Wasserstoff wird in Stahltanks gelagert und transportiert. Derzeit erfolgt die Gewinnung vorrangig aus Erdgas. Für die Gewinnung mittels Elektrolyse bedarf es deutlicher politischer Weichenstellungen.
Frank Urbansky
Wasserstoff, aus erneuerbarem Strom via Elektrolyse erzeugt, kann im Wärmemarkt, in der Mobilität und auch in der chemischen Industrie inklusive Raffinerien Verwendung finden. Deutschland kann dabei eine Vorreiterrolle einnehmen. "Die Energiewende zur nachhaltigen Stromerzeugung und zur Wasserstoffwirtschaft stellt die nächste große industrielle Revolution dar, die nicht nur die Aussicht auf eine gesunde und lebenswerte Umwelt für spätere Generationen bietet, sondern auch die wirtschaftliche Chance auf innovatives Know-how und Technologieführerschaft", beschreiben dies die Springer Vieweg-Autoren Manfred Klell, Helmut Eichlseder und Alexander Trattner auf Seite 1 ihres Buchkapitels Energiewende und Wasserstoffwirtschaft.
Der kürzlich vorgestellte Potentialatlas für Wasserstoff analysiert das Marktpotential für diesen so genannten EE-Wasserstoff (auch EE-H2 oder Power-to-Hydrogen) im Raffineriesektor. Denn gegenüber den bisherigen fossilen Ausgangsstoffen, insbesondere Rohöl, bietet nachhaltig erzeugter Wasserstoff "deutliche Klimaschutzvorteile, verringert die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern in Zeiten immer komplexerer geopolitischer Anforderungen und trägt zur nachhaltigen Sicherung der Lebensqualität" bei, so die Studie.
Nicht teurer als flüssige Biobrennstoffe
EE-H2 erzeugt zudem in den Raffinerien keine höheren Gesamtkosten im Vergleich zu Biokraftstoffen, die jetzt schon zu bis zu zehn Prozent bei Ottokraftstoff und sieben Prozent bei Diesel beigemischt werden. Die Kosten könnten sogar geringer ausfallen.
Noch ist das Zukunftsmusik. Denn Wasserstoff wird derzeit vor allem per Dampfreformierung aus Erdgas hergestellt. Weltweit sind das etwa 1.700 bis 2.200 Terrawattstunden im Jahr beziehungsweise 570 bis 730 Milliarden Kubikmeter. Der Verbrauch in Deutschland liegt bei 19 Milliarden Kubikmeter. Nur fünf Prozent davon beziehungsweise 1 Milliarde Kubikmeter werden mittels Elektrolyse erzeugt.
Bei der Produktion einer Tonne Wasserstoff werden bei der konventionellen Erdgasreformierung circa zehn Tonnen Kohlendioxid freigesetzt. Bei erneuerbaren Energien via Elektrolyse wäre der gesamte Produktionspfad nahezu vollständig emissionsfrei.
Auch der wirtschaftliche Hintergrund ist beeindruckend. Weltweit könnten über 30 Millionen Arbeitsplätze in einer neuen Wasserstoffindustrie entstehen. Das jährliche Geschäftsvolumen könnte bei 2.000 Milliarden Euro liegen. In Deutschland sollen ab 2030 jährlich Elektrolyseure mit einer Leistung von sieben Gigawatt und einem Umsatzvolumen von über fünf Milliarden Euro produziert werden, um den nationalen Bedarf von mindestens 100 Gigawatt im Jahr 2050 bedienen zu können.
Politische Entscheidungen fehlen
Doch derzeit steht davor noch der politische Wille. Deswegen fordert die Studie auch Technologieoffenheit, Freiheit beim Strombezug aus dem Netz, insbesondere bei der Anrechenbarkeit als erneuerbare Energie, und Anerkennung der Erfüllungsverpflichtung zur Quote für erneuerbare Energien oder der THG-Minderung für die Verwender.
Denn nur so lässt sich die Wasserstoff-Elektrolyse mit erneuerbaren Energien überhaupt erst wirtschaftlich betreiben. Dennoch bleiben Konflikte, etwa dürften die Elektrolyseure nur dann laufen, wenn Überschussstrom vorhanden ist – bei einem großen Invest ein Nachteil, da hier regelmäßige Auslastung nötig ist. "Wasserelektrolyse ist heute noch vergleichsweise investitionsintensiv. Damit entsteht ein Zielkonflikt zwischen dem Wunsch nach hoher Auslastung der Elektrolysekapazität und der geringen zeitlichen Verfügbarkeit von (günstigem) Überschussstrom", beschreiben dies die Springer Vieweg-Autoren Christoph Stiller und Markus C. Weikl auf Seite 198 ihres Buchkapitels Industrielle Produktion und Nutzung von konventionellem, CO2-armem und grünem Wasserstoff.