022 wird energiepolitisch durch die Ampelkoalition geprägt werden. Aber auch die EU plant auf dem Energie- und insbesondere dem Gasmarkt große Umstrukturierungen, die alle Verbraucher betreffen.

Die Energiepolitik der EU wirkt sich immer stärker auf die deutsche Gesetzgebung aus, auch wenn man das hinsichtlich der Gaspipeline Nord Stream II, bei der die Bundesregierung einen Boykott ablehnt, die EU einen solchen jedoch befürworten würde, kaum glauben mag. "Auch wenn Energiefragen seit jeher die europäischen politischen Agenden bestimmen, entwickelt sich das Politikfeld institutionell und rechtlich nur langsam im Sinne einer gemeinsamen europäischen Energiepolitik", beschreibt diesen langsamen Prozess Springer-VS-Autorin Mirja Schröder in ihrem Buchkapitel Energiepolitik auf Seite 149.

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Energiepolitik

Die Energiepolitik der Europäischen Union (EU) orientiert sich an den längerfristig ausgerichteten Energiezielen der Nachhaltigkeit, Wettbewerbsfähigkeit und Versorgungssicherheit. Im Vertrag von Lissabon erhielt „Energie“ erstmals ein eigenes …

Dennoch: Bei einer ganzen Reihe von Gesetzen gibt die EU längst den Takt vor, so mit der Gebäudeenergieeffizienzrichtlinie oder der gerade novellierten Erneuerbare-Energien-Richtlinie und dem Fit-for-55-Paket, die schon mit einem eigenen Gesetzeswerk in Deutschland, dem Gebäudeenergiegesetz (GEG), angewandt werden.

CO2-Preis soll zwischen Mietern und Vermietern geteilt werden

Das GEG gilt seit Ende 2020 und wird durch die neue Koalition deutlich verschärft werden. Darauf haben sich die drei Regierungspartner SPD, Grüne und FDP in ihrem Koalitionsvertrag geeinigt.

Eines der Vorhaben: Der CO2-Preis, der seit Anfang des Jahres für alle fossilen Brennstoffe gilt, also auch Erdgas, Heizöl und Kohle im Wärmemarkt, soll zwischen Mietern und Vermietern aufgeteilt werden. Dazu soll ein sogenanntes Teilwarmmieten-Modell dienen. Der Vermieter stellt dabei wie bisher die Wärmeversorgung sicher, der Mieter kann seinen Verbrauch selbst regulieren.

Für die CO2-Kosten soll ein Stufenmodell nach den Gebäudeenergieklassen eingeführt werden. Das Prinzip ist simpel: Je besser ein Haus energetisch saniert ist (wofür der Vermieter zuständig ist), umso mehr Kosten müsste der Mieter tragen – und umgekehrt. Sollte die Einführung nicht gelingen, sollen die Kosten ganz einfach hälftig von Mieter und Vermieter getragen werden.

Ein zweites Vorhaben, dass die Spatzen wortwörtlich schon von den Dächern pfiffen, ist eine PV-Pflicht für eben jene, und zwar im Neubau und bei umfassenden Sanierungen sowie bei Dacherneuerungen. Dann müssen verbindlich PV-Anlagen, entweder zur Einspeisung oder zum Eigenverbrauch, mit geplant und installiert werden. Manko derzeit: Die Branche inklusive der Bauplaner und Statiker ist gut bis sehr gut ausgelastet, Module nicht flächendeckend verfügbar, eine Umsetzung also schwierig.

Das Bauen soll nachhaltiger werden

Ebenfalls am Gebäude soll die sogenannte graue Energie betrachtet werden, also jene, die zur Erstellung der Baustoffe und zu deren Verarbeitung nötig ist. Grob geschätzt macht diese etwa ein Viertel des Energieverbrauches eines Gebäudes aus, drei Viertel werden für den Betrieb über etwa 50 Jahre gebraucht.

Auch hier lugt die EU mit der neuen Kreislaufwirtschaftsverordnung, die seit 2021 gilt, hervor. Zwar gilt die noch nicht für Baustoffe, wird aber in Zukunft darauf angewendet werden müssen. Die Koalitionäre haben sich denn auch in ihrem Vertrag dem Thema Nachhaltigkeit am Bau ausführlich gewidmet. Unklar ist jedoch, wie dieses umgesetzt werden kann. Klar hingegen ist, dass dies zu einer Verteuerung der Bauwerke führen wird und damit auch zu einer Verteuerung im Wohnungsbau. Gleichzeitig sollen nach dem Willen der neuen Regierung jedes Jahr 400.000 Wohnungen entstehen, ein Viertel davon sozial gefördert. Hier besteht eindeutig ein Zielkonflikt zwischen (hohen) Baukosten und (niedrigen) Mieten.

