"Gut ein Drittel der in Deutschland verbrauchten Endenergie wird für Raumwärme und für Warmwasser aufgewendet. Bei den privaten Haushalten sind es sogar über 80 %, die in die Heizung oder Kühlung unserer Häuser und Wohnungen und in die Warmwasserzubereitung fließen", rechnet Springer-Autor Josef Gochermann auf Seite 244 seines Buchkapitels Regional – kommunal – individual.
Nach Expertenschätzungen liegt die Sanierungsquote, also der Austausch alter gegen neue Heizsysteme, bei etwa einem Prozent. Das ist viel zu wenig für den riesigen Bestand von etwa 40 Millionen Wohnungen in Deutschland, denn die politischen Ziele für den Wärmemarkt sind gewaltig. Die Sanierungsquote, so will es die Bundesregierung, soll auf zwei Prozent verdoppelt werden. Und der Energiebedarf für die Wärmeversorgung soll, verglichen mit 2008, bis 2020 um 20 Prozent und bis 2050 um 50 Prozent sinken.
Förderung vor allem im Neubau
Gehandelt wurde zwar. Mit dem Marktanreizprogramm (MAP) und dem Anreizprogramm Erneuerbare Energien (APEE) wird der Austausch einer alten Heizung so gut gefördert wie noch nie. Doch am Markt blieb der Effekt sehr übersichtlich. Die Förderungen werden vor allem von Häuslebauern in Anspruch genommen. Im Bestand hingegen wird meist auf bewährte Technik gesetzt, und das ist vor allem Gas-Brennwerttechnik. Auch die Ölheizung feierte mit dem Fall der Heizölpreise ab 2014 wieder ein kleines Comeback.
Immer wieder werden deswegen in der Politik Stimmen laut, die einen gesetzlichen Zwang zum Austausch alter gegen effiziente neue Heiztechnik setzen. Als Vorbild dient Baden-Württemberg mit dem 2009 noch von der damaligen CDU-FDP-Landesregierung initiierten Erneuerbaren-Wärme-Gesetz (EwärmeG), das im Bestand im Sanierungsfall nach einer Novellierung 2015 einen Anteil von 15 Prozent Erneuerbarer Energien vorschreibt. Als Erfolgsfall wird durch die dortige Landesregierung angegeben, dass rund 20 Prozent der deutschlandweiten KfW-Förderung von Hausbesitzern im Südwesten abgerufen werden.
Doch dem stehen andere Statistiken gegenüber. So ergab ein Vergleich von 2012 anhand der KfW-Förderanträge, dass die Sanierungsquote in Baden-Württemberg, verglichen mit anderen Flächenländern, keineswegs gestiegen ist. Lediglich fünf andere Flächenländer lagen unter dem Niveau von Baden-Württemberg. Die Stadtstaaten Berlin, Bremen und Hamburg sind schlecht vergleichbar, da hier ein anderer Energiemix und eine andere Eigentümerstruktur existiert. Diese Entwicklung wurde Anfang 2017 durch eine Erhebung des Bundesverbandes der Deutschen Heizungsindustrie (BDH) bestätigt. Demnach gingen 2016 die Sanierungsfälle in Baden-Württemberg um 14 Prozent zurück – deutlich stärker als im Bundesdurchschnitt. Zwang scheint also keine Möglichkeit zu sein.
Politik schlingert
Zur Verunsicherung trägt sicher auch der schlingernde Kurs der Politik bei. Das Einfrieren des MAP 2010 sorgte bei Interessierten für Unsicherheit und Irritation. Auch wenn das derzeitige MAP davon weit entfernt ist – im Verbrauchergedächtnis sind solche politischen Fehlleistungen gespeichert. 2014 sollte zudem eine Steuererleichterung für Heizungsmodernisierer auf den Weg gebracht werden – sicher ein brauchbares Instrument. Doch Bayern stemmte sich dagegen.
Auch das im März 2017 geplatzte Gebäudeenergiegesetz (GEG), in dem Energieeinsparverordnung (EnEV) und Erneuerbares-Energien-Wärmegesetz (EEWärmeG) zu einem Gesetz zusammengefasst werden sollten, scheiterte. Das wäre eine deutliche Vereinfachung des Ordnungsrechts bei Heizungssanierungen gewesen. Man verlässt sich also lieber nicht auf Politik und Förderung. Und so bleibt alles beim alten.
Dabei ist die Wärmewende die größte Herausforderung innerhalb der Energiewende, denn hier liegen die größten Potenziale. Ohne das eine kann das andere nicht gelingen. "Auch wenn noch viele Hindernisse überwunden werden müssen und das Tempo der 'Wärmewende' dem in anderen Bereichen des Energieversorgungssystems deutlich hinterherhinkt, können die vielfältigen neuen Lösungen der Wärmeversorgung auf der Basis erneuerbarer Energien und vor dem Hintergrund des Anpassungsdrucks durch die sinkende Nachfrage als innovative Antworten verstanden werden", macht Springer Spektrum-Autorin Susanne Schubert in ihrem Zeitschriftenbeitrag Ausbau von Wärmenetzen vs. energetische Sanierung? – Umgang mit konkurrierenden Strategien zur Umsetzung der "Wärmewende" auf kommunaler Ebene auf Seite 269 trotz der derzeit entmutigenden Gesamtlage Hoffnung.