Gelöst werden soll dieser mittels eines neuen Förderprogrammes für 2022, das aber noch wenig konkret ist. Bisher wurde nur bekannt, dass ab dem 31. Januar 2022 der KfW-55-Standard nicht mehr gefördert wird. Hingegen sollen bei den energetischen Standards die Daumenschrauben angezogen werden. Ab dem 1. Januar 2025 soll jede neue Heizung 65 Prozent erneuerbare Energien einbinden und im Neubau der Standard Effizienzhaus 40 EE (bisher KfW 40) gelten. Auch das wird die Baukosten weiter nach oben treiben.

Immerhin sollen die Bürger stärker an der Energiewende beteiligt werden und von ihr profitieren können. Dafür sollen die Bedingungen für Bürgerenergie-Projekte verbessert werden. Eine bisherige Vorrang-Behandlung, etwa bei den Ausschreibungen für Windenergie, hat nichts gebracht.

Am Gasmarkt kann es zu weiteren Verwerfungen kommen

Doch selbst auf diesen ambitionierten Zielen kann sich die Bundesregierung nicht ausruhen. Mit dem schon erwähnten Fit-for-55-Paket hält die EU die Schlagzahl hin zu einer CO2-freien Zukunft weiter hoch, so etwa mit dem Gasmarktpaket, das ab 2022 auch realisiert werden soll. Das kommt den Zielen der Bundesregierung, für eine Übergangszeit die Verstromung mittels Kohle durch Gas zu ersetzen, sogar entgegen, insbesondere, weil die aktuellen Zahlen zur Ökostromversorgung (diese sank 2021 wie schon im Vorjahr, nunmehr auf 42 Prozent) einen 80-Prozent-Anteil im Jahr 2030 eher unrealistisch erscheinen lassen.

Das wiederum würde den Neubau von Gaskraftwerken nötig machen. Sie müssten zum einen die in diesem Jahr vom Netz gehende Atomkraft ersetzen, zum anderen die Kraftwerke, die dem vorzeitigen Kohleausstieg, ebenfalls für 2030 geplant, vor allem im Westen und Osten der Republik zum Opfer fallen. Die Schätzungen einiger Institute gehen von bis zu 40 Gigawatt an neuer Leistung aus, die hinzukommen müssten. Die bei Gaskraft gängigen Gas- und-Dampfturbinenkraftwerke weisen meist eine Leistung von 200 bis 300 Megawatt aus. Das wiederum würde den Neubau von maximal 150 Gaskraftwerken bedeuten.

Atomkraft soll grün werden

Doch hier grätscht die EU dazwischen. Denn Gaskraftwerke gelten nur dann als fortschrittlich oder umweltfreundlich, wenn sie weniger als 100 Gramm CO2 je Kilowattstunde produzieren. Konventionelle Gaskraftwerke stoßen das Dreifache aus. Dazu passend wollen derzeit mehrere Länder, angeführt von Frankreich, in der EU davor sorgen, dass Atomkraft ohne Einschränkungen als erneuerbare Energie anerkannt wird, da sie ja weitgehend emissionsfrei ist. Ex-Kanzlerin Angela Merkel hatte dazu schon geäußert, dass sich Deutschland dagegen nicht wehren werde. Und die neue Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) hat am 4. Januar 2022 ebenfalls bestätigt, dass eine Klage gegen die von Frankreich angeführten Atombefürworter keinen Erfolg haben würde. Das würde aber auch bedeuten, dass der deutsche Atomausstieg ein kompletter Irrweg wäre – zumindest aus der Position des Jahres 2022 betrachtet.

2022 wird also weiterhin unter dem Zeichen einer auch durch die EU forcierten Energiepolitik stehen. "Durch das nächste Liberalisierungspaket der EU, welches 2019 unter dem Namen EU-Winterpaket beschlossen wurde, wird sich der Trend der Marktdynamisierung weiter fortsetzen. In der Konsequenz ist in den letzten Jahren eine Vielzahl von Marktakteuren und -rollen entstanden, welche für unterschiedliche Aufgaben verantwortlich sind. Durch die zahlreichen politischen bzw. regulatorischen Änderungen hat der Energiemarkt deutlich an Komplexität gewonnen", zeigt Springer-Vieweg- Autor Marcel Linnemann in seinem Buchkapitel Abriss der Entwicklung des Energiemarkts auf Seite 7, dass dies keineswegs eine neue Entwicklung ist.

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